Zum Hauptinhalt springen

Jamilla Johnson-Small: I ride in colour ...


Fragile Performance mit gefilmten Avataren.

Mit der österreichischen Erstaufführung ihrer ersten Soloarbeit I ride in colour and soft focus, no longer anywhere hat sich die britische Tänzerin und Choreografin Jamilla Johnson-Small, die unter dem Künstlernamen Last Yearz Interesting Negro arbeitet, dem Wiener Publikum im Rahmen der Reihe [8:tension] des Impulstanz-Festivals 2018 vorgestellt.

Jamila Johnson-Small © Ayka Lux Gemeinsam mit dem Londoner Licht- und Raumdesigner Jackie Shemesh, Sounddesigner Josh Anio Grigg und Skulpturen von Joey Addison erzählt Johnson-Small zu teils groovigen DJ-, Dancefloor- und Party-Sounds, dann wieder harten Techno- und Elektronik-Beats von Phoebe Collings-James, Nkisi, Junior XL, Shelley Parker sowie Grigg und Johnson-Small selbst vor allem von sich. Man erfährt im Laufe der Performance nach und nach vom plötzlichen Verlust des Vaters, von Ängsten – Zeit, Wasser und Tod –, Begegnungen und einem kontinuierlichem Sich-Verorten in einer Welt der Hindernisse, Dunkelheiten und Projektionsflächen. „But you get what you are given and you take what you can get.“

Während die Tänzerin zu Beginn der Performance unter einem Plastiksack liegt, der hie und da von den sich ständig durch den Raum bewegenden Lichtspots eingefangen wird, tanzen auf der Leinwand mehrere virtuelle Kopien der Tänzerin. Projektionen des eigenen Körpers und monochrome Farbräume treffen hier aufeinander, ohne dass, abgesehen von den parallelen Lichtimpulsen, der reale eigene Körper Teil dieser Begegnungen wird. Die Projektionen selbst bilden ein Ensemble der "vielen", "humans everywhere", in unterschiedlichen körperlichen und emotionalen Manifestationen.

Während sich Johnson-Small im folgenden Teil aus ihrer Hülle schält und in einen choreografischen Dialog mit Licht, Sound und (dank schwarzer, verbrannter Styroporgebilde, die die Bühne strukturieren) nicht ganz hindernisfreiem Raum begibt, erzählen Toneinspielungen von Gesprächen, Straßengeräuschen, Liedern, Textprojektionen und drei weitere Tänzerinnen, die für kurze Zeit die im steten Dunkel gehaltene „Tanz“-Fläche mitgestalten, von all dem, was die Künstlerin „je getroffen, gesehen, gehört, gefühlt“ hat.
Auch die eigene Stimme erzählt viel davon, Johnson-Smalls Körper navigiert sich zwischen bereits Erfahrenem und im Moment Erlebtem (und vor allem Gefühltem) durch ihre eigene Performance, später auch durch das Publikum – einmal direkt durch die Sitzreihen hindurch, am Ende auf der Bühne durch einen Teil der Zuschauer*innen, die der Einladung, sich auf Plastikpölstern und mit Tiermasken im Raum niederzulassen, gefolgt sind.Jamila Johnson-Small tanzt mit Kopieren ihres Selbst.  © Katarzyna Perlak / Carlos Jimenez

Johnson-Small bezeichnet ihren Körper als „ein Orakel, eine Trance, eine rhythmische Schnittstelle, eine Atmosphäre“, eine Landschaft aus gestern und jetzt, Stimmen und Stille, Dunkelheit (vielleicht das zentralste Moment an diesem Abend) und mattem bis gleißendem Licht, durch die sich die Tänzerin navigiert. Verletzlich und ernsthaft, konzentriert und sinnlich, nachdenklich und präsent zwischen Raum, Licht, Objekten und Menschen bewegt sich die Performerin über knappe 90 Minuten durch das so geschaffene eigene Universum dieses „Nicht-länger-irgendwo“-Seins und schafft so eine Situation zwischen offener Kommunikation und persönlicher Suchbewegung.
Der Anfang liegt im Dunkel, die Tänzerin in einem Pastikgehäuse. © Ayka Lux In einem Interview mit the fifth sense bezeichnet Johnson-Small ihre erste Soloarbeit als eine Art „rhythmisches Interface“, eine Landschaft, der es gelingt, den eigenen Zustand im Moment festzuhalten, ohne diesen durch einen vorgegebenen Bewegungsablauf im Sinne einer klassischen Choreografie festzuschreiben.

Ein fragiles Unterfangen, das mit Zuständen und Zwischenräumen, S(t)imulation und Beeinflussung arbeitet, in denen sich, so die Choreografin, „die Erfahrungen des Lebens entfalten. Vielleicht könnte man sagen, dass Tanzen etwas ist, mit dem ich versuche, mich selbst zu extrahieren.“ I ride in colour and soft focus, no longer anywhere ist ein eindrücklicher Versuch, sich unaufhörlich neu aufzusuchen.

Jamilla Johnson-Small: i ride in colour and soft focus, no longer anywhere, ÖEA, [8:tension] Young Choreographers' Series, 9. August 2018, Kasino am Schwarzenbergplatz, Impulstanz Festival.