Kira Kirsch macht das brut neu
Viel gibt es noch nicht zu berichten von der „Produktions- und Spielstätte für Performative Künste“ unter der künstlerischen Leitung von Kira Kirsch, zuletzt leitende Dramaturgen beim steirischen herbst, doch immerhin ein Eröffnungsdatum: Am 30. Oktober steigt die erste Party. Davor aber tanzen die Autos durch die Stadt. Die Schweizer Performancegruppe mercimax zeigt ein „Autoballett“.
Das „Autoballett“ tanzt allerorten schon den ganzen Sommer über. Am Volant sitzen passionierte Autofahrer_innen, doch damit brave Umweltschützer nicht den Kopf schütteln, wird das Kreisfahren ironisch als Abschied vom Fetisch des 20. Jahrhunderts ausgeschildert. Wer dabei sein will, muss mitfahren. Der Spaß wird wiederholt: Auch am Samstag und Sonntag tanzen die Autos durch die Innenstadt.
brut extra. „Part AY“ nennt das rennweg no collective den von ihm gestalteten 2. Eröffnungsabend am Samstag, 31.10. Am Sonntag werden sich die autonarrischen Kerle und Kerlinnen zweiteilen – die einen fahren und fahren und fahren von 7.30 bis 18 Uhr, während die anderen ab 16.30 stillsitzen dürfen und reden. Damit (und mit Gästen im Gespräch) eröffnen sie das neue Format „brut extra“, mit dem Einblick in künstlerische Prozesse und auch Raum für Gespräche darüber gegeben werden soll. Geredet wird auch vom Grazer Theater im Bahnhof, das mit der Reihe „Zu Gast im brut“ eine Art Talk Show vorführt. Härter als im Zentrum, klarer als bei der Elefantenrunde, einfacher als in der ZiB werden Personen und Persönlichkeiten peinliche Fragen gestellt. Dreimal eine halbe Stunde kommen die Gäste zum Handkuss. Pia Hierzenegger ist die Inquisitorin, die die Fragen aus einem Katalog mit dem Würfel auswählt. Taferl können daher keine vorbereitet werden. Die erste Runde startet am Samstag, 14. November. Die Gäste? Eine Überraschung!
booze-up? Einen Stammtisch will / wird Kirsch auch aufstellen, am Herd sozusagen. Einmal im Monat wird gekocht und geplaudert und natürlich auch gegessen. Einst, in grauer Vorzeit, luden die Menschen Gäste in ihre Wohnstuben, um den gesellschaftlichen Ritualen zu frönen: essen, trinken, erzählen, lachen, diskutieren, auch streiten und schließlich friedlich auseinander gehen. Heute wird ein Format oder eine Performance daraus. Die Küchenserie nennt sich „Bring your own booze“.
Künstler_innen, die aktuell im brut arbeiten, werden zu Werkgesprächen einladen und das Publikum zu Proben bitten. Titel des Formats: „Handle with care“ .
„Out and about“ sollen Künstler_innen und Publikum nutzen, um gemeinsam durch die Stadt zu spazieren, damit unbekannte Orte entdeckt werden und neue Sichtweisen erlernt.
Das Musikprogramm heißt einfach Musikprogramm, bleibt Bestandteil des brut-Programms und bemüht sich um „avancierte Popmusik und experimentelle Formate.“
Schon am 5. November findet die erste Theaterproduktion statt. Federico León zeigt „Las Ideas“. Englisch sind diesmal lediglich die Übertitel, der Künstler spricht spanisch und ist sowohl Theater- als Filmregisseur. Aus diesen Erfahrungen schöpft er auch für seine Performance im Gespräch mit Julián Tello.
Danach wird es ziemlich privat, vielleicht sogar intim. Ann Liv Young hat sich den Pianisten Marino Formenti geangelt und in ein leer stehendes Geschäft verschleppt, doch die beiden bleiben nicht allein: Jeweils für zwei Stunden werden sie Besuch empfangen, zahlende Gäste, deren Begegnung mit Künstlern und Künstler auf Video aufgezeichnet wird, damit es auch einen Abschlussabend im Theater geben kann. Empfangen wird von Ann Liv und Marino vom 17. November bis 11. Dezember täglich um 1o Uhr. Wer sich nicht rechtzeitig anmeldet für das tête à deux têtes, bekommt die Zusammenfassung am 12.12. als Revue serviert.
Und im Neuen Jahr? Michikazu Matsune kommt auf eine recht komische aber wahre Geschichte zurück, die der amerikanische Tänzer Abdur Rahim Jackson 2008 erlebt hat. „Dance, if you want to enter my country!“ ist der aussagekräftige Titel von Matsunes Auftritt im Februar 2016. Bereits im Rahmen von ImpulsTanz arbeitete Anne Juren mit dem Publikum, um eine Brücke zwischen Außen und Innen zu schlagen. Die Zuschauer_innen werden zu Workshop-Teilnehmerinnen und brauchen ihre gesamte Vorstellungskraft, um Juren zu folgen. Die Uraufführung hat im verglasten 21er Haus stattgefunden. Für den kleinen Bühnenraum im brut wird den Punkt ein wenig verrücken müssen.
Letzter wichtiger Kalendereintrag: Anfang Dezember bringt der Choreograf, Tänzer und bildenden Künstler Julian Weber mit fünf Tänzer_innen sein Tanz- und Objekttheater „Formen formen“ ins brut. Drei Abende (3., 4., 6.12.), die zeigen werden, wie Formen und Farben den Raum und auch die bewegten Körper beeinflussen.
Kira Kirsch: Neue Formate im neuen brut. Neu ist auch die Hülle, was vor allem aufder Website zu sehen ist. Die Adresse is angenehmerweise nicht neu: www.brut-wien.at/