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Wiener Festwochen – Ampe & Verdonck

Sie sprechen nicht: Ampe & Verdonck. © Phile Deperez

We don’t speak to be understood“ nennen Pieter Ampe und Benjamin Verdonck ihre präzise ausgeführte Slapstick Performance. Das Zentrum der köstlichen Stunde im Rahmen der Wiener Festwochen ist Antonio Vivaldi. Mit Hilfe seiner Violinkonzerte „Die vier Jahreszeiten“ unterhalten die Genter Künstler eine Stunde lang mit Kopf und Körper.

Dada und Gaga. Das Konzept geht auf. Sie reden also kaum und werden dennoch von manchen nicht verstanden. Auskennen muss man sich nicht im verschlampten Stübchen, das mit Tisch, Sessel, Kühlschrank, Toaster und einem Ventilator ausgestattet ist. Nicht zu vergessen, der alte Plattenspieler, dem die Nadel auf Vinyl gesetzt wird. Perfekt im Takt, auf Rubato und Piano achtend, wird die Zahnbürste geführt,  geturnt und gerauft, angenähert und abgestossen; tropft der Honig vom Spender in den Mund und von da in den des Mitbewohners, verklebt ihm den Bart, der von Andreas Hofer geborgt sein könnte.

Dieser Bart gehört samt dem Wuschelkopf zu Pieter Ampe, dem Tänzer und Choreografen, der seinen Auftritt direkt aus dem Kühlschrank inszeniert. Der wird im Winter – die Performance könnte auch „Die vier Jahreszeiten“ heißen – nicht mehr gebraucht, da ist Kuschelzeit und Ampe friert ohnehin. Verdonck, der elegante, etwas angeekelte Partner im Stück (Schauspieler und bildender Künstler im Leben) mag ihn nicht wärmen und betrachtet dessen wilden Aktionen mit hochgezogenen Augenbrauen und süffisantem Lächeln. Er singt „Nein, nein, nein“, wenn der Wurzelsepp „Ja, ja, ja“ schreit.

Ein seltsames Paar. Mal ist der eine auf dem Boden und der andere benutzt ihn als Stufe, dann liegt dieser unten, und muss den Kühlschrank (Hillary Clinton ist an die Tür geklebt) mit dem Kopf halten. Anspielungen reihen sich an Metaphern, Bilder entstehen (auf der Bühne und im Kopf), das Lachen (mein Lachen) ist Erkenntnis und verdrängtes Schluchzen zugleich. Brutal, oft unappetitlich, auch verwirrend, doch immer voll Esprit und Humor und reichlich Stoff zum Grübeln ist diese Performance zweier Künstler, die einander lange kennen, doch noch nie gemeinsam auf der Bühne gestanden sind.

Fans von Simon Mayer sollten sie bereits bekannt sind, ist doch Pieter Ampe, der Tänzer mit akrobatischem Talent (wenn er mag, kann er auf dem Kopf stehend plaudern und, wie er auch diesmal gezeigt hat, über dem am Boden liegenden Partner schweben) mit diesem in St. Pölten („Österreich tanzt“) vor schon vor vier Jahren begeistert beklatscht worden. Benjamin Verdonck hat damals Regie geführt. Ampe und Verdonck: Ein seltsames Paar. © Phile Deprez

Körperkunst mit Esprit. Auch wenn die Bilder und Posen nicht gedeutet oder verstanden werden können, ist diese Performance pures Vergnügen, weil sie nahezu perfekt ist. Wie sich Ampe & Verdonck durch die vier Jahreszeiten (in doppelter Bedeutung: es schneit im Winter und wird Weihnachten, ein Kind wird geboren; es rieseln Blüten im Frühling und es weht, zwar nicht das blaue, doch das rosa Band durch die Lüfte – und die Musik spielt dazu) bewegen und auch blödeln ist Genuss und Schrecken zugleich.

Da scheiden sich die Geister. Nicht ohne Grund, waren Ampe & Verdonck im kleinen brut zu Gast, dessen Stammgäste mit schräger Körperkunst vertraut sind. Eine Vertrautheit, die dem angestammten Festwochenpublikum wohl nicht gegeben ist. Markus Hinterhäuser mit Stefan Schmidtke (Theaterchef, der eine, Intendant der Festwochen, der andere) sei Dank für diese (und andere) Gäste.

Pieter Ampe / Benjamin Verdonck: „We don’t speak to be understood“, gesehen am 7. Juni 2015, brut im Rahmen der Wiener Festwochen.