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„Le Corsaire“ mit Kimin Kim als Gast

"Der lebende Garten": Ensemble mit Blumenbögen und rosa Tütüs.

Das Wiener Staatsballett bot zu Beginn des Neuen Jahres eine feine Abschiedsvorstellung für Manuel Legris Choreographie des Balletts „Le Corsaire“ nach Marius Petipa. Liudmila Konovalova und Kimin Kim als Gast (Médora und Conrad) sind vom Publikum ebenso gefeiert worden wie die übrigen Solist*innen und das Corps de ballet: Kiyoka Hashimoto als Gulnare, Davide Dato als Birbanto mit Ioanna Avraam als Zulméa und Mihail Sosnovschi als Lanquedem. Mit Sonderapplaus bedacht wurden Dirigent Valery Ovsyanikov und das Orchester der Staatsoper.

Kimin Kim  (Conrad), Liudmila Konovalova (Médora): Hohe Sprünge, delikater Spitzentanz.Es wird wohl nicht nur die letzte Vorstellung des dreiaktigen Balletts in dieser Saison, der letzten für Ballettdirektor Manuel Legris, gewesen sein. Ins mir bekannte Repertoire des kommenden Ballettchefs passt dieses Handlungsballett nach dem gleichnamigen Gedicht von Lord Byron (1788–1824) kaum. Aus dem verwirrenden Libretto Petipas hat Legris gemeinsam mit Jean-François Vazelle eine einfache Geschichte konstruiert, die auch vom unwissenden Publikum leicht verstanden werden kann. Dabei helfen die pantomimischen Teile, zur Entspannung dienen die fröhlichen Tänze der Korsaren samt ihren Freundinnen, der Haremsdamen und natürlich auch der zauberhafte „lebende Garten“, der aus reinem Tanz besteht, in dem im 3. Akt die beiden Ersten Solistinnen Hashimoto und Konovalova noch einmal ihre Spitzenkunst und Ausdruckskraft zeigen können. Noch schnell frönte Legris seiner Leidenschaft, junge Tänzerinnen auszuprobieren, und hat zweien im Odalisken-Trio, das den Pascha (in gemessener Würde: Alexis Forabosco) erfreuen soll, die Rolle zum ersten Mal anvertraut. Mit der erfahrenen Esther Ledán tanzten allerliebst Natalya Butchko und Chiara Uderzo. Drei Odalisken: Natalya Butchko, Esther Ledán, Chiara Uderzo. Rollendebüt für Butchko und Uderzo.Beide sind Mitglieder des Corps. Butchko stammt aus den USA, Uderzo ist Italienerin. Das Bewundernswerte an allen Tänzerinnen des von Legris aufgebauten exzellenten Wiener Ensembles ist ihre Freude am Tanz. Ob eine ihre Rolle voraussichtlich nur einmal tanzen wird, ob eine andere vom designierten Direktor, Martin Schläpfer, für die nächste Saison keinen Vertrag mehr bekommen hat, ob ganz vorne in Solorollen oder im Corps gefordert, sie sind alle mit Energie und Einsatzfreude auf der Bühne. In dieser letzten Aufführung des „Corsaire“ zeigte sich das Publikum dankbar für die Leistungen und applaudierte fleißig.

Spring- und Showtalent Kimin Kim wird vom Publikum hofiert. Daran hat der aus Südkorea stammende Tänzer Kimin Kim, Principal Dancer am Mariinski Theater, nicht geringen Anteil. Er hat den Conrad in Wien schon öfter getanzt und sich auch als Albrecht im Ballett „Giselle“ auf der Bühne produziert. Kim ist ein Showtalent, hat sich diesmal jedoch erfreulich zurückgenommen und sich nicht nur auf die bravourösen Variationen in den Pas de deux konzentriert, sondern versucht seine Rolle als verliebter Chef der Piraten auch zu gestalten. Davide Dato als verräterischer, geldgieriger Birbanto und Mihail Sosnovschi als der wirklich Böse in der Geschichte von Frauenraub und Sklavenhandel, stehen dem Gast jedoch in nichts nach.Kiyoka Hashimoto, als dem Pascha ergebene Gulnare.

Für Legris ist die abenteuerliche, aber wenig zeitgemäße Handlung aber weniger wichtig als die Liebesgeschichte zwischen Conrad und Médora, die mit zwei Pas de deux den zweiten Akt prägt. Schon mehrfach hervorgehoben, beeindruckt Solotänzerin Ioanna Avraam als Zulméa immer wieder. Mit kokettem Charme erobert sie Birbanto und hilft willig bei seinen Intrigen gegen Conrad. Birbanto stirbt im letzten Akt durch Conrad, was mit der armen Zulméa passiert, erfährt man nicht. Immer wieder gern gesehen sind auch die vier Solistinnen im „Garten“: Allen voran die schöne dunkeläugige Anita Manolova, eine verlässliche Halbsolisten, die mir in jeder Rolle positiv auffällt. Mihail Sosnovschi begeistert als Bösewicht Lanquedem.Die in Bulgarien geborene Tänzerin ist seit 2010 im Ensemble, 2014 hat Legris sie zur Halbsolistin ernannt. Sie ist auch ausgebildete Tanzpädagogin, vielleicht tanzt sie deshalb immer wieder so famos im Quartett mit den Küken. Diesmal waren das Rikako Shibamoto, Xi Qu und Alaia Rogers-Maman. Alle vier meisterten die schwierige Beinarbeit des Pas de Quatre mit Rasanz und Delikatesse. Es wäre ein Jammer, wenn sie nicht mehr in Wien zu sehen wären.

Der gesamte Abend hat pure Freude bereitet. Die Perfektion der Tänzerinnen und Tänzer des Wiener Staatsballetts und die Geschlossenheit dieses Ensembles – „prestigious / angesehen“, habe ich im Web gelesen – löschen das Unbehagen über die üble Geschichte, in der Verbrecher als Helden gefeiert werden und Frauen nur Spielzeug oder Ware sind, gnädig aus.

„Le Corsaire“, Ballett in drei Akten. Choreografie: Manuel Legris nach Marius Petipa und anderen. Bühnenbild: Luisa Spinatelli. Musik: Adolphe Adam und andere, ausgewählt von Manuel Legris und zusammengestellt von Igor Zapravdin. Musikalische Einrichtung: Thomas Heinisch und Gábor Kerény. Choreografische Assistenz: Albert Mirzoyan. Dirigent: Valery Ovsyanikov.
Mit Liudmila Konovalova, Kiyoka Hashimoto, Ioanna Avraam; Davide Dato, Mihail Sosnovschi und Kimin Kim als Gast. Letzte Aufführung am 3. Jänner 2020. Wiener Staatsballett in der Staatsoper.
Fotos: Ashley Taylor. © Wiener Staatsballlett / Ashley Taylor.