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Wiener Festwochen – Dorothée Munyaneza

Dorothée Munyaneza, 12 Jahre. © Laura Fouquère

„Samedi détente“ nennt die in Ruanda geborene Künstlerin Dorothée Munyaneza die Show, in der sie sich an den Völkermord in ihrer Heimat erinnert. Seit November 2014 tourt sie mit Gesang und Tanz, der ivorischen Tänzerin Nadia Beugré und dem Musiker und Improvisateur Alain Mahé vor allem durch Frankreich. Auf Einladung der Wiener Festwochen erzählt sie ihre Geschichte im Künstlerhaus.

Im Dunkeln wetzt Alain Mahé die Messer. Der Klang der scharfen Macheten wird den Abend als schmerzhafte Musik begleiten, ihm den Rhythmus geben. Eine kräftige, klare Stimme übertönt den Schmerz mit süßem Gesang. Sie gehört der zierlichen Dorothée Munyaneza, die sich an ein Lied aus der Radiosendung „Samedi détente / entspannter Samstag“ erinnert. Auf der Bühne angekommen erzählt sie mit süßer Stimme von den 100 Tagen im Jahr 1994 als in Ruanda etwa eine Million Menschen (75 Prozent der in Tutsi-Minderheit) ermordet worden sind. Dorothée, damals 12 Jahre alt, mittendrin. Jetzt ist sie britische Staatsbürgerin und lebt in Marseille. 2011 war sie gemeinsam mit Mahé im ImpulsTanz Festival in der Performance „?(s) - krypt blues“ von und mit Ko Morobushi zu sehen und zu hören.

Nadia Beugré, Tanzt Opfer und Täter. © Laura FouquèreImmer wieder blitzen die Macheten auf, scharf wenn sie aufeinander treffen, dumpf, wenn Mahé damit auf Holz schlägt, wechselt das Licht (Christian Dubet) von dunkler Nacht in hellen Tag. Munyaneza singt, tanzt und stampft und rhythmisiert ihre Performance mit dem schrecklichen Schrei „turaje – Sie kommen“. Wenn sie auf dem Tisch hockend erzählt, ist sie wieder ein kleines Mädchen, das sich ohne zu klagen, an die schöne Kindheit und die furchtbaren Tage des Mordens erinnert.

Effektvolle Kontraste. Zorn und Angst, Blut und Tod, das Grauen des Völkermordes, über den der damalige französische Ministerpräsident François Mitterrand angeblich gesagt hat: „In diesen Ländern ist ein Völkermord nicht von Bedeutung“, wird durch die Körper ausgedrückt, den Tanz von Nadia Beugré, die Opfer und Täter zugleich ist und Munyaneza selbst. Die Körper erzählen wie die Menschen zu Tieren werden, zu Aasgeiern, die sich an den Leichen gütlich tun. Die Stimme berichtet von Freundschaft und Liebe. Ein Abend der Kontraste. 

Beugré erzählt, wie sie in Abidjan (Elfenbeinküste) den „Zouglou“ getanzt haben, herum sprangen, während in Kigali (Ruanda) die Körper von Bomben und Kugeln zerplatzt sind. Der „Zouglou“ ist ein fröhlicher, wilder Tanz, Munyaneza lässt sich verführen, tanzt, tanzt die Freude und das Leben. Das ist der traurigste Moment der Show. Der perfekten Show. "Samedi détente" von und mit D. Manyaneza. © Laura Fouquère

Denn es bleibt eine Show, die mit Momente des Schreckens und der Trauer berührt, doch vor allem durch die Präzision der Dramaturgie und der Darbietung staunen lässt. Die authentische Erzählung ist in der Perfektion erstarrt. Munyaneza ist eine großartige Tänzerin, Sängerin, Darstellerin und ihre beiden MitspielerInnen stehen ihr in nichts nach. Kaum hat Beugré die abschließende Frage (vor allem an Frankreich, dem Ruanda eine führende Rolle bei den Massakern vorwirft) gestellt: „Und Sie, was haben Sie gemacht im Juli 1994?“, toben Applaus und Jubelschreie los. Alles nicht wahr? Doch nur eine Bühnenschau. Wir können zum Alltag übergehen. Können wir?

Dorothée Munyaneza: „Samedi détente“, mit Nadia Beugré und Alain Mahé. Wiener Festwochen im Künstlerhaus, Plastikersaal. Deutschsprachige Premiere am 18. Juli 2015.
Weiter Vorstellungen: 20., 21. Juni 2015.