Mit den Kreationen dreier Staatsballett-Tänzer zur Musik von Igor Strawinsky hat die Volksoper die Ballettsaison beendet. Zsolt Török begeisterte als Ivan in „Der Feuervogel“ von Andrej Kaydanovskiy; die junge Corps-Tänzerin Katharina Miffek erhielt den verdienten Applaus für ihre Interpretation der Frau des Lehrers in „Petruschka“ von Eno Peçi. In der Premiere und den meisten Folgeveranstaltungen hat Nina Tonoli diese Rolle getanzt. Nach wie vor entzückt das Mittelstück des Abends, „Movements to Strawinsky“ von András Lukács, das Publikum. Es bedankt sich mit überwältigendem Applaus.
Katharina Miffek, erst in dieser Saison direkt von der Ballettakademie ins Wiener Staatsballett engagiert, ist eine frische, kecke Lehrersfrau, die ihre Sprünge sicher setzt und sich auch Zeit nimmt, Ehefrau und Mutter zu spielen. Der Sohn, Raphael Grotrian, Studierender der Ballettakademie, hat im Laufe der Vorstellungen an Sicherheit und differenzierter Rollengestaltung gewonnen. Peçi erzählt von ungebärdigen Schülerinnen und Schülern, die den sanften, gefühlvollen Lehrer (Davide Dato hat reichlich Gelegenheit, sein meisterhaftes Springen und Spielen zu zeigen) quälen.
Was mit Schabernack im Klassenzimmer beginnt, artet zur gemeinen Misshandlung aus, die mit dem Tod des Wehrlosen endet. Saisonschluss für „Feuervogel“ bedeutet für die Tänzer und Tänzerinnen im Klassenzimmer natürlich Schulschluss, dementsprechend ausgelassen und spielfreudig war das Ensemble. Trevor Hayden und Arne Vandervelde sind als Anführer so abscheulich, dass Gemeinheit und Aggression körperlich spürbar sind. Nicht nur die Mädchen auf der Bühne wenden sich ab, auch im Zuschauerraum wartet man auf das Ende der Niedertracht.
Umso mehr darf dann Klarheit und Schönheit bei Lukács’ reinem Tanzstück geniossen werden. Sechs Paare, in fantasievollen schwarzen Kostümen, kontrastiert von nackter Haut, bewegen sich fließend und geschmeidig. Solos und Pas de deux wechseln mit der exakt schreitenden Gruppe ab. In der Musik, vor allem im Ausschnitt aus „Apollon musagète“, sind die barocken Elemente zu hören, die Lukács mit den Kostümen sehen lässt. Die Klarheit, Schönheit und Präzision des Balletts hat auch 12 Namen: Maria Yakovleva / Jakob Feyferlik, Nikisha Fogo / Greig Matthews, Ioanna Avraam / James Stephens, Erika Kováčová / Zsolt Török, Iliana Chivarova / Attila Bakó, Céline Janou Weder / Géraud Wielick.
Wie Avraam, Matthews oder Stephens und andere, ist auch Zsolt Török an diesem Abend mehrfach eingesetzt. In „Der Feuervogel“ ist er Ivan, der von der im Feuervogel personifizierten Gier angetrieben (Matthews – vor seinem Abschied von Wien endgültig zum letzten Mal auf der Bühne), nicht nur die Ware im Supermarkt, sondern auch die schöne Vasilissa (Rebecca Horner, die auch die Schuldirektorin in „Petruschka“, eine verführerische Sexy Hexy tanzt) zu besitzen. Die wird aber erst einmal vom mächtigen Koschey (blind vor aufgeblasener Geltungssucht, dämonisch als kontrollierender Boss: Mihail Sosnovschi) benutzt. Doch Ivan giert auch nach dessen Position. Török ist ein lebendiger, bemerkenswert agierender Ivan, der auch im Liege de deux, der von einschmeichelnden Klängen begleiteten Liebesszene, nur begrenzt zärtlich ist.
Kaydanovskiy hat ein vielschichtiges, mit Witz und Ironie gewürztes und mit Zitaten aus klassischen Balletten, bewusst oder unbewusst gesetzt, aufgelockertes Ballett geschaffen, das sich erst bei öfterem Sehen in allen Facetten erschließt.
An diesem letzten „Feuervogel“-Abend in der Saison hat Dirigent Daniel Levi alles an Schillerndem und Geheimnisvollem, an Chaotischem und Anmutigen aus Strawinskys Kompositionen und dem Volksopernorchester herausgeholt, was der Komponist hineingelegt hat. Die gute Stimmung im Zuschauerraum ist auch ihm zu verdanken. Die Tänzerinnen dürfen sich im Schlaf auf Klassik ganz in Weiß umstellen, die Tänzer auf edle Haltung und rasante Battements: Nur 24 Stunden nach dem abwechslungsreichen Abend sind sie alle im Schloss und um den "Schwanensee" versammelt. Das allein ist bewundernswert.