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Yosi Wanunu über „The Bruno Kreisky Lookalike“
Der in Israel geborene Theaterleiter, Regisseur und Autor Yosi Wanunu kam 1997 von New York nach Wien. Seither leitet Wanunu hier mit großem Erfolg das freie Theaterensemble Toxic Dreams.
Angela Heide sprach mit dem vielbeschäftigten Künstler anlässlich der bevorstehenden Premiere von The Bruno Kreisky Lookalike im Wiener WUK über dessen Arbeitsweise und die „Vernetflixierung“ des Theaters.
Angela Heide: Sie arbeiten in thematischen „Zyklen“, wie kann man sich das vorstellen?
Yosi Wanunu: Das Arbeiten in Zyklen bietet die Möglichkeit, uns in längeren Zeiträumen mit einem Schwerpunkt auseinanderzusetzen, der auch die Form unserer Arbeiten prägt. Ein Zyklus umfasst meist um die vier Jahre, in denen wir uns einem Komplex von unterschiedlichen Seiten zuwenden und mehrere Arbeiten dazu entwickeln.
Sie arbeiten meist parallel an mehreren Stücken. Schreiben diese selbst oder im Kollektiv?
Beides. The Bruno Kreisky Lookalike habe ich zum Beispiel selbst geschrieben, andere Stücke sind aus dem Ensemble heraus entstanden. Oft schreibe ich Stücke auch um, sobald ich sie dem Ensemble vorgestellt und von diesem wesentliche Inputs bekommen habe; oder wir geben Showings in kleineren Kollegenkreisen und verändern das Stück auf Basis der Feedbacks. Jede Produktion hat im Grunde einen anderen Entstehungsverlauf.
Wie sind Sie auf die Idee gekommen, eine Theater-Serie über Bruno Kreisky zu entwickeln?
Wir haben mit der Arbeit am Konzept bereits vor zwei, drei Jahren begonnen, als jede*r um uns herum angefangen hat, Serien anzuschauen. So kam auch die Idee, eine Sitcom für das Theater zu machen, die sich über mehrere Spielzeiten hinweg entwickelt und in jeweils mehreren Episoden an einem Abend zur Aufführung kommt. Erst danach dachte ich an das Thema, und mir wurde klar, dass ich dafür sehr gerne etwas sehr „Österreichisches“ wählen wollte ‒ und das war der Moment, an dem mir Bruno Kreisky in den Kopf kam, der in meiner Jugend neben Willy Brandt einer meiner „Heroes“ gewesen war.
War zu diesem Zeitpunkt klar, wie brisant diese Produktion sein könnte?
Tatsächlich haben wir mit der Sitcom zu einem Zeitpunkt begonnen, an dem weder Trump in den USA noch die derzeitige Regierung in Österreich Realität waren. Hier hat uns die Weltpolitik tatsächlich eingeholt, und wir haben das Konzept ‒ auch das eine Möglichkeit, die uns die Arbeit in mehrjährigen Zyklen bietet ‒ dahingehend umgearbeitet, ohne uns zu zwingen, „tagesaktuell“ zu sein. Die zentrale Frage ist: Was passiert, wenn du diesen eminenten Vertreter des „goldenen Zeitalters“ der Sozialdemokratie in die Welt des heutigen durchkommerzialisierten Neoliberalismus setzt und ihn zum Zentrum mehrerer, auch internationaler Werbekampagnen der neoliberalen PR-Slogan-Glitzerwelt machst? So kam ich auf die Idee des „Kreisky-Lookalikes“. Es geht also um jemanden, der nicht Kreisky ist, aber letzten Endes so behandelt wird, als wäre er Kreisky.
Wie sieht die konkrete Umsetzung der Sitcom für die Bühne aus?
Jede Folge der Serie wird in ihrer Liveversion wie eine klassische Rehearsal-Show für eine Netflix-Produktion vor Publikum aufgebaut sein, zum Beispiel mit den genretypischen Commercials, Applauseinspielungen und Publikumsanweisungen.
Ist das Stück „politischer“ geworden als ursprünglich konzipiert?
Bei allen Projekten, die im aktuellen Zyklus „Real Fiction“ entstehen, geht es um diese „große Erzählung“, aber im konkreten Fall von The Bruno Kreisky Lookalike hat uns die Geschichte schon eine gewisse Schwerpunktverlagerung hin zum politischen Narrativ beschert ‒ wobei in der Grundsätzlichkeit natürlich das eine immer das andere bedingt.
Inwiefern ist das Thema Politik ein wesentlicher Teil Ihrer künstlerischen Arbeit?
Politik ist ganz zentral in meinem Denken, aber eben nicht Tagespolitik. Für mich ist der große politische Ansatz in meinem gesamten künstlerischen Œuvre, dem Publikum in unseren Produktionen die Chance zu geben, irritiert zu sein, nicht zu „wissen“, ihre eigenen Antworten zu finden, nachzudenken. Mehr und mehr habe ich den Wunsch empfunden, eine Form der Zusammenkunft zu kreieren, um gemeinsam Zeit zu verbringen. Die Produktion muss dabei nicht immer perfekt sein, manchmal ist sie auch anarchisch, verwirrend. Doch mit den Jahren haben wir eine Art Community geschaffen, die unsere Arbeiten verfolgt und sich Projekt für Projekt über ihren eigenen Zugang entscheiden kann.
Die Art, etwas zu tun, ist für mich das Politischste an der künstlerischen Arbeit.
Sie sind für Ihre künstlerische Kompromisslosigkeit bekannt. Hat diese auch mit der Entscheidung für längerfristige Arbeitsprozesse zu tun?
Wogegen ich mich seit Beginn meiner Theaterarbeit kontinuierlich gewehrt habe, ist, mich Moden und Trends zu ergeben. Wir haben uns entschieden, unseren Weg zu gehen, und dass es funktioniert, hat uns in den letzten 20 Jahren immer wieder bestärkt, diesen Weg kompromisslos weiterzugehen.
Wenn ich etwas tue, das besonders erfolgreich ist, dann will ich unbedingt danach etwas tun, das mich selbst wieder in Unruhe bringt.
Toxic Dreams: “The Bruno Kreisky Lookalike”, A Sitcom in 10 Episodes: Episode 1‒3.
Text und Regie: Yosi Wanunu; Bühne: Paul Horn; Musik: Michael Strohmann; Video: TimTom, Michael Strohmann; Produktion: Kornelia Kilga; mit: Markus Zett, Susanne Gschwendtner, Anna Mendelssohn, Isabella-Nora Händler, Dominik Grünbühel, Stephanie Cumming, Anat Stainberg und anderen. Premiere: 17. November 2018, WUK.
Weitere Vorstellungen: 18. – 24. November 2018.
toxicdreams.at
www.wuk.at