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Teatro Barocco: „Piramo e Tisbe“ in Stift Altenburg

Piramo und Tisbe ( Maria Taytakova, Megan Kahts) © Barbara Pálffy

Keine Oper, sondern ein zauberhaft tragisches Intermezzo ist „Piramo e Tisbe“ von Johann Adolf Hasse. Bernd R. Bienert inszenierte es mit seinem ganz besonderen Ensemble im hochbarocken Bibliothekssaal von Stift Altenburg, wie immer auf den Spuren der barocken Aufführungspraxis. Ein besonderes Erlebnis für Liebhaber Alter Musik, das man noch bis 30. Juli genießen kann.

Bienerts Auswahl der musikalischen Werke, die er seit fünf Jahren in Altenburg und seit kurzem auch im Schlosstheater Laxenburg zur Aufführung bringt, kreisen stets um Wolfgang A. Mozart, wenn der Meister nicht gar selbst in Szene gesetzt wird. Diesmal ist es aber ein beinahe in Vergessenheit geratener Wegbereiter, der gebürtige Deutsche Johann Adolph Hasse, Musiklehrer von Kaiserin Maria Theresia und Marie Antoinette. „Piramo e Tisbe“ ist ein Intermezzo tragico in zwei Akten zum Libretto von Marco Coltellini, 1768 in Wien uraufgeführt. Auch in Laxenburg wurde das Werk vor der kaiserlichen Familie gespielt, die höchst beeindruckt und schweigend gelauscht haben soll - eine Seltenheit bei damaligen Aufführungen. Porträt des Komponisten ohann Adolph Hasse, 1740 © gmeinfrei

Nur drei AkteurInnen gehören zum Personal des Intermezzos, wobei das nicht ganz richtig ist, denn auch ein Löwe spielt mit. Er hat eine entscheidende dramaturgische Aufgabe, denn er verhindert die gemeinsame Flucht des Liebespaares Piramo und Tisbe, die einander nicht heiraten dürfen und deshalb fliehen wollen. Am nächtlichen Treffpunkt findet sich zuerst Tisbe ein, als der böse Löwe sie bedroht. Zwar kann sie entkommen, doch verbeißt sich das wilde Tier mit noch blutigem Maul von einem früheren Leckerbissen in ihren Schal. Er ist schon wieder weg, als Piramo kommt und das blutbefleckte Tuch der Geliebten findet. Tisbe für tot wähnend, ersticht er sich, und die wiederkehrende Tisbe findet ihn darnieder liegend und tötet sich gleichfalls. Als ihr Vater dazu kommt und die Sterbenden sieht, nimmt er sich ebenfalls das Leben.

Tisbe weint um ihren Geleibten (Megan Kahts ) © Barbara Pálffy Die melodiösen Arien Hasses, in denen er nicht zuletzt manche Erkenntnisse der Gluckschen Opernreform der barocken Opera seria umgesetzt hatte, singen die Sopranistinnen Megan Kahts als Tisbe und Maria Taytakova als Piramo. Den Vater gibt Tenor Peter Widholz, den Löwen Tänzer Gabriel Wanka. Die musikalische Leitung hat, vom Cembalo aus, Emanuel Schmelzer-Ziringer.
Bienerts Inszenierungsansatz ist ein autotextuelles, rekonstruierendes Verfahren. Seit Nikolaus Harnoncourts jahrzehntelangem und engagierten Wirken ist man zwar die historisch informierte Aufführungspraxis im Orchestergraben gewohnt. Hier geht es aber auch um eine entsprechende, darstellerisch-sängerische Umsetzung. Der barocke Schauspielstil war stark codiert, denn man wollte Affekte nicht naturalistisch mimen, sondern in eine überhöhende Kunstsprache übersetzen, mit gestischen und musikalischen Mitteln. Ein psychologisierend-naturalistisches Spiel wäre den Menschen jener Zeit als plump und eintönig erschienen. Bienert studiert die Quellenlage genau und implementiert dieses Wissen in seine Inszenierungen.

Doch niemals wirkt diese andere Art opernhafter Darstellung akademisch trocken, sondern bildet immer eine harmonische Einheit. Der klassische Balletttänzer Bienert weiß, wie man diese Einheit von Körper und Stimme zu Wege bringt, und die DarstellerInnen setzen das in ihren wunderschönen, historisierenden Kostümen (Bienert) begeistert um. Megan Kahts mit großem Enthusiasmus und manchmal zu lautem Stimmeinsatz. Gegenteilig verhält es sich bei Maria Taytakova, die gesanglich feiner akzentuiert, aber dafür gestisch zurückhaltender agiert. Auch Peter Widholz tendiert, stimmlich zu sehr Druck zu machen. Durch die leicht hallende Akustik des Saales entsteht nämlich ein Nachklang, der vielleicht nuancierter ausgeglichen werden sollte. Piramo  klagt um die vom Löwen zerrissene Tisbe (Maria Taytakova) © Barbara Pálffy

Wieder kann man feststellen, dass die Stärke von Bienerts Inszenierungsweise darin liegt, ein Gesamtkunstwerk zu erzeugen, in dem jede Sparte die gleiche Wichtigkeit hat. Man erlebt das Spiel als dicht und spannend und niemals als historischen Kitsch, sondern als intelligentes, sinnliches Musiktheater, dessen Wurzeln in einer anderen Zeit und Welt liegen. Aber es ist heute gemacht, mit heutigem Wissensstand und heutigem Denken, und deshalb absolut zeitgenössisch.

Teatro Barocco: „Piramo e Tisbe“. Ein Intermezzo tragico von J. A. Hasse. Stift Altenburg bei Horn, Niederösterreich.
Termine: 2., 9., 16., 23., 30. Juli 2016.