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Vittucci, Turinsky, Sobottke: „We Bodies“, WuK

Turinsky, Sobottke, Vittucci: "We Bodies". © Ulli Koch

Das Monströse wählten die Tänzerinnen Teresa Vittucci und Claire Vivianne Sobottke gemeinsam mit dem Tänzer Michael Turinsky als thematische Grundlage für ihre Performance „We Bodies“, die im Tanzhaus Zürich uraufgeführt worden ist und nun im WuK gezeigt wird. Eine Vorstellung, in der sich drei unterschiedliche Körper zu den elektronischen Klängen des in Berlin lebenden Komponisten und Choreografen Tian Rotteveel bewegen.

Die Körper als Knäuel, im Hintergrund ein Fremdkörper aus Stoff.  © Karrer FreiburghausDas Monster, genauer gesagt, das Monströse, hat die Menschen immer schon fasziniert, vor allem als Maßstab für die Einordnung und Normierung des eigenen Körpers. Dort ist das Monster – noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts und auch gegen Ende in André Hellers Varieté „Flic Flac“ in der Arena ausgestellt und zum Begaffen frei gegeben –, hier bin ich. Dort das Außergewöhnliche, aus der Norm Gefallene, hier die Mehrheit, das Normale. In diesem Kontext bewegen sich die drei Körper außerhalb der Norm, werden vom affektiven, auch unheimlichen Sound Rotteveels angetrieben, Gliedmaßen und Gesichtszüge scheinen nicht mehr dem Willen der kriechenden, hüpfenden, einander neckenden, küssenden, beißenden Wesen zu gehorchen. Dazwischen gibt es auch fröhliche Bi-Ba-Butzemänner, die im Kreis herumspringen, An den Reglern Komponist Tian Rotteveel. © Ulli Koch sich die Hüllen vom Leib schälen und neue anlegen. Wenn die Musik nicht mehr aus dem Untergrund kommt, sondern zwitschernd und singend in die Natur entführt, kann man sie sogar liebhaben, den Mann im Pelz, dessen Gesicht von einem Spitzentuch (Brautschleier?) verhüllt ist; das Alf-ähnliche Wesen in einem Federkleid, das direkt vom Planeten Melmac herbei geschneit sein kann, oder die fidele Terroristin, deren schwarzes  Gesichtstuch eher für den Maskenball als zum Erschrecken taugt.

Anna Wohlgemut und Lilli Unger haben den weißen Bühnenraum mit zwei schräg stehenden Spiegeln und einer dritten Fläche aus opakem Rauchglas gestaltet, in einer Ecke liegen Stoffberge als Körperdoubles, eines davon zieht sich Sobottke über, aus der eleganten Tänzerin wird ein unförmiges Michelin-Männchen.
"Weißt du, wer ich bin?" ©  Karrer FreiburghausEs ist die Arbeit des Musikers Rotteveel, der das wechselnde Spiel der drei Körper, nackt oder verhüllt, aggressiv oder zärtlich, miteinander kommunizierend oder ganz für sich allein, interessant macht. Perfid wird der Flirt mit dem Monster durch die Mitwirkung von Michael Turinsky, dessen Körper sich durch eine Krankheit jeglicher Normierung entzieht, sich in seinen (beschränkten) Bewegungsmöglichkeiten als eines der im Stück zitierten Monster zu erkennen gibt. Doch Turinsky ist ein souveräner Tänzer (und auch Theoretiker) und bewegt sich sicher auf der Bühne, gegen ihn haben die beiden als „Monster“ maskierten, züngelnden und spuckenden Frauen keine Chance, wirken wie tanzende, ihren Körper ausstellende Kasperln.

Nach 30 Minuten hat sich jedoch mein Interesse merklich erschöpft. Die Frage nach der Wirkung, Ausgrenzung, Notwendigkeit des „Monströsen“ ist längst gestellt, Die "Bodies" in Ruhestellung: Sobottke, Turinsky, Vittucci. © Karrer Freiburghauswenn auch nicht ehrlich zu beantworten. Trotz der starken Bühnenpräsenz der drei Körper und ihrer auch mimischen Ausdrucksfähigkeit (grausige, gemeine, liebevolle, endlose Geschichten kann Vittucci allein mit ihren funkelnden Augen erzählen), kann ich nicht erkennen, worauf das Trio hinaus will. Irgendwie zerrinnt die als Gewitter begonnene Performance allmählich in sanften Dauerregen, bis sie mit dem Gesang des dreifachen Chors endet.

In ihrem Magazinbeitrag erzählt die Schauspielerin und Tänzerin Sobottke vom mehrere Jahre dauernden Entwicklungsprozess für „We Bodies“ und meint: „Unser Prozess, die damit verbunden Fragen und Konflikte, waren mir wichtiger als das ‚Produkt‘, das Stück, das dabei entstanden ist.“ So scheint es mir auch.

„We Bodies“, Choreografie, Performance: Teresa Vittucci, Michael Turinsky, Claire Vivianne Sobottke. Musik: Tian Rotteveel. Szenografie: Anna Wohlgemut, Lilli Unger; Technische Leitung, Licht: Lukas Sander. Produktion: groundworkers | Kira Koplin. Premiere: 16. Oktober 2019, WuK.
Zwei weitere Vorstellungen: 18., 19. Oktober 2019.