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Impulstanz – P. Chettur „Wall Dancing“

Wall Dancing © Sara

Die indische Tänzerin und Choreografin Padmini Chettur zaubert lebendige Reliefs an die Wände zweier Räume des Weltmuseums. Eine dreistündige Arbeit, bezaubernd schön und aufregend radikal, die die Zeit schrumpfen und den Geist fliegen lässt. Mit „Wall Dancing“ –  vier Tänzerinnen und ein Tänzer – hebt sie die Regeln zwischen Performer_innen und Zuschauer_innen auf und fesselt das Publikum durch Ruhe und Konsequenz.

Alles ist anders als gewohnt. Wir sitzen, stehen, manche liegen auch in der Mitte, die Tänzerinnen und der Tänzer bewegen sich in minimlistischen, elegant fließenden Bewegungen an der Wand.Es gibt keinen Zwang zuzusehen, man darf kommen und gehen,  die Türen der beiden Räume im Weltmuseum stehen offen. Meist wird in vollkommener Stille getanzt, alle fünf im Gleichmaß, zu zweit, zu dritt, solo. 25 Sequenzen zeigen Anouska Kurien, P. Akila, Aditi Bheda, Madhushree Basu und M. Palani innerhalb dieser in ihrer Ausdehnung nicht spürbaren drei Stunden. Auch wenn sich die Tänzerinnen in einem „contact duet“ mit dem Rücken, den Hüften oder der Stirn berühren – ihre Partnerin bleibt die Wand. An der sie entlang rollen, an die sie sich schräg lehnen, so weit es die Schwerkraft gestattet, auf der sie mit Händen und Armen Muster zeichnen. Wer Pause hat sitzt mitten im Publikum, wie auch die Choreografin, die ihre Tänzer_innen mit sanftem Blick stets im Auge hat. Am Ende des ersten Drittels zeigen alle Fünf  ein „Collectiv rolls“, ein Erinnerung an den postmodernen Tanz und Trisha Browns „Walking on the Wall“ von 1971.

Die Möglichkeit des Kommens und Gehens, des Aussteigens und der Verzicht aufs starrende Konsumieren wird vom Publikum nicht extensiv genutzt. Man folgt den Tänzerinnen mit den Augen, nicht mit dem Körper, lässt die Gedanken schweifen,  genießt die vollen 180 Minuten. Mitunter erklingt ein minimaler (nur einmal durchdringend gellender) Sound (Maarten Visser). Doch was bleibt ist Stille, sind die intensiven, zarten Bewegungen der Tänzer_innen, die meditative Ruhe und die überwältigende Schönheit dieses auf die reine Form setzenden Wandtanzes. Padmini Chettur, Porträt

Padmini Chettur, geboren 1970, begann ihre Ausbildung in der traditionellen indischen Tanzform Bharata Natyam.  Ab 1990 tanzte sie in der Compagnie von Chandralekha, eine der bedeutensten Künstlerinnen des zeitgenössischen Tanzes in Indien. In ihren Choreografien orientiert Chettur, die längst auch in Europa einen Namen hat, eher an indischen Tanzformen denn an westlichen Vorgabne. Interessiert ist sie weniger an Inhalten oder Aussagen,  „Fragility“ als an der Geometrie der Körper und ihr Verhältnis zum Raum. Schon die Titel ihrer Werke – „Fragilitiy“, „Paperdoll“, „Porcelain“ – können begeistern.

Padmini Chettur: „Wall Dancing“, 30. Juli, Europäische Erstaufführung im Rahmen von ImPulsTanz 2015 im Weltmuseum.