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Oberleithner & Chowaniec: i Choreography

Magda Chowaniec, Valerie Oberleithner © VOberleithner,MChowaniec

Auf dem Wiener Heldenplatz, einem so beladenen Ort, zu Füßen des Altans, von dem Adolf Hitler am 15. März 1938 den „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich verkündete, zeigten 16 PerformerInnen unterschiedlichen Alters und verschiedener Hautfarbe mittels einer „Somatischen Demonstration“, wie mit Geschichte und der Gestaltung zukünftigen Zusammenlebens umgegangen werden kann. „ iChoreography – Conversations; A Somatic Demonstration“ nennen die beiden Choreografinnen / Performerinnen, Valerie Oberleithner und Magdalena Chowaniec, ihre Arbeit für das ImPulsTanz Festival 2018. Es ist die Fortführung und Weiterentwicklung einer partizipativen Performance, die die beiden Künstlerinnen im März 2018 unter dem Titel „iChoreography Kurort, – eine Therapie Performance“ mit fünf Teenagern im WUK veranstaltet haben.

iChoreography Conversations: Treffpunkt vor der Nationalbliothek am Heldenplatz © Emilia Milewska.16 im „Business-Outfit“ gekleidete Menschen, die Frauen in Kostümen und Blusen, die Männer im Anzug mit Krawatte, treffen sich, aus allen Richtungen kommend, auf den Stiegen vor der Österreichischen Nationalbibliothek. Einige legen sich auf die Stufen, andere beginnen, die liegenden Körper zu lockern und zu erden. Die Besucher der Bibliothek gehen mitten hindurch, Krähen landen, Kinder spielen und schreien. Und dann werden die Liegenden abgeputzt. Beginnend am Oberkörper, weiter über die Beine und Füße werden Scham, Schuldgefühle und ein selbstsabotierender Umgang mit der eigenen Geschichte von den Körpern abgestreift, um sich anschließend auf die Wiese vor der Neuen Burg zu begeben.

Hier bilden die, am zweiten Tag deutlich zahlreicheren, ZuschauerInnen einen großen Kreis. Viele sitzen auf den vorbereiteten großen Stoff-Planen. Die PerformerInnen bitten einige der Umsitzenden, sehr persönliche Dinge wie ihre Handies, Pässe und Kollegmappen entgegenzunehmen und auf sie Acht zu geben. Vertrauen als Geschenk an den Fremden! In deren Mitte beginnt ein Tanz, Bewegung, miteinander kommunizierend und für sich allein, vertikal wie horizontal. iChoreography Conversations: Entspannung auf der Wiese.© Emilia Milewska

Um 18:30 Uhr der Höhepunkt: Die von der schottischen, in Berlin lebenden, Turner-Preis-geehrten Künstlerin Susan Philipsz entwickelte 10-minütige Klang-Installation „The Voices“ auf dem Heldenplatz, die noch bis Mitte November täglich um 12:30 und 18:30 zu erleben ist. Aus unsichtbaren Lautsprechern an den vier Ecken dieses riesigen, belebten, zentralen und doch nur Durchgangs-Platzes (umrahmt von der Hofburg auf der einen Seite und den zwei temporären, flach-kubischen Pavillons, die während der Renovierung des Parlamentes dessen Abgeordneten und Angestellten als Arbeitsplatz dienen, auf der anderen Seite), werden einzelne Töne vernehmbar. Zart, zerbrechlich beinahe, sphärisch, vorsichtig einsetzend und ausklingend, wichtige Pausen zwischen ihnen, erst später dann auch gleichzeitig ertönend. Diese als „Gegenklang“ zum hysterischen Geschrei der Massen während der Rede Hitlers 1938 konzipierte Sound-Installation, für sich bereits ungemein beeindruckend und berührend, bildet das Zentrum, um das herum diese Performance entwickelt wurde. iChoreography Conversations:  Magda Chowaniec unterhält sich mit den Gästen © Emilia Milewska Nach dem Verklingen der letzten Töne suchten die PerformerInnen das Gespräch mit Grüppchen von Zuschauern. Sehr freundliche Offenheit, Neugier, Nachdenken, Erinnerung, Besinnung, Leichtigkeit, Lachen, all das war zu beobachten. Ungeordnete, sehr allmähliche Auflösung.

Diese so wertvolle Arbeit beschreibt einen Gegenentwurf zu Vergessen, Verdrängen, Verstummen, Ignoranz oder gar Verleugnung, indem sie körperlich und emotional erleben lässt, wie auf konstruktive Weise mit Vergangenheit umgegangen werden kann und welche Werte, welches Denken und Handeln die Basis für die Gestaltung einer Gesellschaft bilden können und sollten.

Valerie Oberleithner und Magdalena Chowaniec haben diese Performance bewusst nicht als eine politische konzipiert. iChoreographie: Bewegung und Kommunikation. © Emilia MilewskaDennoch ist sie eine. Eine, die durch ihre Klugheit berührt, die durch ihren Geist bewegt, die sehr nachdenklich macht. Das macht Mut und wärmt das Herz!

Und: ImPulsTanz und dem Haus der Geschichte Österreich, welches die Sound-Installation in Auftrag gegeben hat, gebühren Respekt, Anerkennung und großer Dank dafür, solch klare politische Statements, die diese Performance und die Klang-Installation darstellen, unterstützt zu haben! Es tut bitter Not! Ich wünsche mir mehr davon.

Valerie Oberleithner & Magdalena Chowaniec: iChoreography – Conversations. A Somatic Demonstration, ImPulsTanz Festival; Research, Konzept und Choreografie: Valerie Oberleithner & Magdalena Chowaniec; Performance: Valerie Oberleithner, Magdalena Chowaniec sowie weitere 14 PerformerInnen; Sound-Installation: Susan Philipsz „The Voices“. 20.+22. Juli 2018, Heldenplatz im Rahmen von ImPulsTanz.