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„Pinocchio“– Der hölzerne Bengel im Dschungel

Soffi Schweighofer ist ein Pinocchio zum Liebhaben © Rainer Berson

Mit nur vier Darsteller_innen hat Richard Schmetterer Carl Collodis Geschichte vom Hampelmann, der lernt erwachsen zu werden, für Volksschulkinder inszeniert. Auf der märchenhaften Bühne von Hannes Röbisch werden die Abenteuer des naiven Buben, der mangels eines Herzens Gut und Böse nicht unterscheiden kann, von den jungen Zuschauer_innen im Dschungel gespannt verfolgt und am Ende so freudig wie heftig beklatscht.

PInocchio als geschundener Esel im Zirkus (Schweighofer, Frühwals)Die Geschichte, ein Entwicklungsroman für Kinder aus dem 19. Jahrhundert, ist auch heute vielen Neunjährigen bekannt, schließlich ist sie auf DVD immer wieder anzusehen. Pinocchio (ein italienisches Spiel mit Begriffen, das letztlich darauf hinausläuft, dass Geppetto seine Puppe „Holzauge“ getauft hat) ist aus einem Zauberholz geschnitzt, wird lebendig und reißt aus. Er muss mancherlei Abenteuer bestehen und ordentlich Lehrgeld bezahlen, bis sich sein Wunsch, doch statt aus Holz aus Fleisch und Blut zu bestehen, also ein Menschenkind zu werden, erfüllt. Nötig ist dazu, dass er lernt zu fühlen und selbstlos bereit ist, sich anderen zu helfen. Das tut er im Lauf des Heranwachens immer wieder. Eigentlich will er in die Schule gehen, um kein Holzkopf zu bleiben, will arbeiten, um Geld zu verdienen, damit er Vater Geppetto versorgen kann, doch lässt er sich allzu leicht verführen, glaubt allen, die ihm ein Leben ohne Plage versprechen. Das Erwachsenwerden ist mit Schmerzen verbunden, erzählt Collodi. Doch Pinocchios Holzherz wird immer weicher und wenn er erfährt, dass Geppetto in Not ist, wirft er sich für ihn in die Wellen, rettet ihn aus dem Bauch des Wals und will ein braver Schüler werden. 19. Jahrhundert eben! Doch die Regie präsentiert keine Moral der Geschichte, die müssen sich die jungen Zuseher_innen selber bilden. Gepetto (Till Frühwald) mit dem hölzernen Sohn (Soffi Schweighofer) alle Bilder © Rainer Berson

Pinocchio wird ganz reizend und sehr keck von Soffi Schweighofer dargestellt. Nach mehr als zehn Vorstellungen ist es ihr nicht zu verdenken, dass sie mitunter vergisst, eine Holzpuppe zu sein und sich entsprechend hölzern zu bewegen. Doch vor allem in den akrobatischen, deutlich scheinaggressiven Szenen, die die Kinder zu wahren Lachstürmen reizen, ist sie /er wieder ganz Holz. Im Kampf mit Pinocchio, der seine Stoffwurst gekonnt schwingt, machen die beiden Bösewichter, Fuchs und Katze, nämlich keine gute Figur. Der scheinheilige Kutscher und der peitschenschwingende Zirkusdirektor, die Pinocchio, der als Faulpelz ein Esel geworden ist, quälen, werden regelrecht ausgebuht.

Die Mehrfachrollen, Gute wie Böse, von Geppetto und dem Tischler Meister Kirsche über die Gewissnens-Grille und die hilfreiche Taube bis zu Katz’ und Fuchs, werden in superschnellem Kostümwechsel von Clara Diemling und Till Frühwald mit fröhlichem Engagement dargestellt.

Gepetto, der Tischler (Clara Diemling: Streiten und versöhnenDer Schwachpunkt der Aufführung liegt bei der Rolle der Fee mit ihrer klimpernden Harfe. Isabell Stoßfellner, kann also Harfe spielen, ist auch feenhaft schön, aber sie piepst wie ein Vogel im Nest, oft vom Publikum abgewandt, hat aber (Textfassung: Regisseur Schmetterer) ohnehin nicht viel zu sagen. Dafür werden die Saiten umso heftiger gezupft und gerissen, manchmal akzentuierend, lautmalerisch und zur Szene passend, meist aber zu laut und die Musik (Florian C. Reithner) ähnelt dem melodielosen Getöne, das in jedem Supermarkt meine Sinne benebelt. So schön wird beispielsweise das Gewitter samt den sich türmenden Wellen mit Hilfe von Maschinen und Objekten hergestellt wird, die dem Repertoire des Barocktheaters entstammen könnten, braucht die Szene überhaupt keinen Zusatz, das heftige Klimpern macht die Magie zunichte. Perfekt und fantasievoll gelöst hat hingegen Hannes Röbisch seine Aufgaben als Bühnenbilder und Lichttechniker.

Die Kostüme stammen von zwei Könnerinnen ihres Faches, der bereits mehrfach preisgekrönten Modedesignerin Maiken Kloser und der Absolventin der Linzer Kunstuniversität Lena Scheerer. Pinocchio hat sichtbar hölzerne Beine und Hände und stakst anfangs wirklich ganz ungelenk durch den Wald; die Kostüme der beiden anderen Spieler_innen sind mit wenigen Handgriffen zu verwandeln, glitzern und funkeln wenn nötig.atz und Fuchs sind hinter Pinocchios Goldstücken her

So gibt es nur noch eines anzumerken: Nach 55 Minuten werden die Kinder unruhig, gähnen, tratschen, wetzen herum. Wie sagte Hannes Wurm, bekannt als fishy, kürzlich in der Riemergasse zu mir? „Alles, was länger dauert als eine Stunde, ist ein Verbrechen.“ In Vorstellungen für junge Menschen, die zu Theaterbegeisterten werden sollen, ein Erzverbrechen.
Ein Glück für das Ensemble, dass die Mädchen und Buben mit dem Applaus nicht sparen wollen und durch ihr Freudengetrampel die Reihen erbeben ließen. Also ganz undifferenziert, ausnahmsweise: vier von fünf Sternen.

„Pinocchio“, Uraufführung im Dschungel, 2.12. 2016. Gesehen am 20.12. Regie, Textfassung: Richard Schmetterer; Bühne/Licht: Hannes Röbisch; Kostüme: Maiken Kloser, Len Scheerer; Musik: Florian C. Reithner; DarstellerInnen: Clara Diemling, Till Frühwald, Soffi Schweighofer, Isabell Stoßfelner.
Empfohlen ab 6, Dauer 70 Minuten.
Vorstellungen im Dschungel noch bis 8.1. 2017.