Impulstanz — TTW: Back to the Future
Vor mehr als 30 Jahren passierte Sensationelles auf der kleinen Bühne des heute „brut“ genannten Theaters im Künstlerhaus (später „dietheater“): Eine unbekannte Compagnie, das Tanztheater Wien, zeigte seine erste Produktion. Hinreißend, neu, Tanz ganz anderer Art. Mit dem Abend „Back to the Future“ läßt Gründungsmitglied, Tänzerin und Choreografin Liz King gemensam mit Mitgliedern ihrer ehemaligen Formationi im Akademietheater Motive aus den damals gefeierten Stücken wieder aufleben. Eine Erinnerungsarbeit.
Die Tänzerinnen und Tänzer stellen sich in einem kurzen Solo vor, scheinbar witzige Bemerkungen bringen das Publikum zum Lachen. Viele waren noch nicht geboren als TTW den Tanz erfunden hat. Kein Ballett auf Spitze und doch Geschichten, verständlich und auch aufwühlen. 30 Jahre sind eine lange Zeit, Liz King und ihre Truppe haben Auf und Aus und Ab erlebt. Zuletzt war das TTW integriert in die Volksoper, King war vier Jahre Ballettchefin am Währinger Gürtel.
Nun sind alle älter, erfahrener, geben als Lehrer_innen weiter, was sie bewegt: Die „Chefin“ Liz King, jetzt im Choreografischen Zentrum Pinkafeld beheimatet, die TTW-Mitglieder aus zwei Generationen, Nina Kripas, Katalin Lörinc, Esther Balfe, Mani Obeya, Mick Dolan, Daphne Strothmann, Vladislav Soltys. Das Körpergedächtnis hat das Bewegungsvokabular bewahrt, auch wenn die körperlichen Möglichkeiten 30 Jahre danach andere sind. Dafür blendet (vor allem King selbst, Balfe, Obeya und Lörinc) die Ausstrahlung reifer Persönlichkeit, ihre mitreißende Energie.
Aus den Erinnerungsfetzen entsteht jedoch kein Stück. Am Pas de deux von Esther Balfe (Forsythe geschult) und Obeya kann ich meine Freude haben; von Liz King, die sich bescheiden im Hintergrund hält, hätte ich gern mehr gesehen. Doch der Zauber von damals, die Begeisterung, das Staunen stellen sich nicht ein.
Ein lebendiges Archiv des Tanzes zu erhalten, ist nicht nur recht und billig, sondern richtig und wichtig. Was das Tanztheater Wien für die Szene (die es noch gar nicht gegeben hat) als Vorbild geleistet und für das Publikum an Genuss geboten hat, ist unnachahmlich und muss unvergesslich sein. Doch sind die Stücke ihrer Zeit verhaftet, das konnten auch die großartigen Tänzer_innen an dem Abend mit dem ebenfalls aus den 1980ern stammenden Titel „Zurück in die Zukunft“ nicht überspielen.
Alle Werke (ob von Terpsychore oder anderen Musen beflügelt) sind in ihrer Zeit entstanden, manche aber haben sich aus ihr heraus gehoben, andere sind darin verhaftet verhaftet geblieben. Heute sind die Erinnerungen an das TTW nichts weiter als Erinnerungen. Um historisch zu sein, zu nah, um aktuell zu sein, zu fern.
Tanztheater Wien: „Back to the future“, 30. Juli, Uraufführung im Akademietheater, ImPulsTanz 2015.