schallundrauch agency: „BJÖRN OHNE BRETTER“
Mit ihrer neuen Produktion „Björn ohne Bretter“ begibt sich die 2003 gegründete Wiener Performancegruppe rund um Gabriele Wappel und Janina Sollmann mitten hinein in das Universum an Fragen rund um das Hier und Jetzt. Ganz konkret natürlich in jenes der Performance und die ihr eigene „Magie des Moments“. Dass es dabei holprig wird und eben nicht alles „wie geplant“ seinen gelungenen, weil vorgegebenen Weg nimmt, ist dann der Performance über das Phänomen Performance natürlich immanent. Es holpert eben, dieses Leben, selbst, wenn man es von (magischem) Moment zu Moment lebt.
Zu Beginn stehen sie im Raum, die acht PerformerInnen, die sich dem Publikum mit ihren „echten“ Vornamen vorstellen: Elina, Gabriele, Janina, Jules, Martin, Michael, Sebastian, Simon. Sie haben einige Dinge vorbereitet für das Publikum und die kommenden 50 Minuten, Lieder – gemeinsam, im Quartett, Duett und als Solo. Geschichten über sich selbst. Und eine Art Zeit-Plan, der als dauerpräsente Overhead-Folio rechts hinten auf der Bühne auch den räumlichen Rahmen gibt. Hier wird man immer wieder „andocken“, um sich des eben Entstandenen (und damit auch schon wieder Gewesenen) zu versichern, zu notieren, Notizen zu ergänzen, Erledigtes abzuhaken. Alles andere – selbst das Bühnenbild, das zu einer anderen Produktion gehört – ist nicht Teil dieses Stückes, das so sehr in den Momenten entsteht, die es erzeugt, wie es durch die Mitwirkung des Publikums (es werden immer wieder „Lose“ gezogen, in welchen Konstellationen welche „Szenen“ entstehen, wer mit wem in den performativen Dialog treten soll und was für Themen in Folge durch die acht DarstellerInnen verhandelt werden) sukzessive ermöglicht und vorangetrieben wird. Hier ist alles Rahmen, Raum, Möglichkeit, da und dort auch Begrenzung, Vereinbarung, im Großen und Ganzen aber eine hoch musikalische Choreografie des Erlebens im Moment, des Seins im Moment und des zumindest an diesem Abend stets genüsslichen Gefühls, nie zu wissen, was als nächstes kommt: „Ich habe immer das Gefühl, ich weiß nicht ganz, was ich tue.“
Die „Magie“, die im Laufe der Performance entsteht – und von der schon im Foyer, in dem bereits vor dem eigentlich Einlass vom Nicht-Beginn und vom Gemeinsam-Sein gesungen wird –, ist also, so will es auch das erste Lied dann im Theatersaal, eine der magischen Verbundenheit zwischen biografischer Vergangenheit, gegenwärtigem Sein und einer Ahnung von dem, was noch kommen mag, zumindest gemäß dem „Plan“, dessen Projektion hinten die Vorstellung über den zeitlichen Rahmen absteckt, in dem diese performativen Miteinanders humorvoll, leicht und doch so nah an den beteiligten PerformerInnen und ihren jeweiligen Biografien an uns vorbeiziehen. Erzählt wird zwischen Moderieren, Singen und herrlich bemüht ernsthaftem gemeinsamen „Improtraining“ von sehr intimen Dingen, Pubertät und körperlichen Idealen, denen „man“ so gar nicht entspricht, von Geschwistern und Freundschaften, Familie und Tod. „Ich weiß nicht, was ich will“, sagt einer der Performer an einer Stelle, und an einer anderen wird vom Fremdsein und der Sehnsucht nach einem Freund erzählt. Da sind sie also, die so alltäglichen wie existenziellen Geschichten, klammheimlich und unaufgeregt haben sie sich zwischen die skurrilen Nicht-Choreografien und vier vorbereiteten Lieder geschwindelt. Und machen den Abend dann doch zu einem dichten Reigen an Geschichten über die Einzigartigkeit.
Björn ohne Bretter – das ist keine „Ikea“-Ware, wie sie in Millionen Haushalten angepasste gepflegte Eintönigkeit verspricht, sondern konzentrierte Ablenkung und der vergnügliche Versuch, die Einzigartigkeit des Unwiederholbaren im Korsett des Lebens zu feiern. Vereinbarungen werden getroffen und wieder aufgehoben, weil es der Moment erlaubt. Gewissheiten werden aufgestellt und im nächsten Moment widerlegt („Ich dachte, ich wüsste, was ich bin, ich habe mich geirrt.“). Wahrheiten werden ausgesprochen, von denen man kurz danach schon nicht mehr weiß, ob sie es sind. Alles ist klar und da und doch nur der Magie des Augenblicks verhaftet („Ist das Jetzt jetzt?“). Ja, die Magie des Moments bei „Björn ohne Bretter funktioniert. Aus dem „magic bending“ ist ganz still und leicht ein „magic bonding“ geworden. Man ist am Ende des Abends im Jetzt gelandet. Doch auch das ist natürlich „Schall und Rauch“ und letztlich nur eine Vereinbarung. Und so heißt es dann zum Schluss auch ganz konsequent: „Ich will aber gleich.“ Und der Moment löst sich auf in einen großen, verdienten Applaus.
schallundrauch agency: „Björn ohne Bretter“, Eine Performance entsteht im Jetzt. Uraufführung, Performance mit Live-Musik, von und mit: Gabriele Wappel, Janina Sollmann, Michael Haller, Jules Mekontchou, Elina Lautamäki, Martin Wax, Sebastian Radon, Simon Vosecek, Silvia Auer, Jasmin Strauß-Aigner. 28. März 2018, Dschungel Wien.
Nächste Vorstellungen: 12., 13.4., Dschungel Wien, 14.4., wienXtra-Grätzeltour „drinnendraußennebenan“, 17. Juni MQ-Hofbespielung.
Die Performance wird in zwei Fassungen gespielt: für Kinder ab 6 und Schuklassen, sowie nachmittags für Jugendliche.