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Osterfestival Tirol: Compagnie Dance One

Dance One: Man Made © Dorothea Tuch

Mit zwei Stücken stellte sich das 2015 in Berlin gegründet Ensemble Dance One im Rahmen des Osterfestival Tirol in Innsbruck vor. „7 Dialoge“, das sind sieben Solos von sieben Ensemblemitgliedern, begleitet mit eigenen Kompositionen, Gesang und Gesprochenem von Matteo Fargion am Klavier. Nach der Pause zeigen fünf Dance-One-Mitglieder, wie sich das Individuum in die Gruppe einfügt, wie das Gleiche doch nicht dasselbe ist. Ein anregender Abend, der zeigt, dass Tänzer*innen auch jenseits des 40. Geburtstags sich durch Tanz ausdrücken können und wollen.

Immer klarer wird der Tanzwelt, dass der Tanzkörper immer weiter tanzt. Es gibt kein Ende des Tanzens, vielleicht eines der schillernden Karriere. In der Compagnie Dance One vereinen sich Tänzerinnen und Tänzer, viele haben einst bei William Forsythe getanzt, um ihre Erfahrung, ihre gesteigerten Ausdrucksmöglichkeiten, ihre Gelassenheit und Selbstsicherheit zu vermitteln. Ihre Körpersprache ist intensiv, ihre Mimik ausdrucksstark, ihre Ausstrahlung faszinierend. Und wenn ich Christopher Roman, Erster Tänzer im Ballett Frankfurt von William Forsythe,  zuschaue, dann weiß ich, dass ältere Tänzer*innen auch über Selbstdistanz und Ironie verfügen. "Dialogues": Solo von Frédéric Tavernini, sein Trainer war Noé Soulier. © Victor Malyshev
Roman hat für seinen „Dialog“ mit dem Performance-Clown (andere sehen im international erfolgreichen Bühnenkünstler gern eine Ikone) Ivo Dimchev gearbeitet, der ihn quasi zu seinem Avatar geformt hat. Roman darf alles sagen, was Dimchev selbst sich nur denkt. Roman tanzt eine köstliche Drag Queen im geblümten Unterhöschen und erfreut mich mit allerlei bissigen Bemerkungen. So mancher Festivalgast im Innsbrucker Congress hat tapfer geschluckt. Die künstlerische Leiterin des Festivals, Hannah Crepaz, aber zeigt ihren Mut, indem sie die Grenzen des seit 30 Jahren bestehenden Festivals vorsichtig, aber konsequent ausweitet.

Die Idee für „7 Dialoge“ hat der Pianist und Komponist Matteo Fargion, bekannt auch durch seine wundervollen Duette mit dem Tänzer Jonathan Burrows. Jone San Martin im Dialog mit Matteo Fargion am Piano. © Victor MalyshevSieben Tänzer haben mit sieben Choreografen oder Performern gearbeitet, um mit Fargion und dem Publikum über ihren Körper, ihre Persönlichkeit und den Tanz zu reden und zu für sie zu tanzen. Zarte balletesque Bewegungen wechseln mit kantigen, energiegeladenen, Pantomime mit reinem Tanz. Fargion plaudert mit, sagt mitunter eine Sequenz an, klimpert untermaldend, oder hämmert die Akkorde, die dem Tänzer, Ty Bommershine, der auch als Tänzer und künslerisches Assistent mit Lucinda Cildes zusammengearbeitet hat, den Rhythmus vorgeben. Wie alt diese Tänzer*innen sind? Keine Ahnung, die Frage stellt sich nicht wirklich. Sie tanzen, faszinieren, erfreuen. Übrigens hat das Publikum an diesem Abend nur fünf Dialoge gesehen, um danach noch genügend Konzentration für das zweite Stück, in dem die gesamte fünfköpfige Gruppe gemeinsam tanzt, aufzubringen.

Das hat sich auch ausgezahlt. Dance One: "Man Made", die Gruppe hat zusammengefunden. © Victor MalyshevDie Choreografie des Belgiers Jan Martens „Man Made“ ("menschengemacht") ist gemeinsam mit den Tänzer*innen entstanden und im März 2017 in Hamburg uraufgeführt worden. Das Spiel setzt in aller Stille ein und sieht anfangs aus wie eine Aufwärm- oder Turnübung, sind die Mitwirkenden doch auch in schlichte schwarze Trikots gekleidet. Sie tasten sich ab, pendeln sich ein, machen sich miteinander und auch mit ihrem Körper vertraut, bald entsteht ein gemeinsamer Rhythmus. Jede*r tut das Gleiche, doch es ist nicht dasselbe. Noch tanzen fünf Menschen für sich, doch die allmählich einsetzende Musik gibt einen Rhythmus vor, der übt einen Sog aus. Die individuellen Muster gleichen sich immer mehr an, fügen sich in den gemeinsamen Rhythmus, bis die Gruppe im anschwellenden Sound (Mattef Kuhlmey) zu einem Körper wird, der sich einer Bewegung hingibt. Dance One: Die Tanzkörper stehen still. Das Spiel ist zu Ende. © Victor MalyshevDie Musik bricht ab, das LIcht blendet auf, die Körper tanzen weiter, schwankend bewegt sich der Gruppenkörper, bis die Bewegungen allmählich versickern. Die Körper sind erstarrt. Auch das Publikum muss erwachen, um sich für den genuss- und erkenntnisreichen Doppelabend zu bedanken. Alle sind glücklich, die Tänzer*innen und das applaudierende Publikum.

Dance One: „7 Dialogues“ / „Man Made“ von Matteo Fargion / Jan Martens mit Ty Boomershine, Brit Rodemund, Christopher Roman, Jone San Martin, Frédéric Tavernini. 24. März 2018 im Rahmen des 30. Osterfestival Tirol, Innsbruck und Hall i. T.