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Yishun in Ekstase Tempeltanz und Lasershow

"Yishun is burning", Tanz und Schamanismus.

Yishun is Burning“ nennt der Multimedia-Künstler Choy Ka Fai sein jüngstes Werk. Eigentlich ist es der zweite Teil eines Doppelabends aus der Serie „Cosmic Wander“, in der Ka Fai schamanische Tanzkulturen Asiens erforscht und Schaman:inen in seiner Heimat Singapur, in Taiwan, Indonesien und anderen Ländern interviewt. „Wander Double Bill“ besteht aus „The Third Prince“ und „Yishun is Burning“, ein kurzweiliger Abend, der im brut nordwest bejubelt und bejohlt worden ist.

Der Tänzer Sun Phitthaya Phaefuang, genannt Amazon Sun. Er stammt aus Thailand und hat in Norwegen studiert. Im Nebel der Weihrauchschwaden verschwimmen alle Grenzen. Männlich ist weiblich, weiß ist farbig, heilig ist profan und der norwegische Tänzer stammt aus Thailand. Bewusst und überaus professionell mischt Choy Ka Fai den tiefen Ernst alter Rituale mit der oberflächlichen Unterhaltung des Voguing, ausgeklügelte Videotechnik (die Filme sind als Live-Übertragung getarnt) mit dem ausdrucksreichen Tanz von Amazon Sun, der richtig Sun Phitthaya Phaefuang heißt und nach seiner Videovorstellung – jede(r) darf in schlicht Sun nennen – tatsächlich im winzigen Leopardenslip auf der Bühne erscheint. Als Akrobat und tanzender Gott verwandelt er diese in einen hinduistischen oder buddhistischen Tempel.
Yishun ist ein übel beleumdetes, aber überaus lebendiges Viertel am Rand des Stadtstaates Singapur.Der ideenreiche Regisseur Choy Ka Fai in "SoftMachine".  © Kat Reynolds / ImPulsTanz Hier sind die Drogensyndikate zuhause, die Künstler:innen, der Protest und die Schamanismus-Rituale mit ihren Gottheiten – eine, die vielarmige Kali nimmt auch an der Performance von Sun teil. Ob er sich in ihrem oder sie sich in seinem Rhythmus synchron bewegt? Wer von uns faszinierten, aber der Spiritualität recht fern stehenden Zuschauer:innen kann das sagen? Egal, Sun tanzt sich in Trance, die Schamanin erzählt im Videointerview in fremder Sprache, dass ein Gott und eine Göttin sie besuchen. Die Göttin ist eine nette, sie straft Fehler der Schamanin nicht, lobt aber auch nicht fürs Bravsein. Die großartige chinesische Perkussionistin Cheryl Ong malträtiert die Trommel, die singapurisch-malaysische Band NADA spendet Sound und Gesang. Bewundernswerte Synchronizität: der Tänzer und die Göttin.Moment, nicht ganz allein: Der Ton ist im Saal, die Bilder kommen (scheinbar) direkt aus Singapur, perfekt gemischt und synchron mit dem lebendigen Tänzer und der blauen Gottheit hinter ihm.
Choy Ka Fai hat es faustdick hinter den Ohren, Distanz und Ironie sitzen ihm im Nacken, schließlich lebt er in Berlin, war einige Zeit Factory Artist im tanzhaus nrw und weiß genau, was er seinem europäischen Publikum zumuten kann und bieten muss. Immer wieder bricht er die von ihm entwickelten Vorstellungen, lässt das Publikum lachend im Diesseits bleiben. Das sommerliche ImPulsTanz Festival hat Choy Ka Fai schon seit 2015 auf der Einladungsliste. Damals erfreute er das Publikum im Weltmuseum mit der Reihe „SoftMachine“, mit der er, wie eigentlich in jeder Arbeit, seine Offenheit, Wie die Göttin Kali streckt auch Sun seine Zunge heraus, die Länge der ihren erreicht er niemals. das Negieren sämtlicher Grenzen, ob real oder künstlich errichtet, und sein feines Gespür für eine perfekte Performance bewiesen hat. 2018 erheiterte er die Festivalbesucher:innen mit einer „Dance Clinic“ und brachte es mit einer Geisterbeschwörung zum Schaudern. Doch immer wieder begeistert der als Designer ausgebildete Künstler durch den Einsatz von Sound- und Lichteffekten. Diesmal werden sensible Gäste des brut vor einer Nebelmaschine, Laserlicht, Stroboskopeffekten und Blitzlichtern gewarnt.  Dabei gibt es dann doch Grenzen, nicht alle Menschen fühlen sich wohl im Nebelfluid, werden sogar krank, wenn sie von Lichtblitzen bombardiert werden. Damit muss gelebt werden: Nicht alles ist barrierefrei.

Choy Ka Fai: „Yushin is burning“, 30.9. und 1.10, brut nordwest
Konzept, Regie, Dokumentation: Choy Ka Fai; Dramaturgie: Tang Fu-Kuen; 3D Visual Design. Technik: Brandon Tay; Licht, Installation, technische Leitung: Ray Tseng.
Spirituelle Präsenz: Kali, Kuan Yin; Choreografie, Performance: Sun Phitthaya Phaefuang; Sounddesign, Performance: NADA (Rizman Putra & Safuan Johari), Cheryl Ong.
Fotos: Dajana-Lothert-Nemo-Stocklassa-Hinders