Tanzschrift

  • Pinnwand
    • Aktuell
  • Bühne
  • Panorama

Suche

„Time*Sailors“ – Die Uhr wird zurückgedreht

Kräftemessen in "Time*Sailors IV"

Mit einer neuen Crew startet das Schiff der Zeitreisenden auch im Dschungel Wien. Bert Gstettner / Tanz*Hotel zeigt für Heranwachsende tapfere Männer, die es mit Wind und Wellen aufnehmen und allen Ungewittern trotzen. Doch im Männlichkeitswahn hat es Risse gegeben, die Männer, die 1995 stampfend und brüllend begeistert haben, sind ein Vierteljahrhundert älter geworden, manche haben Bäuche. Auf der Bühne arbeitet eine junge Crew, als wären wir noch im vorigen Jahrhundert.

Weiterlesen ...

Ditta Rudle

Doppelporträt: Zwei, die einander fremd waren.

Der Schweizer Erzähler Lukas Hartmann. © Regine Mosimann

Ökonomie des Erzählens: Zwei Porträts in einem Rahmen. Der Schweizer Autor Lukas Hartmann widmet zwei Personen einen biografischen Roman, die miteinander nicht viel mehr miteinander zu tun haben als die Zeit, in der sie gelebt haben und ihre Verbindung zum Kommunismus. „Ins Unbekannte. Die Geschichte von Sabina und Fritz“ nennt Hartmann dieses Doppelporträt zweier unterschiedlicher Personen, die einander nie wissentlich begegnet. Gemeinsam haben sie das Todesjahr 1942. Die Jüdin Spielrein wird in Rostow von den Nazis ermordet, Platten von Stalins Schergen im sowjetruissischen Straflager Lipowo.

Weiterlesen ...

Ditta Rudle

„Soul Chain“: Auch Maschinen zeigen Emotionen

"Soul Chain": Aufmarsch auf Halbspitze.

Aus dunklem Nebel tänzeln Gestalten auf Zehenspitzen, paarweise, einzeln, zu dritt. 17 Tänzer:innen der Compagnie Tanzmainz defilieren über die große Bühne im Festspielhaus Sankt Pölten: „Soul Chain“, eine Kette von Seelen oder Seelen in Ketten, ist ein umwerfendes Ballett, von der israelische Tänzerin und Choreografin Sharon Eyal 2017 für Tanzmainz geschaffen. Nach 50 Minuten reißt die geballte Kraft der Company das überwältigte Publikum von den Sitzen, lautstark und anhaltend macht sich die Menge Luft.

Eine Seelenkette? Oder doch, eingekette Seelen. In jedem Fall intensiver Tanz. Nach dem Einmarsch auf Halbspitze ballen sich die 17 Tänzer*) – scheinbar nackt, in hautfarbenen Trikots und ebensolchen Strümpfen, geschlechtslos*), jedoch nicht emotionslos – zum Schwarm. Eine unsichtbare Kraft treibt sie an, Aliens könnten sie sein, programmierte Avatare, zu körperlichen Höchstleistungen gepeitschte Autisten. Halbspitze und tiefes Plié für die Fortbewegung zerren auch beim Zuschauen an allen Sehnen und Fasern. Immer wieder löst sich eine Figur aus dem Schwarmkörper, versucht die Gruppe zu dirigieren oder will endlich für sich selbst sein. Herzergreifend: Vor Schmerzen gekrümmt. Der Maschinenkörper, das ist bald klar, besteht aus 17 Individuen, die im Gleichklang der abgezirkelten, oft ruckartigen Bewegungen ihre unterschiedlichen Emotionen zeigen. Sharon Eyal war bis 2008 Mitglied der Batsheva Dance Company und hat von deren Leiter, Ohad Naharin, die von ihm entwickelte Bewegungssprache Gaga übernommen. 2020 hat sie sich im Festspielhaus Sankt Pölten mit dem Ballet BC Vancouver mit der Choreografie „Bedroom Folk“ vorgestellt. „Das spezielle Gaga-Training und die Art, wie Sharon mit uns arbeitet, hat alle meine Sinne total geschärft“, wird im Programmheft die Tänzerin Amber Pansters zitiert.
Die Körper biegen und krümmen sich, vorwärts und rückwärts, driften auseinander, um sich schnell wieder im Gleichschritt zu finden. Oft liegen die Hände auf dem Bauch, als ob dort der Schmerz säße. Der Brustkorb wölbt sich, die Hüften knicken ein, der Rücken biegt sich konvex, Fäuste schießen nach vorn, verschwinden hinter dem Rücken. Keinen Stillstand, die Körper sind ständig in Bewegung, pausenlos zappeln die Beine, rudern die Arme, verschieben sich die Hüften, rollen die Schultern, heben sich Arme, bleiben in der Luft hängen. Gefühlte 20 Minuten, erzählt Maasa Sakano, muss sie ihren Arm hochhalten. Die Beine bleiben in Bewegung. In einer fast fröhlichen Szene werden die Frauen von den Männern in die Höhe geworfen.
Die Begegnung ist nur kurz, doch keineswegs zufällig.50 Minuten lang sind die Körper angespannt, die Spannung erfasst auch die Beboachter:innen im Saal. Angestachelt von den pulsierenden Beats steigert sich auch die Intensität der bewegten Körper. Das ständige Drängen der Musik und der geballten, ruhelosen Körper wird zur Droge, erzeugt eine meinem Körper Rausch und Beklemmung. Ein Effekt, den auch Ravels „Bolero“ hervorruft. Ein Tänzer rollt lange, unaushaltbar lange den Kopf. Eine autistische Bewegung, unerträglich, schmerzhaft, ich möchte schreien, kann nicht mehr hinsehen. Es muss Erlösung geben. Mit einem Knall überfällt mich die Stille, urplötzlich ist es schwarz vor den Augen, der Vorhang ist gefallen. Die ersten Erlösungsschreie erklingen aus den hinteren Reihen im Saal. Fast eine lockere Passage: Frauen werden in die Höhe geworfen. Der perfekte Umgang mit der Zeit, die Präzision der Compagnie Tanzmainz, die nahezu nicht menschenmöglichen Bewegungen der Tänzer in dieser erregenden Choreografie, die keinen Unterschied zwischen Frauen und Männern erlaubt, machen den Abend zu einem einmaligen Erlebnis. Dass dabei das Glückserlebnis, das Tanz, ob klassisch, auf Sitze oder zeitgenössisch, frei beschert, ausbleibt, muss dieser Ausnahmechoreografie nachgesehen werden. Jedenfalls haben wir mit Tanzmainz eine exzellente, disziplinierte, gut trainierte Compagnie gesehen. Vor einer Woche, Sidi Larbi Cherkaoui mit seiner Company Eastman, jetzt Sharon Eyal mit Tanzmainzim Festspielhaus Sankt Pölten;  am 11. November kommt die mit einem Silbernen Löwen der Tanzbiennale in Venedig ausgezeichnete junge Choreografin Oona Doherty mit zwölf Tänzerinnen aus Belfast ins Festspielhaus Sankt Pölten. Es gibt ihn noch, den Tanz und auch das Ballett.

Tanzmainz / Sharon Eyal: „Soul Chain“
Choreografie: Sharon Eyal, Künstlerische Beratung: Gai Behar.
Kostüme: Rebecca Hytting; Komposition: Ori Lichtik; Licht und Bühne: Alon Cohen; choreografische Assistenz: Rebecca Hytting, Tom Weinberger.
Tanz: Elisabeth Gareis, Daria Hlinkina, Cassandra Martin, Nora Monseccour, Amber Pansters, Maasa Sakano, Marija Slavec-Neeman, Milena Wiese, Zachary Chant, Paul Elie, Finn Lakeberg, Christian Leveque, Federico Longo, Jaume Luque Parellada, Cornelius Mickel, Matti Tauru, Alberto Terribile.
Fotos: © Andreas Etter.
Premiere: 28. Oktober 2017, Staatstheater Mainz. Gastspiel im Festspielhaus Sankt Pölten, 15. Oktober 2022.
*) In dieser Aufführung haben die Tanzenden nur ein generisches Geschlecht: Tänzer

In Wien darf getanzt werden, in Teheran nicht

Tanzen und Springen im Gleichklang: "Tarab"

Ulduz Ahmadzadeh: „Tarab“ im Tanzquartier. Endlich wird einmal!  Im Tanzquartier wird getanzt, richtig getanzt. Worte braucht es keine. Der Körper erzählt, tanzt und springt zu aufwühlenden Rhythmen und in der Stille. Großartig! Ulduz Ahmadzadeh, geboren im Iran, in Wien lebend und arbeitend, erforscht mit sieben Tänzer:innen ihrer Gruppe ATASH عطش contemporary dance company alt Tänze aus vorislamischer Zeit und begeistert samt dem Perkussionisten, Mohammad Reza Mortazavi, das Publikum in der gefüllten Halle G / Tanzquartier.

Weiterlesen ...

Ditta Rudle

Anders als gedacht: Liebe macht Jolanthe sehend

Andrey Kaydanovskiy bei der Probe.

Zwei Seiten einer Medaille zeigt die Volksoper, indem zwei im selben Jahr entstandene Werke Peter I. Tschaikowskys ineinander verwoben werden. Die Oper „Jolanthe“ und das Ballett „Der Nussknacker“, auch am selben Abend, dem 18. Dezember 1892, allerdings hintereinander, im Mariinski-Theater in St. Petersburg uraufgeführt. Volksopernintendantin Lotte de Beer inszeniert gemeinsam mit dem Choreografen Andrey Kaydanovskiy, Omer Meir Wellber dirigiert, das Publikum applaudiert begeistert.

Weiterlesen ...

Ditta Rudle

Oona Minoo: Am Flügel mit ausgebreiteten Flügeln

Oona Minoo tanzt mit dem Flügel.

Sie ist jung, sie ist ambitioniert, sie spielt Klavier, tanzt und komponiert. Auf ihren Dokumenten steht Una Wiplinger. Als multitalentierte Künstlerin nennt sie sich Oona Minoo. Im Porgy & Bess hat sie vor einer auserlesenen Schar von freundlich gesinntem Gästen einen Soloabend gewagt. Oona / Una allein mit dem schwarzen Flügel. Genregrenzen lässt sie nicht gelten, alle ihre Talente will sie in der knappen Stunde zeigen. Also drückt sie die Tasten, plaudert aus dem Leben und turnt mit dem Piano.

Weiterlesen ...

Ditta Rudle

Seite 10 von 13

  • 4
  • 5
  • 6
  • 7
  • 8
  • ...
  • 10
  • 11
  • 12
  • 13
  • Aktuelle Seite:  
  • Startseite

Letzte Artikel

  • Runter von der Bühne, raus aus dem Haus
  • Grete Wiesenthal inspiriert den aktuellen Tanz
  • Die Kühnheit der Bildnismalerei – Gabriele Münter
  • Gefühle aus der Herzsaftpresse
  • Ein Geschwisterpaar sucht den Frieden

Archiv

  • August, 2022
  • Juli, 2022
  • Juni, 2022
  • Mai, 2022
  • April, 2022
  • März, 2022
  • Ältere Beiträge

  • Impressum
  • Über Ditta Rudle

Back to Top

© 2023 Tanzschrift