Nurejew Gala 2016 mit neuen Choreografien
So wie die Nurejew-Gala zum Abschluss der Ballettsaison ist auch die Hochstimmung des Publikums bereits Tradition. Das Glanzlicht des abwechslungsreichen vierstündigen Abends setzte der Direktor selbst. Manuel Legris begeisterte mit seiner Partnerin Isabelle Guérin, wie schon im Vorjahr, das Wiener Publikum. Gekrönt aber wurde dieser Gala von einer üppigen Reihe von Avancements.
Eine Gala ist eine Gala, ist eine Gala. Da gibt es nichts zu meckern, auch wenn nicht alles so gelingt wie es geprobt worden ist und mancher Auftritt illustrer Gäste enttäuschend ist. In dem Fall muss es auch nicht heißen, dass Nurejew immer drin ist, auch wenn der jährliche Saisonabschluss dem verstorbenen Tänzer und Choreografen gewidmet ist.
Das Tänzchen in einem Ausschnitt aus Nurejews Ballett „Manfred“ aus dem Jahr 1979 zeigte den Étoile der Pariser Oper, Matthias Heymann, als ausdruckstarken Tänzer, gab ihm aber wenig Gelegenheit sich wirklich zu entfalten. Wie überhaupt Ausschnitte aus narrativen Stücken problematisch sind. Ein Stück Stoff ist noch kein Kostüm. Erst nach der Pause im zweiten Teil konnte Heymann mit der bezaubernden Myriam Ould-Braham, ebenfalls ein Stern am Pariser Balletthimmel, im Fanny-Eßler-Pas de deux aus „La Fille mal gardée“ zeigen, dass er zurecht ganz oben in der Balletthierarchie tanzt. Andrey Kaydanovskiy begeisterte als Witwe Simon mit den gaggerlgelben Holzpantinen. Holzschuhtanz und Pas de deux können sehr gut alleine stehen und sind für eine Gala bestens geeignet.
Nicht nur Tänzerinnen und Tänzer waren Gäste der Gala sondern auch junge Choreografen. Der vor allem beim italienischen Alterballetto arbeitende in Deutschland geborene Philippe Kratz begeisterte mit dem abschließenden Pas de trois seines erfolgreichen Balletts „SENTieri“, perfekt und aufregend getanzt von Alice Firenze, Masayu Kimoto und Eno Peçi. Ebenso begeisternd das harmonische, virtuose Paar Nina Poláková und Roman Lazik in einem Pas de deux von Edwaard Liang aus dem Jahr 2005. „Distant Cries“ wird vom getragenen Adagio aus Tomaso Albinonis Concerto a cinque op. 9/2 in einer nicht näher bezeichneten Aufnahme begleitet, was dem schwierigen Stück einiges an Prägnanz nimmt. Im kommenden Herbst wird das Wiener Staatsballett Liangs Ballett „Murmuration“ (2013) einstudieren. Kritiker_innen sagen diesem Stück "Schönheit und Kraft“ nach. Der aus Taiwan stammende Choreograf hat unter anderem im New York City Ballet getanzt und nach einem Workshop beim Nederlands Dans Theater begonnen, selbst Ballette zu schaffen. Zu "Murmuration" ließ er sich vom Flug der Stare inspirieren.
Mit einem neuen Werk wird sich dann auch der aus Argentinien stammende, bereits vielfach ausgezeichnete Choreograf Daniel Proietto einstellen. Vorgestellt hat er sich bei der Gala mit einer Paraphrase auf Michael Fokines für Anna Pawlowa kreiertem Solo „Der sterbende Schwan“. Mit einer ausgeklügelten Lichtregie (Kristin Bredal) und geheimnisvollem Videodesign (Yaniv Cohen) zur Musik der russischen Komponistin Olga Wojsiechovska zeigte die Erste Solotänzerin Ketevan Papava ein expressives, faszinierendes Solo, das durch die Mischung aus Gegenwart und (Ballett-)Vergangenheit neugierig auf Proiettos neue Arbeit für das Wiener Staatsballett, „Blanc“, macht. Für mich war "Cygne" unter Beteiligung eines wie im Traum singenden Knabens (Rahael Reiter) das interessanateste Stück des langen Abends.
Die Uraufführung von "Blanc" findet gemeinsam mit Edwaard Liangs "Murmuration" und Georges Balanchines "Symphonie in C" am 1. November 2016 in der Staatsoper statt.
Hinreißend war auch der junge Erste Solist David Dato mit Nikisha Fogo (nach der Vorstellung zur Solistin erhoben) in der „Tarantella“ von George Balanchine, für ihn ein Debüt. Schon im Programm „Junge Talente“ konnte Fogo in diesem seit mehr als 50 Jahren überaus lebendigen Stück zur Musik von Louis Moreau Gottschalk das Publikum in der Volksoper zu Beifallsstürmen hinreißen.
Hin und weg war nicht nur der dicht gedrängte Stehplatz auch von der innigen Liebesgeschichte aus dem abendfüllenden Ballett „Le Parc“, einer Hommage an Wolfgang Amadeus Mozart und die galante Ära des Rokoko, von Angelin Preljocaj. Isabelle Guérin und Manuel Legris tanzten den erotischen Pas de deux mit einer zauberhaften Intensität und sichtbarer Freude an der Bewegung.
Für das gute Ende ließ es sich Legris nicht nehmen, den ersten Akt „seines“ Balletts „Le Corsaire“ zu zeigen. Kirill Kourlaev tanzte als Sklavenhändler Lanquedem, frei und unbelastet, seinen endgültigen Abschied; Olga Esina und Kiyoka Hashimoto brillierten als Médora und Guilnare; Joanna Avraam, endlich wieder auf der Bühne zu sehen, debütierte als Zulméa.
Stücke, die auch dem Corps de ballet Gelegenheit geben, ihr Können zu zeigen, sind für Legris notwendig, will er doch alle seine Tänzerinnen und Tänzer auf der Gala-Bühne sehen. Womit auch das Publikum einverstanden ist. „The Four Seasons“ von Jerome Robbins, eine musikalisch stimmige Parodie zur Musik von Giuseppe Verdi, der Ausschnitt aus „La Fille mal gardée“ und ein ganzer Akt von „Le Corsaire“ gaben dazu Gelegenheit. Nicht zu sehen war die großartige Erste Solotänzerin Irina Tsymbal. Sie laboriert an einer alten Verletzung und musste das Geschehen vom von der anderen Seite genießen.
Nurejew Gala 2016, künstlerische Leitung Manuel Legris, Dirigent Valery Ovsianikov. 26. Juni 2016, Wiener Staatsballett in der Statsoper.. Danach verkündete Ballettdirektor Legris zahlreiche Avancements.
Das gesamte Programm der Gala.