Brut: Daniel Aschwanden stellt "Dog_Man" vor.
Bewundernswert, wie Kira Kirsch und ihr Team die Zeit der Renovierungen im Stammhaus durch die Nutzung unterschiedlicher, auch ganz ungewohnter Spielorte überbrücken. Eine Herausforderung für die Tänzerinnen und Performerinnen und auch für das reisende Publikum. Daniel Aschwanden durfte im Rahmen der Reihe „Handle with Care“ im Theater Nestroyhof – Hamakom Einblick in den Entwicklungsprozess für eine geplante Langzeitproduktion geben. Er will sich mit dem Mythos der Hundemenschen auseinandersetzen. Die spannende Lecture Performance samt Hundefigur, Hundemaske und einer Frühlingsahnung, mit Fotos und Erzählungen aus seinen Recherchen und dem Praktikum mit jungen Tänzer*innen in Peking war nicht nur unterhaltsam, sondern auch überaus lehrreich.
Der Mythos von den Hundemenschen ist rund um den Erdball bekannt, in Asien ebenso wie in Afrika oder in Europa. Aschwanden zitiert den Wissenschaftler und Autor David Gordon White, der 1991 über „Myths of the Dog-Man“ geschrieben hat. In allen Mythen (oder Märchen) über die Hundemenschen geht es um den Einen, der nicht dazugehört, einen Fremden, vielleicht eine Bestie oder gar ein Dämon, jedenfalls andersartig, unverständlich und exotisch. Seine raue Sprache wird oft als Bellen gedeutet. Doch so genau weiß niemand, ob Dog-Men Tier oder Mensch sind.
Wie auch immer: Auch im westlichen Märchenschatz finden sich genügend Hinweise auf Wesen mit einem Hundekopf auf dem menschlichen Körper. Damit keine Genderbeautragte gerufen werden muss: Es gibt im Volk der Hundsmenschen (wissenschaftlich: Kynokephale) natürlich auch Hundefrauen und Hundekinder. Sie tummeln sich nicht nur in Märchenbüchern, sondern auch religiösen Mythen, wie sich an der Basilika von Vézelay im Burgund (12./13. Jh.) leicht erkennen lässt. Allerdings dürfen die mittelalterlichen Hundsmenschen direkt neben dem Kopf der sitzenden Christusfigur lustwandeln, sind also keine Monster oder Bestien, sondern ein braves Volk, dem das Christentum erst beigebracht werden muss. Nicht immer sind also die Hundsmenschen böse. Römische Schriftsteller beschreiben sie als friedliches, handeltreibendes Volk, mit dem man sich verständigen konnte.
Mit seinem goldschimmernden Hundekopf sieht Aschwanden auch keineswegs furchterregend aus. Nackt wie es sich für den auf den Körper konzentrierten Performer gehör – allerding, wegen der eisigen Kälte draußen nur halb –, steht er vor dem Fenster und wandelt es mit Pinsel und Buttermilch zu einer weißen Wand für seine Diashow. Bei White steht zu lesen, dass für das menschliche Gemeinwesen ähnliche Regeln gelten wie für das Hunderudel. Sowohl die Beziehungen der Menschen untereinander, wie die von Mensch und Hund, gleichen dem Beziehungsgeflecht zwischen Hunden.
Noch steht Daniel Aschwanden am Anfang seines Schöpfungs-Prozesses, überlegt, wie er seine Performance anlegen soll, worauf der Schwerpunkt liegen wird. Fest steht jedenfalls, dass das chinesische Jahr 2018 ein Jahr des Hundes sein wird. So wird Aschwanden heuer im Frühjahr in Peking die erste Performance beginnen und dann ein Jahr lang zu verschiedenen Zeiten, an verschiedenen Orten, angesagt oder unverhofft, allein oder mit einer Gruppe von Hundsmenschen auftreten. Jedoch nicht mehr so regelmäßig, wie er es in seiner im März 1027 beendeten Performance-Reihe „goldberg 365“ gemacht hat, als jeden Tag, ob Regen oder Schnee, Hitze oder Kälte, ein kurzer Auftritt absolviert worden ist. Auf jeden Fall wird es auch wieder Nachrichten im Internet geben, schon jetzt kann man die Tagebuchaufzeichnungen vom Sommer nachlesen. Aschwanden hat vor, aus den alten Mythen neue, urbane Legenden zu formulieren und in unterschiedlichen Medien zu verbreiten.
Daniel Aschwanden: „Dog_Man“, Vorstellung des neuen Projekts am 26. November 2018, brut im Hamakom.