Richard Eyre / Ian McEwan : „Kindeswohl“
Eindrucksvolle Verfilmung des 2014 erschienen gleichnamigen Romans von Ian McEwan. Der Autor hat selbst das Drehbuch geschrieben und, wie schon in der Verfilmung seines Romans „Am Strand“ nach seinem Drehbuch, Literatur in Bilder umgesetzt. Emma Thompson spielt die zentrale Rolle, Fiona Maye, eine hochrangige Richterin in London, die einen komplizierten Fall zu lösen hat.
Der Preis, den Richterin Maye für ihren totalen Einsatz bei ethisch komplizierten Fällen zahlt ist hoch: Während sie über die den Streit der Ärzte gegen die Eltern, um eine lebensrettende Bluttransfusion für den noch nicht volljährigen Adam (Fionn Whitehead) zu entscheiden hat, zerbricht ihre Ehe. Ehemann Jack (Stanly Tucci) entschließt sich, mit einer Jüngeren zusammenzuziehen, weil Fiona ohnehin mit dem Gericht verheiratet ist und die Ehe in Kommunikationslosigkeit erstarrt ist. Zugleich empört und zerstört, fühlt sie sich auch an der Kinderlosigkeit der Ehe schuldig.
Mit aller Kraft und Disziplin versucht sie die private Krise zu bewältigen, während sie mit dem jungen Adam, kurz vor seinem 18. Geburtstag rechtlich noch ein Kind, beschäftigt ist. Aufgewühlt und verletzlich entschließt sich Richterin Maye zu einem ungewöhnlichen Schritt. Sie besucht Adam im Spital und gewinnt sein Vertrauen. Er befreit sich von den einer Sekte anhängenden, gläubigen Eltern und bindet sich an Fiona Maye. Sie kann den Stein, den sie ins Rollen gebracht hat, nicht mehr bremsen.
Emma Thompson spielt die erfolgreiche, angesehene Richterin, die weder ein freies Wochenende noch Urlaub kennt, gepanzert und hartherzig erscheint, doch als Jack die Tür hinter sich schließt, in einen hysterischen Weinkrampf verfällt. Großartig ist sie ihn McEwans Gerichtssaalszenen und in der zu Tränen rührenden Szene am Krankenbett Adams. Für sie gilt vor allem das Wohl des Kindes, dass sie selbst keine Kinder hat, spielt dabei eine wesentliche Rolle. Doch zwischendurch bin ich auf des Ehemannes Seite, Fiona ist eine leblose Arbeitsmaschine, die literarische Figur ist sympathischer als die Richterin im Film.
„Kindeswohl“ ist ein angenehm intelligenter Film von hohem Niveau, der reichlich Diskussionsstoff für danach bietet. Die Ehre ist vor allem Kunst des Literaten Ian McEwan zu verdanken.
Richard Eyre: “Kindeswohl /The Children Act”, Buch: Ian Mc Ewan, Kamera: Andrew Dunn, Musik: Stephen Warbeck, mit Emma Thompson, Stanley Tucci, Fionn Whitehead und andere. Ab 31. August im Kino. Verleih: Filmladen.
Buchtipp:
Ian McEwan: "Kindeswohl", Orginaltitel: "The Children Act", übersetzt von Werner Schmitz , Diogenes 2015. 224 S. € 22,70. Auch als Taschenbuch, 12,40 und E-Book, 9,99, erhältlich.