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Rosas danst Rosas – ImPulsTanz im Odeon

Rosas tanzt Rosas auch auf Zehenspitzen

Empfindsam und schüchtern, selbstbewusst und unnahbar, kokett und verträumt sind sie immer noch, diese vier jungen Frauen, Protagnistinnen in Anne Teresa Keersmaekers Tanzstück „Rosas danst Rosas“. Eine junge Compagnie tanzt sich selbst. Vor mehr als 30 Jahren eine Revolution, ist das Tanzstück längst Allgemeingut geworden. Im Odeon ist es zurzeit als ImPulsTanz Special zu sehen. Als „Re: Rosas“ werden Teile daraus in Wald und Wiese, am Strand und in der Schulklasse getanzt. Von allen, die Lust haben. Jede darf Rosas tanzen.

Rosas-Tänzerin Yuika Hashimoto im individuellen Solo. Alle Bilder: © Anne Van AerschotVier Sätze plus eine Coda: Der Tagesablauf von Teenagern. Er beginnt mit dem unrhuigen Schlaf der träumenden Mädchen und ihrem allmählichen Erwachen und endet mit einem ekstatischen Fest. Danach nur noch Stille, einige müde Bewegungen, Dunkelheit. „Rosas danst Rosas“ übt immer noch und immer wieder einen Sog aus, dem ich mich nicht entziehen kann. Schon nach wenigen Takten zucken die Beine, will ich die Arme heben, das Haar zurückstreichen, das T-Shirt über die Schulter ziehen, meiner Nachbarin zunicken. Eins, zwei, drei, vier, fünf. Bewegung mit den Händen und Armen und dem Kopf auf ihren Stühlen. Rhythmisch, exakt, in Wiederholung und Umkehrung. In der Schule? Im Büro? Alltag jedenfalls. Mit einem versteckten Lächeln, indem sie ein Bein über das andere schlagen, bekämpfen sie die Langeweile – genau im Takt. Erst im dritten Satz, am späten Nachmittag, kommen die Mädchen so richtig auf die Füße, bis im vierten Satz die Arme und Haare fliegen. In den dickbesohlten Schuhen stehen sie auf Zehenspitzen, springen und drehen, geben sich ganz dem Rausch des Tanzens hin. Rosas tanzt, die Haare fliegen, bald auch Arme und Beine.

So einfach wie komplex, mathematisch genau und glasklar, so anmutig wie verführerisch. „Rosas danst Rosas“ besteht aus Modulen, die in genau festgelegtem Rhythmus getanzt werden – liegend, sitzend, stehend, laufend – , vorwärts oder rückwärts stetig wiederholt und leicht variiert werden. So präzise und taktgenau werden die Sequenzen getanzt, dass mir erst beim Einsetzen der Musik von Thierry De Mey & Peter Vermeersch bewusst wird, wie still die Morgenszene abgelaufen ist.
Immer wieder werden die Tänzerinnen neu im Raum arrangiert, eine nach der anderen löst sich aus dem Quartett, konzentriert sich auf ein individuelles Solo.

So schwungvoll wie exakt und synchron: Rosas danst Rosas.Bereits ein Jahr vor der Premiere von „Rosas danst Rosas“ hat die junge Anne Teresa De Keersmaeker mit dem suggestiven Stück „Fase“ zur Musik von Steve Reich auf sich aufmerksam gemacht. „Rosas danst Rosas“, getanzt von De Keersmaeker, Adriana Boriello, Michèle Anne De Mey und Fumiyo Ideka, brachte den Durchbruch für die Compagnie und deren Gründerin. Eine neue Ära des Bühnentanzes war angebrochen. Ob von vorn oder von hinten: Rosas-Tänzerinnen sind faszinierend.Nicht alle Tanzinteressierte waren gleich begeistert. Mit den repetitiven Phasen, der exakten Synchronität der Alltagsgesten, mit der Betonung der Schwerkraft und der Absage an das höherstrebende Schweben der Balletttänzerin im Tütü schockierte sie auch. Heute ist „Rosas danst Rosas“ ein Markstein in der Tanzgeschichte, ein Klassiker, der mit 34 Jahren in den gleichen Kostümen getanzt wird wie 1983 bei der Uraufführung in Brüssel. Gut, dass De Keersmaeker ihre frühe Choreografie nicht archiviert hat. Sie ist frisch und lebendig wie am ersten Tag. In Wien war diese Alterslosigkeit dank ImPulsTanz zum ersten Mal 1997 festzustellen und dann wieder 2009.

Anne Teresa De Keersmaeker: „Rosas danst Rosas“ mit Laura Bachman, Léa Dubois, Yuika Hashimoto, Soa Ratsifandrihana; Musik: Tierry De Mey & Peter Vermeersch. Wien-Premiere 2017: 17. Oktober, ImPulsTanz Special im Odeon.
Weitere Vorstellungen bis 27. Oktober 2017. Karten nur noch an der Abendkasse ab 19 Uhr.