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Eisa Jocson: „Princess“, Tanzquartier

Farbige Schneewittchen. Darf das sein? © Joerg Baumann

Zwei farbige Schneewittchen brechen Disneys Restriktionen auf. Im Tanzquartier Wien war Anfang November 2018 „Princess“, der erste Teil einer „Happyland“ überschriebenen Trilogie der Philippinin Eisa Jocson zu sehen. Mit viel erheiterndem Publikumskontakt, voller Ironie und Sarkasmus und mit exotischer Anmut treten zwei Randfiguren ins Rampenlicht.

Die Bühne, eine breite weiße Bahn, nach hinten sanft geschwungen ansteigend, von waberndem Deckenlicht erhellt, betreten zwei mit kräftig gefärbten langen gelben Röcken und blauen Puffärmel-Blusen bekleidete TänzerInnen. Knallrote Lippen, schwarze schulterlange Kunsthaare und eine rote Schleife darin; Prinzessinnen von der Disney-Stange. Einmal Prinzessin sein! Eine kritisch-ironische Show von und mit Eisa Jocson. © Joerg Baumann Sehr langsam in Bewegung fallend, kichern und reden mit piepsiger Stimme das Immergleiche. „Hello there!“ „I‘m Snow White!“ Synchrone Bewegungen mit eingefrorenem Lächeln werden ausladender. Kurz weinend auf dem Boden, richten sie sich immer wieder auf, um neuerlich in ihre Rolle zu schlüpfen. Etwas wie Maschinengeräusch unterbricht die Stille hier und da. Schließlich wird der, auch körperliche, Kontakt zum Publikum gesucht. Anfängliches Unbehagen weicht einer Heiterkeit, die nie ganz frei wirkt. Auf der Bühne zurück, eskaliert die Situation. Aus dem lieblichen Geplänkel wird wütendes Geschrei, nun mit unverstellter Stimme. „You don’t know how I feel right now!“ Oh, ein Schneewittchen ist ein Mann.
Sie kauern, die Röcke über die Köpfe gezogen und entledigen sich unter diesen ihrer Haar- und Gesichtsmaskerade. Zwei echte Menschen stehen vor uns, ernst und voller natürlicher Würde zeigen sie ihr wahres Gesicht. Als dann ein Walzer erklingt, fallen sie zurück in ihre Stereotype und lassen so etwas wie ein „Entschuldigt bitte!“ fühlen. Das Publikum applaudierte zögernd, dann wohlwollend. Schneewittchen lächelt, doch unter der Maske fließen die Tränen. © Joerg BaumnnDie in Manila lebende Choreographin Eisa Jocson gastierte bereits mehrfach in Wien, im Tanzquartier wie auch bei ImPulsTanz. Zuletzt mit ihrem Solo „Macho Dancer“ im Tanzquartier, beschäftigt sie sich in ihren Arbeiten mit der Zuschreibung von Rollen und den resultieren physischen, psychischen, sozialen und gesellschaftlichen Konsequenzen.
„Princess“ ist eine Performance, die sich vordergründig mit den Glücksversprechen der Disneyland-Klischees und der damit auch verbundenen Diskriminierung all derer, die den Idealtypen dieser Kunstfiguren nicht entsprechen, befasst. Bemerkenswert an diesem Stück ist, neben den tänzerischen und schauspielerischen Leistungen bei der Darstellung des Disney-Dramas, auch noch eines: Eisa Jocson in ihrer Show "Pool Dance"  © Jovel LorenzoDie am Ende gefühlte Beklemmung hat ihre Ursache in dem Spiegel, den Eisa Jocson auf die Bühne stellt. Sie lässt uns, den einen mehr, den anderen weniger, unseren Konformismus, unsere Maskierungen und die nachgerade fratzenhafte Verlogenheit unseres postmodernen Selbstverständnisses spüren. So ist diese Arbeit auch als Sozial- und Systemkritik am Spätkapitalismus zu verstehen. Und sie ist ein Aufruf an die westliche Welt, mehr Authentizität zu wagen.

Eisa Jocson: „Princess“: Künstlerische Leitung: Eisa Jocson; Konzept und Performance: Eisa Jocson, Russ Ligtas; Musik: Marc Appart; Lichtdesign: Florian Bach; gesehen am 1. November 2018, Tanzquartier.