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Tanz*Hotel – AAA Werkschau 16

"Fuge . Randale" von lux flux

AAR – Artist at Resort – ist das Tanz*Hotel Residenz- und Aufführungsprojekt für Tanz- und Performance-Schaffende mit künstlerischer Begleitung des Tanz*Hotel Chefs Bert Gstettner. Zwei Künstlerinnen und zwei Teams – Soraya Leila Emery, Verena Schneider, Daniel Lercher mit Asher O‘Gorman und Tara Silverthorn sowie das Kollektiv Lux Flux – haben in einem mehrwöchigen Prozess ihre Kreationen erarbeitet, die zum Abschluss an drei Abenden Anfang Mai im Tanz*Hotel vorgestellt worden sind.

Mit „There’s Bass in a Bee“ holen die Tänzerin Tara Silverstorn, die bildende Künstlerin und Choreografin Asher O’Gorman und der Klangkünstler Daniel Lercher die Musik aus den Objekten. Tara Silverthorn entlockt den Objekten Töne.Wie ein Ritual mutet es an, wenn die beiden Frauen ihre Fäden spinnen, die durch die Tonwolke zum Vibrieren gebracht werden und so selbst Musik erzeugen. Die Objekte, kupferfarben und silbern, aus Glas und Kunststoff sind im hellen Studio in der Zirkusgasse angeordnet, an der Wand hängt ein Zopf ungesponnener Wolle, der Schatten einer Plastikplatte an der Wand bläht sich zum Segel, am Rand auf einer silbern schimmernden Platte ein wassergefülltes Lavoir. Die beiden Frauen bewegen sich gemessen, Schamaninnen des Klangraumes, der als Hall und Widerhall Teil der Performance ist. Wenn sie ihre Köpfe in das Wasser tauchen,Asher O'Gorman lässt das Wasser im Brunnen singen. wird das banale Lavoir zum geheimnisvollen Brunnen, aus dem der Gesang der Sirenen dringt. Am Computer werkt der Musikmeister, dirigiert die Tänzerinnen, diese entlocken den Objekten ihre innere Stimme. Eine kaum eine halbe Stunde dauernde Vorstellung, fein gearbeitet und überraschend.

Verena Schneider zeigt dann Witziges mit ihrem „Erbsenstück“. Schneider, die sich mit Akrobatik, Zirkuskunst und Tanz beschäftigt, erinnert sich an ihre Jugend und das Leiden an einer Essstörung. Die Erbsen, die sie ihrem Alter Ego, einer hohlen Schneiderpuppe im rosa Negligé, serviert, dienen als Metapher für Ess- und Magersucht und werden nach der vierteiligen Vorstellung im Suppentopf zum Verkosten serviert. Mit Gesang und einem ausgefeilten Mienenspiel, Verena Schneider mit ihrem Alter Ego im rosa Negligé.mit Akrobatik und tänzerischen Bewegungen verarbeitet Schneider die Erinnerungen und räumt auf. Sie zieht sich die rosa Kombinege an, und die Puppe muss all ihre Innereien hergeben. Abgeschlossen. Der Vorteil einer solchen mehrteiligen Werkschau ist, dass die Künstler*Innen ihre Ideen nicht zerdehnen und durch Wiederholungen auf eine publikumskompatible Länge bringen müssen. So kommt keine Langeweile auf, die Stücke, meist Uraufführungen, sind auf die Essenz konzentriert.

„Fuge . Randale (work in Process“) nennt das Team von lux flux, 1994 von Inge Kaindlsdorfer, Jack Hauser und David Ender gegründet, das neue Stück. lux flux tanzt eine von Barockmusik inspirierte Fuge. (Inge Kaindlstorfer, Helga Gussner-Peham, Wolfgang Jagschitz, Maria Kreitner). Keine Überraschung, dass mich die wiederholten, kopierten und variierten Bewegungen an die vom Wiener Staatsballett so hervorragend einstudierte „Artifact Suite“ von William Forsythe erinnern, arbeiten doch beide Choreografien ebenfalls mit den barocken Formen der Musik. Allerdings bei lux flux ist nicht Johann Sebastian Bach zu hören, sondern die Geräuschkompositionen von Elisabeth Flunger und David Ender. Maria Kreitner hält die Rede über Randale, perfekt artikuliert und intoniert. Die beziehen sich eher auf den 2. Teil des Titels: Randale. Die Tänzerin Maria Kreitner erklärt großartig, was Randale bedeutet und erzählt auch, was ihr selbst dazu einfällt. David Ender erzeugt mit dem Blasrohr fast unhörbare Töne, Elisabeth Flunger klappert mit dem Blechgeschirr, rasselt mit einer Kette. Die Fuge ist sichtbar, die Randale hörbar. Eine bestens studierte und feinst improvisierte Performance, die am nächsten Tag vielleicht ganz anders zu sehen und zu hören ist.

Zum Abschluss, als „Dessert“ meint Coach Gstettner, zeigt Soraya Leila (Emery) mit „When The Ground“ einen Tanz im Wüstensand. Wirbelnder Tanz im Sand von Soraya Leila.Deutlich von ihren marokkanischen Wurzeln beeinflusst, zeigt die junge bei SEAD ausgebildete Tänzerin eine Frau, die allmählich ihrer selbst bewusst wird, sich vom Boden erhebt und in rasender Drehung den Kopf hin und her wirft und schließlich ihren Weg gefunden hat. Sie sitzt gelassen im Halbdunkel, bändigt ihr Haar, ölt die Arme ein, schminkt das Gesicht, legt den Schmuck an, wiegt ein Kind in den Armen, leise summend schläft sie ein. Soraya Leilas Bewegungssprache konzentriert sich ganz auf die Körpermitte, mit schmiegsamen, teils heftigen Bewegungen erinnert sie an orientalische Bauchtänzerinnen, die keine Scheu haben, ihren Körper zu präsentieren. Eine Erweiterung des Vokabulars könnte die Ausdruckskraft der Tänzerin verstärken.

Wie schon 15 Mal bietet davor auch dieser Abend ein abwechslungsreiches Programm, das mit vier Variationen die reichen Ausdrucksmöglichkeiten des Körpers gezeigt hat und mit jedem einzelnem Werk, ob mit Objekten oder ohne, mit Musik oder in der Stille, einen anderen Zugang zu Tanz und Performance eröffnet.

AAR 16 Werkschau: 30. April, 1. und 2. Mai 2019, Tanz*Hotel.
„There’s Bass in a Bee (work in progress)“, Konzept, Performance: Asher O’Gorman, Daniel Lercher & Tara Silverthorn.
„Erbsenstück“, Konzept, Performance: Verena Schneider; Künstlerische Beratung, Endregie: Bert Gstettner; Kostüm, Bühne unter der Mithilfe von Sarah Sternat.
„Fuge . Randale (word in process)“, Choreografie, Performance: lux flux mit David Ender, Elisabeth Flugner, Helga Gussner-Peham, Wolfgang Jagschitz, Inge Kaindlstorfer, Maria Kreitner. Konzept: Sonja Browne, Elisabeth Flunger, Inge Kaindlstorfer; Musik: Elisabeth Flunger, David Ender.
„When The Ground“, Konzept, Performance: Soraya Leila; Musik: Philipp Pettauer | Bachar Mar-Khalifé „Yalla Tnam Nada“; Kostüm Design: Angela Karpouzi; Künstlerische Beratung: Bert Gstettner.
AAR-T*H Team: Künstlerische Leitung, Coaching: Bert Gstettner; Bühnentechnik: Alexander Wanko, Jan Wielander; Video: Sigrid Friedmann. Fotos: Martina Stapf. Organisation: Claudia Bürger.