„BLUAD, ROZ UND WOSSA“ IM TAG
Bei den Spezialisten für Klassiker-Bearbeitungen im Theater an der Gumpendorfer Straße stand diesmal Shakespeares „Romeo und Julia“ Pate. Von der berühmten Vorlage ist zwar nicht viel übrig geblieben, aber es gelang dem Ensemble unter der Regie von Christian Suchy ein sympathisch-beklemmender szenischer Bogen quer über menschliche Ur-Nöte.
Ein kurzer Moment von Irritation zu Beginn des Stückes: Stand da nicht „Romeo und Julia“ im Programmtext, als Basis dieser Inszenierung? Ein sich im Finsteren der Rampe nähernder Schauspieler, dessen Gesicht von einer Kerze beschienen wird, legte eher die Assoziation mit „Hamlet“ nahe, in Gestalt des Geistes von Hamlets Vater.
Aber nein, es ist der Onkel von Julia, der Rosslechner (Georg Schubert). Bald gesellt sich der Pfarrer Lorenz (Jens Claßen) dazu und die beiden reden über Kräuter von böser Wirkung, oder sowas. Denn ehe man noch dem Inhalt folgt, muss man sich erst zurechtfinden im gesprochenen Dialekt der beiden. Schubert steiermärkelt gar ordentlich, und Claßens westdeutsches Idiom könnte aus dem westfälischen Raum stammen. Und dann singen sie Wienerlieder.
Auch Romeo (Raphael Nicholas) scheint ein Steirerbua zu sein, mit Quetschn und bergtauglichem Schuhwerk, und dazu ein bisserl langsam im Denken. Seine Freundin ist Rosl (Julia Schranz), die möglicherweise Polizistin ist, jedenfalls fuchtelt sie gern mit der Handfeuerwaffe umher. Und Julia schließlich, ein rosa gewandetes, depressiv-debiles Mägdelein (Elisabeth Veit), scheint ein ähnliches mentales Problem zu haben wie Romeo. Hier hat der Inzest in großem Stil gewütet.
Es gilt nun, Julia rasch zu verheiraten. Ein Bräutigam ist gefunden, ein großer Ball soll die Verlobung besiegeln. Doch durchkreuzt sie die Pläne von Onkel und Pfarrer und verliebt sich in Romeo, der allerdings bereits Nachwuchs mit der eifersüchtigen und waffennärrischen Rosl gezeugt hat. Romeo und Julia wollen zusammen weggehen und das Baby mitnehmen, so ist der Plan. Und weil Julia spürt, dass Hingabe an einen Mann etwas ihr Fremdes ist, über das sie vielleicht noch mehr erfahren sollte, fragt sie zuvor noch Rosl um Rat.
Die ahnt natürlich, dass die verliebte Julia ihr Problem ist und gibt ihr ein geheimnisvolles Fläschchen mit dem Hinweis, daraus ein paar Tropfen einzunehmen, wenn sie sich zu Romeo begibt. Das werde helfen. Doch es kommt, wie es im Drama kommen muss, und aus der Komödie wird eine bittere Tragödie.
Von Szene zu Szene verliert das lustige Spiel der Dialekte den Kitt, der diese Komödie zusammenhält und entlarvt sich als tiefgehende Nahaufnahme des zwischenmenschlichen Grauens. Man wähnt sich in einer dieser österreichischen Fernsehserien wie „Braunschlag“, die auf den ersten Blick voller Lachnummern sind, aber bei näherem Hinsehen den Zuseher in eine Atmosphäre dumpfer Hoffnungslosigkeit hineinziehen, in der jeder Akteur unter der Lackschicht eigentlich ein Monster ist. Ein sehenswerter Abend, wenn auch gelegentliche Längen etwas an Dynamik nehmen.
„Bluad, Roz und Wossa“ von Christian Suchy, TAG Theater an der Gumpendorfer Straße.
Nächste Termine: 6., 8., 9., 10., 13., 30. 31.10.2015.