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Arne Mannott: „circus“, Online im Wuk

Arne Mannott: 20 Jahre lang Zirkusartist.

Zirkus, Circus, Circo, alter Zirkus, Neuer Zirkus (Cirque Nouveau), umstritten und beliebt, ein eigenes Genre zwischen Sport und Körperdarstellung, vielfältig und staunenswert, eher ein Event als in den klassischen Kunstbegriff passend, doch in Zeiten wie diesen überaus beliebt. Zirkus will erlebt und bestaunt werden, ist eine schöne Kunst, zählt aber (noch) nicht zu den „schönen Künsten“, doch immerhin ist Zirkus seit 2005 als „europäisches Kulturgut“ anerkannt. Arne Mannott, seit 20 Jahren Zirkusartist, hat davon genug. Das Jonglieren mit Keulen und Kugeln langweilt ihn, er strebt nach Neuem. Nach Höherem? In seiner Performance, „circus“,  nimmt er Abschied von seiner bisherigen, vor allem als Solist ausgeübten, Tätigkeit.

Die Requisiten machen sich selbstständig.Auf der dunklen Bühne stehen drei Keulen einsam unter dem Spot. Allmählich lösen sich zwei andere Lichtkreise aus der Schwäre, rechts steht der Musiker Gammon, Performer wie Mannott, der aus dem Hintergrund einen Wort-Rap loslässt. Immer dasselbe: kreiseln – rollen – bewegen – auffangen, kreiseln - rollen – …. Genug! Die Keulen, seine Requisiten, werden demontiert, auseinandergenommen, mit den Kugelköpfen lassen sich allerlei Kunststücke vollführen, die Rumpfteile baumeln und kreisen an langen Schnüren, optische Täuschungen inbegriffen.
Gammon arbeitet emsig an seinem Keyboard, zupft an den Kabeln, steckt und löst die Kontakte, Mannotts Stimme tönt aus dem Off.
Der Lichtmeister ist auch nicht faul, wechselt den Focus, beleuchtet den Einen und dann den Anderen, oder rückt beide ins Bild, die Kamera zoomt vor und zurück, geht in die Totale und zeigt ein Close up. Arne Mannott vielleicht zum letzten Mal als Jongleur. Was an dieser Dreiviertelstunde wirklich fesselt, ist die perfekte Beherrschung aller Bedingungen einer Online-Aufführung. Bewegung, Bild, Ton und Licht ergeben eine starke, spannende Choreografie. Vier Kameras fangen das Geschehen ein, eine ausgeklügelte Abendregie macht das konzentrierte Dabeibleiben leicht.
Die Monotonie der artistischen Übungen, in denen es auch auf schneller, höher, weiter ankommt, springt auf die Zuschauer*innen über. In einer Nummer – ja, Zirkus ist eine Nummernrevue – jongliert Mannott mit der Luft, ohne Requisiten. Das erinnert mich an Michelangelo Antonionis Film „Blow up“, einen rätselhalften Krimi, in dem ein Fotograf in der Nacht Jugendliche beobachtet, die im Park ein Tennismatch ohne Ball und Schläger spielen. Tricks und Täuschung sind dem Zirkus immanent.
Im Hintergrund rechts: Musiker und Performer Gammon.Als Gäste hat Mannott allerlei Zirkusartist*innen und zirkusaffine Personen eingeladen, die versuchen, zu definieren, was Zirkus denn sei. Am besten gefällt mir die Aussage: „Zirkus ist ein Teenager, der alles aufnimmt was auf ihn einströmt“ (frei zitiert).
Arne Mannott will mehr, sich auch selbst mittels der Sprache direkt mitteilen. Er redet gern, bevorzugt allerdings Englisch, übersetzt zwar, wenn seine Gäste am Ende von „circus“ Deutsch sprechen, lässt die englischen Aussagen anderer unübersetzt. Ich fühle mich ein wenig diskriminiert, wir sind in Österreich und sprechen Deutsch. Ist das internationale Publikum ge-wichtiger?
Arne Mannott will sprechen, erzählen, tanzen und spielen, ob er die erlernte Zirkuskunst wirklich fallen lässt, wird erst die Zukunft zeigen. Im Gespräch mit Ulli Koch vom Wuk sagt er ganz ehrlich: Tatsächlich war ich ein wenig gelangweilt vom Zirkus. Es gab einen Punkt vor einiger Zeit, an dem ich meine Zirkus-Requisiten von einem Tag auf den anderen nicht mehr angerührt habe. […] Daraus ist die Idee - oder vielleicht mehr das Bedürfnis - entstanden, diesen Bruch in einem Bühnenstück zu thematisieren.“

Arne Mannott: „circus“. Inszenierung, Performance: Arne Mannott; Sounddesign, Performance: Gammon. Dramaturgische Mitarbeit: Kai Krösche; Licht: Alexander Wanko; Video: Christian Schratt, Kai Krösche, Arne Mannott; Live Kamera: Christian Schratt. Premiere. 19.3. 2021, live. Weitere Termine: 26. 3., 2.4.2021. Abrufbar auf wuk.at
Fotos: © Franzi Kreis