Festwochen: „Fyodor’s Performance Carousel“
Fyodor Pavlov-Andreevich präsentiert im Festwochenzentrum / Künstlerhaus mit seinem „Performance Carousel“ eine Stunde und 15 Minuten, die kaum zu beschreiben sind. Würde ich nämlich das Abenteuer, und das war es, wenn auch ganz ungefährlich, genau schildern, nähme ich kommenden Besucherinnen die Freude an der Entdeckung und das Vergnügen an der Beteiligung. In einer Video-Einführung geben die Künstlerinnen und Künstler etws von sich selbst preis und umkreisen das Thema.
Kreisen um ein Thema mit Beteiligung.Das ist es nämlich, was der zwischen Moskau, London und São Paulo lebende Künstler und Kurator, Fyodor Pavlov-Andreevich, von seinem Publikum erwartet, ja verlangt. Auch, dass man die 75 Minuten bis zum Ende genießt (oder durchsteht) muss versprochen werden. Na gut, 75 Minuten sind wirklich nicht lang, da habe ich schon mehr ausgehalten. Doch als die Assistentinnen und Assistenten das Ende der Doppelperformance (Künstler_innen und Publikum sind gleichermaßen im Deckenlicht, Rampe gibt es ja keine) ausrufen, bin ich enttäuscht. Ich wollte noch länger bleiben und auf dem Carousel rauf und runter turnen ohne zu stolpern.
Immerhin sind es neuen Zellen, in denen ebenso viele Performances zu sehen sind und das Carousel dreht sich mal schnell, mal langsam, mal in die Gegenrichtung und mitunter steht es auch still. Dann nämlich, wenn niemand aus dem Publikum sich auf eines der Fahrräder schwingt und mit Muskelkraft die Maschine antreibt.
Worum dreht sich „Fyodor’s Carousel“? Einerseits liegt dem Initiator die Zertrümmerung der vierten Wand, der innige, sehr innige sogar, Kontakt des Publikums mit den Künstler_innen am Herzen, andererseits hat er auch ein Thema vorgegeben, mit dem sich die acht Geladenen (in der 9. Zelle ist ein kleines Stück Fyodor in Jeans sehen, neben anderen männlichen Ausschnitten in Blau) auseinandergesetzt haben: „Schwangerschaft und Geburt und was danach kommt.“ Es gibt überaus originelle Lösungen, intelligente und auch unverständliche. Am besten gefallen hat mir Alexander Felchs Dauerauftritt. (neun Tage lang verlassen sie erst in der Nacht das Carousel, 9 Stunden während der täglichen neun Vorstellungen sind sie auf ihrem Carousel – man merkt schon, der Wahnsinn hat Methode). Der Wiener Alexander Felch protestiert, er versucht das Carousel aufzuhalten, hat eine Unterschriftenliste, auf der wir unser Recht auf „Nein“ bekräftigen können und behauptet, dass er mit der Inszenierung gar nicht einverstanden ist, weil die Mitwirkenden nichts voneinander wissen, nicht sehen können, was die anderen so machen. „Glaubst du ihm?“, fragt dB. K. „Ich hab ihn ins Verhör genommen, ich glaube ihm.“ „Ich nicht“, sagt B. Sie muss es wissen, übt sie doch selbst die Bühnenkunst der Täuschungen aus und ist einmal tatsächlich sie selbst, dann wieder ganz ein anderer.
Gar nicht direkt miteinander kommunizieren wollen Pédra Costa und Roberta Lima. Sie haben in ihrem Abteil eigens eine Trennwand eingezogen und Roberta ist nur als Schatten hinter einer opaken Wand zu sehen. Doch wir haben 2016 und Roberta und Pédra (Costa war früher Pedro) kommunizieren via sms miteinander.
So erfährt auch Sebastian Alvarez, von dem Tumult der ausgebrochen ist, als ein Nein-Sager (angeblich von Ferch angestiftet) den Feuerlöscher in Aktion bringt. Alvarez will auf Schwangerschafts-und Geburtsrituale, fernab jeglicher Hochtechnologie, hinweisen und deshalb ihn Erinnerung an Schamanistische Praktiken unter einem Erdhaufen liegt (noch einmal: jeden Abend mehr als 9 Stunden). Doch kommuniziert wird mit dem Mobiltelefon und wenn ich ihm die nackten Füße kitzle, sehe ich auf dem Bildschirm, dass er sich freut.
Alles ist echt, alles live, kein doppelter Boden, kein Hase im Zylinder, doch viel zu tun für die Zuschauerinnen, die längst keine mehr sind, sondern entweder Mitwirkende oder Voyeurinnen. Wie auch immer, dem gestressten Embryo, der immer wieder versucht den Gummibauch zu dehnen, unverhofft ein Knie odereinen Ellbogen hervorstreckt oder überraschende Schnalzlaute von sich gibt (Anna Vasof) kann kaum eine widerstehen. Auf Verwirrte oder Denkfaule steht übrigens für jedes Abteil eine Assistentin oder ein Assistent zur Verfügung. Sie wissen genau, worum es jeweils geht, was getan wird und zu tun ist und helfen auch über die Stufen, falls sich das Werkel wieder mal, durch heftiges Treten, allzu schnell dreht.
Für dieses Performance Carousel hat Pavlov-Andreevich 2015 in St. Petersburg den Grand Prix des Kuryokhin Kunstpreises, benannt nach dem früh verstorbenen russischen Avantgarde-Komponisten und Jazz-Pianisten, Sergey Kuryokhin, erhalten. Damit sind meine Zweifel – Sinn oder Unsinn? – beseitigt. Aber auch „Auf keinen Fall langweilig“ könnte lobende Zustimmung samt einer Empfehlung bedeuten.
Fyodor Pavlov Andreevich: „Fyodor’s Performance Carousel“, eine performative Installation, Wiener Edition, 14. Mai 2016, Festwochen-Zentrum im Künstlerhaus. Weitere Vorstellungen täglich bis 22. Mai, ab 17 Uhr.