MacMillan | McGregor | Ashton mit neuen Debüts
Ein neues Paar – Nina Poláková mit Robert Gabdullin – ist in Frederick Ashtons Ballett „Marguerite et Armand“ zu sehen; Liudmila Konovalova hat von Poláková den Adagio-Satz in Kenneth MacMillans Choreografie zu Sergej Rachmaninows Klavierkonzert übernommen. Im letzten Satz tanzt Ioanna Avraam, wie vorgesehen ohne Partner, im 1. Satz hat Denys Cherevychko mit Natascha Mair eine neue Partnerin.
Der sogenannte britische Abend lebt allein durch die Tänzerinnen und Tänzer des Wiener Staatsballetts. Sie zeigen das breite Spektrum ihres Könnens und hauchen in der perfekten Interpretation auch den beiden schon etwas überwutzelten Stücken Leben ein. Wobei für mich einzig Wayne McGregors kompaktes Ballett besonderen Genuss bietet – eine aufregende Choreografie, der ein fesselndes Thema (Biogenetik) zugrunde liegt, Tanzkörper bis zum Zerreißen gedehnt und gespannt, elastisch und energiegeladen. Mitreißendes Staunen ist sicher. Der heftige Applaus dankt den Tänzer*innen.
Liudmila Konovalova und Nina Poláková haben die Rollen getauscht. Zwei Erste Solistinnen, unterschiedliche Persönlichkeiten, nicht nur als Tänzerinnen, doch gleich makellos und betörend, ob in perfekter Neoklassik in „Concerto“ oder als auf die Liebe verzichtende Marguerite in Ashtons Pas de deux. Ioanna Avraam zuzusehen, ist immer Freude und Genuss. Eine Ballerina allein, tanzt sie im dritten Satz von „Concerto“ klassisch, delikat, mit sicheren Sprüngen und weichen Landungen. Mair und Cherevychko vollbringen diesmal die Meisterleistung des Genrewechsels in Windeseile.
Vom Solopaar in „Concerto“ zu McGregors fordernder Choreografie „Eden Eden“. Nicht nur sie, auch Nikisha Fogo, Rebecca Horner, Madison Young; Andrés Garcia-Torres, Masayu Kimoto, Tristan Riedel und Zsolt Török zeigen, wie genial und flexibel die Tänzer*innen des Wiener Staatsballetts sind. McGregor lässt die Tänzer*innen Möglichkeiten des Körpers ausloten, und sie entdecken Fähigkeiten, von denen sie bisher nichts gewusst haben. Mit vollem Einsatz nehmen sie diese Herausforderung an, bieten ein Ballett des 21. Jahrhunderts, aufregend, spannend, grandios.
Nina Poláková ist eine noble Marguerite, der Robert Gabdullin (Debüt als Armand) in nobler Zurückhaltung Salon und Schlafzimmer überlässt. Die fünf Pas de deux könnten auch „Marguerite“ heißen, so dezent hält sich Gabdullin im Hintergrund. In der wirbelnden Szene, wenn Marguerite wieder öffentlich Hof hält und Armand ihr Enttäuschung und Verachtung entgegenschleudert, bringt der Gefühlsausbruch beider Leben in den schönen reinen Tanz, der vor mehr als 50 Jahren die Menschen zu Begeisterungsstürmen hingerissen hat.
Zur Erinnerung: „Marguerite et Armand“ hat Ashton für Margot Fonteyn und Rudolf Nurejew geschaffen. 1963 ist das Ballett in London uraufgeführt worden. Getanzt wird zur Klaviersonate h-Moll von Franz Liszt. Shino Takizawa bringt sie brillant und gefühlvoll zu Gehör. Dirigent des Staatsopernorchesters ist Valery Ovsyanikov. Steve Reichs für „Eden Eden“ verwendete Komposition für Orchester und Sprechstimmen kommt vom Band. Eine Herausforderung für die Tänzer*innen, die trotz allem genau zählen müssen, um den Fluss der Exaktheit ihrer überdehnten und gedrehten Körper zu erhalten.
„MacMillan | McGregor | Ashton“, Concerto, Eden | Eden, Marguerite and Armand. Abend in alternativer Besetzung, 10. November 2017. Wiener Staatsballett in der Staatsoper.
Weitere Vorstellungen: 8., 9., 12. Juni 2018.