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„Masterpieces“, Tanzcompany Tiroler Landestheater

"Petite Mort": Auch die Florette tanzen © Rupert Lari

Die junge Tanzcompany am Tiroler Landestheater interpretiert Ballettklassiker des 20. Jahrhunderts von Jiří Kylián (*1947) und Ohad Naharin (*1952). „Petite Mort“ und „Sechs Tänze“ hat Kylián zur Musik Mozarts für das Nederlands Dance Theater geschaffen; „Minus 16“ des israelischen Choreografen Ohad Naharin ist als Konglomerat aus Teilen anderer Stücke des Choreografen entstanden. Unter dem Titel „Masterpieces“ fasst Company-Chef Enrique Gasa Valga Neoklassik und Gaga, wie Naharin seine Tanzsprache nennt, zusammen. Die Tiroler Company zeigt mit Energie und Ausdauer, dass sie ihre Grenzen erweitern kann.

Ohad Naharin: "Minus 16", exakt bewegt zu hebräischer Volksmusik. Alle Bilder © Rupert LariNaharins 1999 uraufgeführtes Pasticcio mit fetziger Musik von Perez Prado bis Vivaldi, von der israelischen Popgruppe The Tractor’s Revenge über Dean Martin und hebräische Traditionals bis Chopin, ist ein Publikumsmagnet, was wörtlich genommen werden darf, ziehen doch die Tänzer*innen mit unnachahmlichem Charme am Ende Damen und Herren aus dem Publikum auf die Bühne. Wer sich in Rot gewandet hat, wird zum Mambo eingeladen und beim Tango eng umschlungen. Rhythmus und Hüftschwung sind offenbar ansteckend, das Innsbrucker Abonnement-Publikum zeigt Humor und Tanzfreude.

Dass dieses fröhliche, die Tänzer*innen körperlich überaus fordernde Tanzstück am besten gelungen ist, liegt wohl auch daran, dass Choreograf Naharin selbst angereist ist, um dem Ensemble den letzten Schliff zu geben. Da nimmt es nicht wunder, dass schon in der Pause auf den Händen getanzt wird und die Saltos über die Bühne rollen. Naharin verlangt von den Tänzer*innen, dass sie ihre gesamte Persönlichkeit einbringen und ausdrücken. Er verhängt die Spiegel bei den Proben, die Tänzer*innen sollen aus sich heraus tanzen und nicht ein Spiegelbild imitieren. Die Company ist mit vollem Einsatz bereit, sich von den eigenen Emotionen hochtragen zu lassen. Ohd Naharin: Explosive Energie des Tiroler EnsemblesUnermüdlich springen und rennen die Tänzer*innen – alle, auch die Damen, in gut jüdischer Tradition im schwarzen Anzug über dem blütenweißen Hemd und dem Hut auf dem Kopf –, bis sie am Ende von einem Nocturne Frédéric Chopins beruhigt werden, und sich mit einem tiefen Plié verabschieden.
So scheint es.
Doch die Tiroler Company, der Großteil der Ensemblemitglieder ist noch keine dreißig, ist nicht zu ermüden. Auch verbeugt wird mit Sprüngen, Saltos, Hebungen, Drehungen, Purzelbäumen.

Jiři Kiliyán: "Petite Mort": Männliche Schönheit im SprungSchwerer haben es die Tänzer*innen, vor allem an die expressive Tanzsprache Gasa Valgas gewöhnt, der die meisten Produktionen selbst choreografiert und einstudiert, mit der überdehnten Neoklassik in Kyliáns „Petite Mort“, geschaffen 1991 für die Salzburger Festspiele, 200 Jahre nach Mozarts Tod. In diesem kurzen Stück zu den beiden langsamen Mittelsätzen aus Mozarts Klavierkonzerten Nr. 23 und 24, denkt Kylián an Eros und Thanatos, die Liebe und den Tod: „ La petite Mort / der kleine Tod“ gilt im Französischen und auch Arabischen als Umschreibung für den Orgasmus. "Petite Mort": Gruppenbild mit Florett und TorsoSechs Männer, sechs Frauen und sechs Florette tanzten mit einander. Aggression, Sexualität, Verletzlichkeit, Energie und Stille spielen eine Rolle, die Bewegungen sind überaus langsam, ins Extreme gedehnt und verzerrt, Gefühle kochen hoch, verebben wieder. Noch sind die jungen Tänzer*innnen damit etwas überfordert, müssen sich mehr auf Schritte und Hebungen konzentrieren, als Emotionen zu zeigen. Einzig die sechs Florette, die mitspielen, als wären sie lebendig, erfüllen ihren Teil des lustvoll-grausamen Spiels.

Kylián / Mozart: "Sechs Tänze", launig und keck. Als Überleitung zum Geburtstagsständchen für Mozart, kreiert 1986 für das NDT II, die Jugendtruppe des Nederlands Dance Theater, gehört ein köstliches Video: Kuchenbacken eines skurrilen Paares in Rokokokleidern. Beide mit Bärtchen unter der Nase, er zusätzlich mit gepuderter Mozartperücke. Schon sind die Tänzer*innen und das Publikum auf Spaß eingestellt, und diese „Sechs Tänze“ bieten ihn tatsächlich.
Ein unaufhörliches Hin und Her und Rundherum von liebestollen oder streitsüchtigen Paaren, ein Florett blitzt auch auf und zwei der schwarzen Torsi (Reifröcke auf Rollen, ohne Beine, ohne Kopf) aus „Petite Mort“ tanzen auch mit. Kylián / Mozart: "Sechs Tänze", Erinnerungen an den Tod mit dunklem Kostüm und blitzendem FlorettMit dem neckischen Getändel, dem spielerischen Wettstreit, mit Machogehabe, Machtspielen und Eifersucht kennen sich die Tänzer*innen aus, sind locker und entspannt, und bieten mit nie erlahmender Energie, Virtuosität und Humor ein reines Vergnügen. Die graue Welt dahinter ist ausgeblendet. 

Ballettchef Gasa Valga und seine Company zeigen mit der Interpretation international gerühmter Choreografien, dass sie in der großen Tanzwelt mithalten können. Nicht grundlos haben die Tanzstücke Gasa Valgas schon mehrmals den Österreichischen Musiktheaterpreis erhalten.

„Masterpieces“, Tanzstücke von Ohad Naharin & Jiří Kylián. Premiere am 24.2. 2018, gesehen am 25. März 2018, Landestheater Tirol.
Die Dekorationsteile für die beiden Kylián-Stücke sind Leihgaben des Wiener Staatsballetts.
Nächste Vorstellungen: 12., 14., 18. April; 25., 26. Mai; 15., 16., 29. Juni 2018.