Zum Hauptinhalt springen

Saskia Hölbling: „Corps à Corps“, Odeon

"Corps à Corps": Nahkampf im Odeon. © Anna Stöcher

Mit acht Körpern, zwei Tänzerinnen, zwei Tänzern, vier weiß gekleideten kopflosen Puppen, zeigt Saskia Hölbling im Odeon das Untergehen des Individuums in der Masse. Ausbruch ist kaum noch möglich, die Menge fängt den Einzelnen immer wieder ein. Mit einer fremden, neuen Körpersprache zaubert die Choreografin schöne, eindrucksvolle Bilder. Körper im Nahkampf.

Liebe ist das nicht, wenn zwei sich umarmen, aneinander reiben, die Gliedmaßen zu demontieren und neu zu ordnen versuchen. Aggressiv, nahezu verzweifelt bewegen sich die Körper der Tänzer_innen – Adriana Cubides, Leonie Wahl, Ardan Haussain, Jan Jakubal haben ihren eigenen Bewegungskanon und sind einander doch ähnlich, Avatare ihrer selbst. Gegenwehr wird versucht, ist kaum möglich. Adriana Cubides, Leonie Wahl mit leblosen Stellvertreterinnen. © Anna Stöcher

Nur die stummen, kopflosen Puppen mit ihren schlenkernden Armen und Beinen – krallenartig ragt das hölzerne (Knochen-)Gerüst aus Händen und Füßen – lassen sich alles gefallen, hocken ihren Mittänzer_innen auf den Schultern, hängen in den beiden Stahlgerüsten rechts und links, der durch ein Gitternetz bedeckten Bühne (Bühne, Kostüme, Puppenbau: Gudrun Lenk-Wane), sind Liebesobjekt und Waffe, Trophäe und Gefährten. 


Auch die lebendigen Tänzer_innen dürfen sich, entspannt hängend, im Gestänge ausruhen, für sich sein, durchatmen. Doch die Ruhe währt nur kurz, schon bildet sich wieder die Menge, verschlingen sich die acht Körper ineinander, fallen zum leblosen Haufen zusammen, erheben sich als ekles Gewürm aus der Grube, finden wieder zueinander, können nicht voneinander lassen, suchen Gemeinschaft und ringen um Individualität.
Jan Jakubal, Leonie Wahl: Corps à Corps. © Anna StöcherWesentlich für diese beeindruckende (auch etwas bedrückende) Performance ist die eigens dafür komponierte Musik von Wolfgang Mitterer. Unheimlich droht sie, treibt die Tänzer_innen an und hält sie auf, in den vier Solos scheint es, als würden sie gegen den Sturm der elektronischen Töne ankämpfen. Eckige Bewegungen, Schräglage, Balanceversuche auf einem Bein. Unheimlich sind die Geräusche, oft tropft Wasser, als bewegten sich die Körper in einem fremden Biotop. Stephen King geistert durch den Raum. Wird unsere Welt einmal so aussehen oder sieht sie bereits so aus? Jan Jakubal: Puppenliebe © Anna Stöcher

Das Publikum im voll besetzten Odeon ist beeindruckt, der Applaus intensiv aber verhalten. Saskia Hölbling, deren Ensemble DANS.KIAS seit mehr als 20 Jahren besteht, zeigt immer wieder, dass sie nicht bei einmal Erreichtem stehen bleibt.
Mit „Corps à Corps“, der durch Tanz und Musik doppelten Uraufführung, hat sie nach dem dreiteiligen Squatting Project“ eine neue Ebene erreicht, mit ihrem ausgezeichneten Team einen nie gesehenen Bewegungskanon entwickelt. Dass diese aufwändige Produktion nur noch zwei Mal gezeigt wird, ist kaum vorstellbar.

Saskia Hölbling: „Corps à Corps“, 25. Februar 2016, Odeon.

Weitere Aufführungen: 26., 27.2. 2016.