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„Giselle“: Debüt von Kiyoka Hashimoto als Myrtha

Die geisterhaften Willis (Shibamoto, Hashimoto, Bottaro)

Das gelungene Debüt von Kiyoka Hashimoto als Myrtha, Königin der Willis, im 2. Akt und Maria Yakovleva als ideale Giselle mit ihrem ebenfalls fabelhaften Partner Masayu Kimoto haben den Ballettabend von „Giselle“, es war die 72. Vorstellung in der Choreographie und Inszenierung von Elena Tschernischova, zu einer Sternstunde erhoben. Das Publikum reagiert verzaubert und begeistert. Im richtigen Tempo, behutsam und gefühlvoll dirigiert Paul Connelly die Musik von Adolphe Adam, das Staatsopernorchester folgt ihm willig.

Maria Yakovleva, Masyu Kimoto: Ein ideales Paar als Giselle und Herzog Albrecht. Die Erste Solotänzerin Kiyoka Hashimoto erfreut als Myrtha mit federleichten Sprüngen, perfektem Port de bras und eisiger Miene. Die Rolle der gestrengen Königin der Willis ist nicht leicht zu tanzen, ist Myrtha doch zu Beginn des 2. Aktes endlos lang allein auf der Bühne. Hashimoto findet ihren Weg im finsteren Wald, dass sie den Kopf hoch und den Oberkörper steif trägt, zeigt die Anspannung eines Debüts. Am 6. Juni, wenn sie zum zweiten Mal als Myrtha mit ihrem Myrthenbesen die Willis aus ihren Gräbern steigen läst, wird das allzu feste Eis geschmolzen sein.

Maria Yakovleva und Masayu Kimoto, Giselle und Herzog Albrecht, sind ein wundervoll harmonisches Paar, das nicht nur durch technische Perfektion brilliert, sondern auch durch einfühlsame und anrührende Rollengestalt überzeugt. Im ersten Akt, der mir viel zu düster, ganz grau in grau (Bühne und Kostüme) ist, obwohl es bei Winzerfest und Jagdausflug noch gar nicht spukt, ist Yakovleva ein fröhlich hopsender Teenager; Kimoto ein selbstbewusster Herzog, der die Vorhaltungen seines Begleiters (Marcin Dempc) mit einer Handbewegung abtut und auch den eifersüchtigen, ebenfalls in Giselle verliebten, Hilarion (Eno Peçi, flehend, wütend, reumütig) gebieterisch weg weist. Hilarion und Herzog Albrecht buhlen um die Liebe Giselles (Eno Peçi, Kimoto)Dennoch glaubt man ihm, dass er es, zumindest im Augenblick, ehrlich mit Giselle meint. Dass er schon eine Verlobte hat, daran denkt er nicht, wenn Giselle ihn zum Tanz auffordert. Der Herzog lässt Würde und Verpflichtungen fahren und wird zum verliebten Jüngling. Die Anziehungskraft des Bauernmädchens Giselle kommt nicht von ungefähr, ist sie doch, ohne es zu ahnen, die illegitime Tochter des Herzogs von Kurland (Igor Milos), Vater der offiziellen Braut Albrechts.

Yakovleva tanzt den Wahnsinn.
Keine Überraschung, dass die Mutter Giselles (Franziska Wallner-Hollinek) erschrickt, wenn die Jagdgesellschaft samt ehemaligem Geliebten und Giselles Halbschwester eintrifft. Voll dunkler Ahnungen will sie Giselle vor dem drohenden Schlamassel bewahren. Doch welches junge Mädchen lässt sich von der Mutter etwas sagen! Die bittere Wahrheit erfährt Giselle vor allem durch Hilarions Eingreifen, der meint, sie damit zurückzugewinnen. Doch er verliert sie ganz. Giselle wird wahnsinnig und stirbt an Herzversagen. Giselle, noch glücklich als Winzerkönigin. (Yakovleva)Maria Yakovleva, gerade noch von filigranem, diesseitigem Liebreiz, wandelt sich in rasenden Drehungen zur Furie, wechselt, geistesgestört, in eine andere Welt. Die Erste Solotänzerin Maria Yakovleva tanzt den Wahnsinn: verrückt tobend und sanft träumend, geistesabwesend lachend und schließlich leblos zu Boden sinkend, ist furchterregend und faszinierend zugleich. Yakovleva tanzt die Liebe als menschliche WilliDie russische Ballerina Olga Spessiwzewa (1895-1991), als Giselle legendär, konnte nicht beeindruckender sein.

… und die Liebe.
Als Willi im Zauberwald ist Yakovleva, ätherisch und doch soweit menschlich, dass sie den untreuen Albrecht wiedererkennt und ihn vor der ihm zugedachten Strafe, sich zu Tode zu tanzen, bewahren will. Jetzt tanzt sie die reine Liebe und das Verzeihen. Der vergessene Hilarion aber, ein Verräter aus enttäuschter Liebe, muss ins Moos beißen, muss tanzen, tanzen, bis er umfällt. Das ist die Aufgabe der Willis, Männer einzufangen und sie zu Tode zu tanzen. Das Corps de ballet, angeführt von Königin Hashimoto und zwei wunderbar ernsthaften Solo-Willis (Rikako Shibamoto und Elena Bottaro) reißt das Publikum zu Jubelrufen hin.


„Giselle“, Phantastisches Ballett in zwei Akten von Théophile Gautier, Jules-Henri Vernoy de Saint-Georges und Jean Coralli nach Heinrich Heine. Choreographie und Inszenierung: Elena Tschernischova nach Jena Coralli, Jules Perrot, Marius Petipa; Musik: Adolphe Adam; Bühnenbild: Ingolf Bruun; Kostüme: Clarisse Praun-Maylunas; Dirigent: Paul Connelly. 72. Aufführung am 30. Mai 2018. Wiener Staatsballett in der Staatsoper.
Noch drei Vorstellungen in dieser Saison, am 2., 4., 6. Juni 2018 in wechselnder Besetzung.
Auch die Saison 2018/19 wird „Giselle“ weiter tanzen. Zum ersten Mal am 15. September 2018.
Fotos von Ashely Taylor. © Wiener Staatsballett / Ashley Taylor.