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Wiener Staatsballett – Nurejew Gala 2017

Der verblüffende Schattenakt aus "La Bajadère". © Ashley Taylor

Die von Ballettchef Manuel Legris eingeführte alljährliche, Rudolf Nurejew gewidmete, Gala ist seit sieben Jahren immer wieder ein Großereignis zum Abschluss der Saison. Ein Rückblick auf die Arbeit der Compagnie, ein Defilée der Solistinnen, Solisten und des gesamten Corps, aufgeputzt durch Gäste. Diese erfreuen das Publikum und machen die Kolleginnen in Wien sicher: Sie brauchen den Vergleich nicht zu scheuen. Manuel Legris hat die Wiener Compagnie in harter Arbeit an die Spitze trainiert.

Forsythe-Perfektion: Elena Vostrotina, Vladimir Shishov. Alle Bilder: © Wiener Staatsballett / Ashley Taylor Drei Damen waren in Wien noch nie zu sehen: Elena Vostrotina, geboren und ausgebildet in St. Petersburg, ab Herbst tanzt sie als Erste Solistin in der Züricher Ballettcompagnie unter Christian Spuck. Mit Vladimir Shishov zeigte sie ihre fulminante Technik im Pas de deux aus William Forsythes Ballett von 1987, „In The Middle, Somewhat Elevated“. Perfekt einstudiert, perfekt und dynamisch getanzt. Forsyth überdehnt die klassischen Bewegungen, fordert ernsthafte Konzentration, kalte Technik. Das Publikum ist begeistert. Mit ihren exakt gestreckten langen Gliedmaßen und den präzisen Bewegungen könnte sie eine Nachfolgerin von Sylvie Guillem sein. Diese, als funkelnder Stern der Paris Oper hat ihre Karriere vor zwei Jahren, mit 50, endgültig beendet. Vostrotina belebt die Erinnerung.Ludmila Pagliero, neoklassich im Tschaikowski-Pas de deux von George Balanchine

Hausdebüt auch für die Argentinierin Ludmila Pagliero, Étoile der Pariser Compagnie. Sie brillierte in George Balanchines „Tschaikowski-Pas de deux“ im neoklassischen Stil, mit komischen Aperçus. Wie ein Pfeil fliegt sie dem Partner, Jakob Feyferlik in die Arme. Ein anderes Liebespar am Schwanensee.

Phrygia und Spartakus akrobatisch: Maria Shririnkina, Vladimir Shklyarov, auch im Leben ein Paar. Zum ersten Mal in Wien zu Gast ist auch die Russin Maria Shirinkina, nicht aber ihr Mann, Vladimir Shklyarov, der bereits bei der Gala 2012 zu sehen war. Damals entzückten er und auch Liudmila Konovalova das Publikum durch ihre Virtuosität im populären „Grand Pas Classique“ von Victor Gsovsky zur Musik von Daniel-François-Esprit Auber. Aktuell verblüffte er gemeinsam mit Shirinkina durch athletische Akrobatik im Pas de deux aus dem Ballett „Spartacus“ (Choreografie Juri Grigorowitsch, Musik Aram Chatschaturjan). Doch war dieses Adagio des Liebespaares Phrygia / Spartacus mit seinen extensiven Verrenkungen keineswegs der erste Höhepunkt des Abends.

Schon davor brachten drei Tänzer aus dem Haus dieses zum Erzittern: Masayu Kimoto, Richard Szabó und Gérard Wielick zeigten in rasanten Sprüngen und ebensolcher Beinarbeit das Ballet „Solo“ von Hans van Manen zur Musik von Johann Sebastian Bach (Partita für Violine solo h-Moll). Ein Erlebnis, das durch die Anwesenheit des Choreografen (in wenigen Tagen wird er 85) zum Ereignis erhoben worden ist. Masayu Kimoto in "Solo", einem Ballett für drei Männer von Hans van ManenFreudestrahlend stand Hans van Manen mit den drei Tänzern auf der Bühne, während im Saal getobt und gejubelt wurde. Kimoto ist nach der Vorstellung zum Ersten Solotänzer ernannt worden . Ein verdientes Avancement, das der technisch wie auch darstellerisch leistungsstarke Tänzer sich mit vollem Einsatz erarbeitet hat. 

Zu Bedauern ist, dass der einzige Blick in die Zukunft ausfallen musste. Davide Dato hat sich in der Solovariation in Balanchines Choreografie zu John Philip Sousas fetziger Marschmusik „Stars and Stripes“ verletzt. Ewas zu süß: Pas de cinq aus "Dornröschen" von Nurejew. Dumitru Taran umschwärmt von Diamant Adele Fiocchi, Smaragd Laura Nistor, Saphir Elena Bottaro, und Rubin Xi Qu.Wie ein gefällter Baum ging er während der Solovariation zu Boden. Das Knie wollte nicht mehr. Der Pas de deux mit Nikisha Fogo musste abgebrochen werden. Dato konnte auch seinen Pas de deux n „Peer Gynt“ mit Nina Tonoli nicht tanzen. Solveig und Peer hätten einen ersten Eindruck von Edward Clugs Ballett „Peer Gynt“geben sollen. Das 2015 für das Ensemble am Theater Maribor geschaffene Handlungsballett zur Musik von Edvard Grieg wird im Jänner 2018 Premiere in Wien haben. Enttäuschend war die erste Bekanntschaft mit dem als Wunderkind gefeierten jungen Hauschoreografen des Royal Ballet, Liam Scarlett. Erschien mir sein im Frühjahr 2017 im Theater an der Wien gezeigten erstes abendfüllendes Ballett, „Carmen“ zur Musik von Georges Bizet, schon nahezu unerträglich langweilig und schwerfällig, so hat auch der gezeigte Ausschnitt aus dem kürzeren Werk, „With A Chance Of Rain“ mit zwei Paaren eher belanglos, vor allem weder neu, noch aufregend. Alice Firenze / Mihail Sosnovschi und Nina Poláková / Eno Peçi tanzten zwei wunderbar traurige Liebespaare, doch die, trostlose, verzweifelte, enttäuschte Paare, gibt es genug, auch auf der Ballettbühne. Liebestaumel von Roland Petit: Maria Yakovleva, Roman Lazik

Also denken wir lieber an das Schöne. Zum Beispiel an das Hauptpaar Poláková / Roman Lazik im Ausschnitt aus Edwaard Liangs erfolgreichem Ballett „Murmuration“ (Wiener Premiere Herbst 2017) und noch einmal an Lazik, der gemeinsam mit Maria Yakovleva in einem Pas de deux aus Roland Petits Ballett von 1974, nach Marcel Prousts Romanwerk, perfekte Technik mit inniger Gefühlstiefe paaren konnte. Das lässt den Ruf nach dem „neuen Tanz, der Choreografie der Zukunft“ immer leiser werden.

Noch ein Adrenalinstoß, bevor mit Balanchine das Finale eingetanzt wird: Rebecca Horner fegt, einsam und allein, als Solistin in John Neumeiers „Le Sacre“, über die Bühne. Rebeca Horner: rasend und einsam in "Le Sacre" von John NeumeierMir bleibt der Atem weg, das Herzsteht still, der Schweiß bricht aus. Yakovleva / Lazik und danach Pagliero / Feyferlik (Tschaikowski-Pas de deux) beruhigen die Lungenflügel, öffnen das Herz wieder. Und die „Symphonie in C“ von Georges Bizet, in Bewegung gesetzt von Balanchine, lässt es hüpfen.

So endet dieser lange Abend mit heftigem Applaus für die Tänzerinnen, Tänzer und ihren nimmermüden Chef Manuel Legris. Auch das Bedauernd um den Ausfall des Ersten Solotänzers Davide Dato ist miteingeschlossen. Das Publikum war sich einig: Auch, wenn es vier Stunden durchhalten musste, wird es nächstes Jahr wiederkommen. Die Nurejew-Gals ist aus Wien nicht mehr wegzudenken.

Letzte Meldung: Weil auch im Corps, trotz mancher Müdigkeitserscheinung im berühmten Schattenakt des Balletts „Bayadère“ – diesmal in Ausschnitten von Nurejews Choreografie den 2. Teil des Abends füllend – das Corps de Ballet sein Bestes gab, was dem Meister auch bestens schien, avancierten drei sehr junge Italienerinnen – Elena Bottaro, Adele Fiocchi, Sveva Gargiulo – und auch die verlässliche Russin Oxana Kinayenko zu Halbsolistinnen.
Ach, wo war Rikako Shibamoto? Sie teilt Davide Datos Schicksal und hat ihre Verletzung anständigerweise schon vor der Generalprobe erlitten. Auch das Sprungtalent Denys Cherevychko, als Publikumsliebling von vielen vermisst, ist rekonvaleszent. Tanz ist ein Risikoberuf und eine gefährliche Leidenschaft.

Dass die Tänzerinnen und Tänzer dennoch auch im Sommer nicht nur am Strand springen und dehnen, kann in der Aussendung des Wiener Staatsballetts nachgelesen werden. Ebenso wie das gesamte vier Stunden lange Programm der Gala 2017.

Nurejew-Gala 2019, Wiener Staatsballett zum Saisonabschluss 2016 / 17, Wiener Staatsoper.
Die nächste Gala findet am 29. Juni 2018 statt.
Wieder wird Kevin Rhodes dirigieren, der auch diesmal den Stab geführt hat.