ImPulsTanz: T. Harrell „The Return of La Argentina“
Der amerikanische Tänzer und Choreograf Trajal Harrell nimmt das Solo des Buto-Meisters (1906–2010) Kazuo Ohno. „Admiring La Argentina“ (Choreografie von Tatusmi Hijikata), zum Vorwand für eine ziemlich rätselhafte, sehr komische Performance von 30 Minuten. Mit „The Return of La Argentina“ wollte er das Publikum des ImPulsTanz Festivals in der Eingangshalle des Leopold Museums „zu einer fiktionalen Archivierung“ dieses bald 50 Jahre alten Butoh-Tanz-Ereignisses einladen – steht im Programmheft. Was wir, das Publikum, da archivieren sollten, blieb mir verborgen.
Im geschmeidigen Voguing tänzelt Harrell aus dem Nichts durch die angesammelte Menge auf den mühsam eroberten Museumsstockerln. Er hält ein geblümtes rosa Rüschenkleid zärtlich an der Brust, das er aber bald abgelegt, um sich seiner Jause zu widmen. Müsli und Joghurt, Chips und Drinks aus zwei Flaschen. Dann tanze er besser, sagt er. Wechselt die Schüsseln und die Sitzgelegenheit und nährt sich weiter. Getanzt hat er dann ohnehin nicht, wenigstens versuchte er den Esslöffel tanzen zu lassen. Mehr oder weniger gekonnt lässt er diesen aus der Schüssel springen, um ihn wieder aufzufangen. Der der Löffel will nicht so wie der Tänzer will, der eben doch kein Jongleur ist. Harrel gibt auf und zieht sich einen schwarzen Rock, – gerüscht, damit wir an Flamenco denken – über.
Aus einem magisch leuchteten Gerät klingt in unregelmäßigen Abständen ein sanftes Klingeln. Ein Zeichen, dass das Museum geschlossen werden will? Eine Türglocke? Kein Handy. Harrell lässt sich ohnehin nicht irritieren. Später wandelt sich das melodische Glockenspiel in irgendein kaum zu hörendes Liedchen. Der Rock wird durch eine ebenso schwarze Jacke ergänzt gehoben und dreimal geschüttelt. Mehr wird nicht. Er holt zwei aus Perlen gefertigte Waschlappen aus seinem Gepäck, zieht diese über die Hände, die er fröhlich bewegt, wie Kasperlpuppen; tänzelt durch die Menge und verschwindet ins Nichts.
Das Publikum bleibt betropetzt zurück, sucht vergeblich nach dem fiktionalen Archiv, nach dem großen Butoh-Tänzer Kazuo Ohno und der von ihm verehrten großen Flamenco-Tänzerin Antonia Merce, genannt la Argentina.
1991 haben wir (Eltern, Großeltern des heutigen Gros der ImPulsTanz-Besucher_innen) dieses eindrucksvolle Solo Ohnos gesehen. Eine dunkle Erinnerung ist geblieben. Harrell wird sie mir nicht zerstören mit seinem zum Lachen reizenden Versuch.
Die Kürze einer Performance wäre im Grunde von Vorteil – wenn der Künstler das Publikum und das, was er diesem zeigen will, ernst nimmt. Julie Flierl hat das mit „Operation Orpheus“ (im Mumok) mit Hingabe und Perfektion bewiesen. Auch ihre Performance war „nur“ eine knappe halbe Stunde land und dennoch so reich an Intensität, Klarheit und Schönheit.
Trajal Harrell: „The Return of La Argentina“, kreiert 2015 im Rahmen seiner zweijährigen Residency im moma, New York. Leopold Museum, 1. August 2016, im Rahmen von ImPulsTanz.
Weitere Vorstellungen am 3. und 5. August.