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„Cendrillon“ mit Dominika Kovacs-Galavics

Dominika Kovacs-Galavics ist Cendrillon

Als anmutiges Aschenbrödel, Elfe unter Elfen, debütierte Dominika Kovacs-Galavics an der Volksoper in Thierry Malandains Choreografie von Sergej Prokofiews märchenhafter Ballettmusik „Cendrillon“. Die männlichen Solisten der Premiere haben ihre Rollen getauscht: Gleb Shilov ist der Prinz, den die Stiefschwestern samt ihrer Mutter vergeblich umwerben. André Garcia Torres tanzt die drei anderen männlichen Solorollen. Gespannt folgt das dem Alter nach gut durchmischte Publikum das Geschehen, benötigt keine Pause und bestätigt mit einem Applausgewitter, die Qualität dieser Aufführung in der Volksoper.

„Cendrillon“ ist die von Charles Perrault in seinen „Geschichten aus vergangenen Zeiten“ um 1690 aufgezeichnete Version der mehr als hundert Jahre später von den Brüdern Grimm übernommenen Geschichte vom „Aschenputtel“. Bei Ludwig Bechstein, der seine Märchensammlung um 1845, 20 Jahre nach den Brüdern herausgebracht hat, heißt die nicht nur im europäischen Raum weit verbreitete Figur „Aschenbrödel. Angefangen bei den Ureinwohnern Nordamerikas oder im Kaiserreich China des 9. Jahrhunderts hat sich das Märchenmotiv bis heute in vielen Varianten erhalten. Besonders angetan hat es das brave, arme Mädchen, das wie bei Rosamund Pilcher mit einem Prinzen sein Glück findet, Opernlibrettisten und -komponisten. Von Carlo Goldoni über Giacchino Rossini und Jules Massenet bis zu Peter Maxwell Davies († 2016), haben sich Dichter und Musiker von der Figur faszinieren lassen. Sergej Prokofiew hat seine „Soluschka“ mitten im zweiten Weltkrieg komponiert, die Uraufführung hat 1940 in Moskau stattgefunden. Der große Ball, ganz in Schwarz. © Wiener Staatsballett / Ashley Taylor
Seitdem haben sich zahlreiche Coreografen der märchenhaften Musik angenommen, von Frederick Ashton über Rudolf Nurejew und John Neumeier bis zur Christoph Maillot und Maguy Marin. Die jüngst, jetzt an der Volksoper gezeigte Choreografie ist die preisgekrönte Version von Thierry Malandain. Für ihn ist die Geschichte die Karriere eines „Sterns, eines tanzenden Sterns.“

Der Tanzmeister (Andrés Garcia-Torres) wird umschwärmt. © Wiener Staatsballett / Ashley Taylor Die junge Ungarin Dominika Kovacs-Galavics ist dieser Stern. Sie spielt zwar ein Aschenbrödel, manchmal traurig, manchmal lustig und nie bösartig, obwohl sie allen Grund dazu hätte, doch sie ist eine talentierte, frische Tänzerin, die nicht nur im Pas de deux (mit Gleb Shilov) bestehen kann, sondern durch ein lebhaftes Mienenspiel für sich einnimmt. Shilov ist ein erfahrener eleganter Tänzer, der sicher springt und seinen Gefühlen für das (nicht im Ballkleid sondern im weißen Hemdchen auftauchende) fremde Mädchen Ausdruck verleihen kann. Andrés Garcia-Torres macht als Tanzmeister, Zeremonienmeister und Freund des Prinzen mit sehenswerten Sprüngen gute Figur.

Für die drei Soloparts en Travesitie, die Schwestern Javotte und Anastasie samt ihrer Mutter, gibt es keine Alternativbesetzung. Samuel Ohne die drei Stiefdamen geht gar nichts. (Clomobin, Benedek, Nejime, Garcia-Torres). © Wiener Staatsballett / Ashley Taylor Colombet, Keisuke Nejime und Lászlo Benedek, als akrobatische Stiefmutter perfekt mit den Krücken tanzend, sind unersetzbar. In Lauf von 5 Vorstellungen haben sich alle drei perfekt in ihre Rollen gefunden, sind in den Bewegungen flüssiger geworden und völlig entkrampft. Ihre Neckereien von Cendrillon, ihr albernes (unhörbares) Gekicher, ihre gegenseitigen Frotzeleien lockern die gute Doppelstunde in völligem Einklang mit der Musik auf, ohne in primitiven Klamauk auszuarten.

Da haben es natürlich die zarten Elfchen, allen voran Tainá Ferreira Luiz als Soloelfe, die das Geschehen ganz allerliebst umflattert. Die Fee (zugleich die verstorbene Mutter) war Malandain kein besonderes Anliegen, Cendrillon lebt nicht in einer Märchenwelt, auch wenn das Publikum diese sieht. Kristina Ermolenok ist sichtlich unterfordert mit dieser relativ marginalen Rolle.

Das Aschenbrödel im Festkleid (Kovacs-Galavics) © Wiener Staatsballett / Ashley Taylor Einen Wermutstropfen hat Malandain mit dem Finale selbst in die ansonsten zurecht preisgekrönte Choreografie eingebaut. So interessant er die Szene des „großen Balls“ auflöst, mit so vielen Einfälle er berührt und unterhält und so virtuos die reinen Tanzpassagen sind, so schmerzhaft ist der Schluss, in dem er zuerst die Elfen (weibliche wie männliche) aus ihrem Schlaf weckt und sie, wer weiß vor wem, verbeugen und danach auch die anderen Darsteller_innen vortreten lässt. Natürlich tobt sofort der Applaus los, die feine Musik Prokofiews wird unhörbar, die Poesie geht verloren. Dirigent Guillermo Garciía Calvo und das nuancenreich spielende Orchester der Volksoper kämpfen vergebens gegen die unermüdlichen Pascher.
Cendrillon endet statt mit innigen Liebestönen als Volksfest.

Thierry Malandain: „Cendrillon“ mit Dominika Kovacs-Galavics in der Titelrolle. Diriigent: Guillelrmo García Calvo. 22.1.2017, Volksoperncompagnie des Wiener Staatsballetts in der Volksoper.
In der selben Besetzung noch am 26.1. In der letzten Vorstellung in dieser Saison, am 29.1.2017, tanzt; Mila Schmidt die Titelrolle (Premierenbesetzung).