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Wiener Festwochen 2021 in zwei Teilen

"Lavagem" von Alice Ripoll mit Cia REC. © Renato Mangolin

Auch wenn, wie üblich, Mitte Mai die Wiener Festwochen eröffnet und später Musik, Theater, Tanz, Performance und Ausstellungen angeboten werden, ist diesmal nichts wie jedes Jahr seit 70 Jahren. Das Eröffnungskonzert am 14.Mai auf dem Rathausplatz ist zwar dem runden Geburtstag gewidmet, doch Intendant Christoph Slagmuylder blickt lieber nach vorn als zurück. Die Frage, wie es sein wird, ist ihm wichtiger als die, wie es war. Zurecht. Da passt Florentina Holzinger, die für die Eröffnungsshow einen Festzug mit Akrobatinnen und Maschinen choreografiert hat, gut dazu. Am 14. Mai beginnt auch der Kartenverkauf.

Das Hauptprogramm dehnt sich bis in den Herbst. Es wird in zwei Teilen präsentiert, vom 3. Juni bis 30. Juli und von Ende August bis Ende September. Für das Publikum von Tanz und Performance wird die private Planung ab Mitte Juli schwierig, denn da beginnt das ImPulsTanz Festival.
Festwochen-Ausstellung in der Kunsthalle.  Jim Denomie Oz: "The Emergence",  2017.  © Collection of Minnesota Museum of American ArtEs muss sicher nicht betont werden, dass diese 70. Wiener Festwochen ganz besondere sind. Nicht nur in der Planung, Organisation und Produktion, die heuer besonders schwierig und wohl auch aufwendig waren, sondern auch für das Publikum. Das zeigt sich schon bei der Eröffnung. Sie findet ohne Zuschauer:innen statt. Stattdessen werden Fernsehkameras und Mikrofone samt allen die die Geräte bedienen, anwesend sein. Das festlich gestimmte Volk, das alljährlich auf den Rathausplatz geströmt ist, bleibt auf der Couch und dreht das Fernsehgerät auf: Festzug und Konzert – Musik aus drei Jahrhunderten mit künstlerischen Botschaften aus der facettenreichen Festwochen Geschichte – werden von ORF 2 und 3sat übertragen. (14.5., 21,20 Uhr)
Danach allerdings sind, falls COVID-19 nicht querschießt, bei allen geplanten 34 Produktionen Zuschauer:innen, Zuhörer:innen und mitunter auch Teilnehmer:innen erwünscht. Festwochen-Intendant Christoph Slagmuylder sieht die Festwochen nicht nur als Plattform für neue Gedanken und gemeinsames Reflektieren, sondern auch als Raum für Begegnungen und Austausch. Dazu bedarf es der Live-Aufführungen mit Publikum und Applaus. Markus Schinwald inszeniert einen Totentanz. © Markus Schinwald Die beiden Ausstellungen – „And if I devoted my life to one of this feathers?“ mit Werken von 35 Künstler:innen aus aller Welt in der Kunsthalle; „Here“ in der Secession bewegen sich sechs Tänzer:innen in einer Choreografie von Maria Hasabi so langsam, dass sie zu Skulpturen werden – sind ab 14. Mai während der Öffnungszeiten der Ausstellungshäuser zugänglich.
(Kunsthalle: bis 26.9., Secession: bis 20.6.)
Tanz und Performance sind im Programm gut vertreten.
Ob Edel- oder Bettelmann, alle kommen dran, wenn der Sensenmann ruft. Markus Schinwald erinnert auf der Bühne daran. © M. SchinwaldDer bildende Künstler Markus Schinwald beschäftigt sich Anfang Juni mit dem mittelalterlichen Totentanz, zu dem er so renommierte Künstler:innen wie Linda Samaraweerová, Oleg Soulimenko oder Evandro Pedroni samt vielen anderen eingeladen hat. Im F 23 hat er ein System aus fragmentierten Wänden entwickelt, die sich wie eine Membran um das Publikum legen, durchlässig nur für die Körper der Performer:innen. Begleitet wird die makabre Prozession von einer neuen Komposition von Matthew Chamberlain für 23 Musiker:innen des Ensembles PHACE. (4., 5., 6.6.).
Philipp Gehmacher zeigt im Jugendstiltheater am Steinhof sein neues Stück, The „Slowest Urgency“ (Die langsamste Dringlichkeit), in dem er seine choreografische Praxis reflektiert, testet, teilt und übergibt sene Sprache erstmals einer neuen Generation von Tänzer:innen. Mitwirkend: Juan Pablo Cámara, Roni Katz, Andrius Mulokas Elizabeth Ward. (4.–6.6.)
Marlene Monteiro Freitas inszeniert auf Einladung der Festwochen zum ersten Mal ein Werk des musikalischen Standard-Repertoires: „Pierrot lunaire“ von Arnold Schönberg. Arnold Schönberg: Blaues Selbstportrait, 1910. ©  Arnold Schonberg Center1912 hat der Komponist 21 Gedichte aus Albert Girauds gleichnamigem Zyklus vertont. Gemeinsam mit dem Dirigenten und Schönberg-Experten Ingo Metzmacher und der experimentellen Vokalistin Sofia Jernberg vereinnahmt Freitas das ikonische Werk der musikalischen Moderne für ihre einzigartigen visuellen Abenteuer. Ein Zustrom an Fans der Choreografin ist zu erwarten, die Veranstaltung findet im Museumsquartier / Halle E statt (16.–18.6.). Bei Gustav Mahlers sinfonischem Liederzyklus „Das Lied von der Erde“ wird zwar nicht getanzt, doch wie „Pierrot lunaire“ ist auch Regisseur Philippe Quesnes Interpretation der Komposition ein Auftragswerk, bei dem es auch genügend zu schauen gibt. Reinbert de Leeuw († 2020) hat eine Kammermusikfassung erstellt, Emilio Pomárico dirigiert im Volkstheater die Musiker:innen des Klangforums. Eine intensive Auseinandersetzung mit dem Lebendigen selbst kombiniert Quesne mit feiner visueller Poesie und aktualisiert dabei die kontemplativen Naturbeschreibungen, die Mahlers Komposition zugrunde liegen. (26.–28.6.)
Szene aus "Lavagem" von Alice Ripoll / Cia REC. © Renato MangolinDie Brasilianerin Alice Ripoll und ihre Compagnie Cia REC sind Festwochenbesucher:innen keine Unbekannten mehr, schon 2019 zeigte sie mit den Tänzer:innen, die in den Favelas aufgewachsen sind, das eindrucksvolle Stück "aCORdo". Diesmal ist die Bühne mit Wasser, Seife und Lauge gefüllt, die Tänzer:innen rutschen und rudern, sie müssen sauber machen. Die, die bezahlen können, lassen ihren Dreck von anderen wegräumen. „Lavagem / Waschen“ wird von sechs Tänzer:innen im brut nordwest gezeigt. (28.–30.6.)
Eszter Salamon zeigt aus ihrem choreografischen Archiv die 6. Ausgabe: „Monument 0.6: „Heterochronie“. Durch die Verbindung verschiedener historischer Zeitstränge und Praktiken weckt Salamon Erinnerungen an vergangene kollektive Kämpfe und fragt, welche Formen von Widerstand uns heute inspirieren. Monument 0.6 von Eszter Salamon. © Dirk Rose Sechs Tänzer:innen erinnern in der Halle G an den sizilianischen Unabhängigkeitskampf von 1848 und auch an die Mumifizierungstechniken, die in den Katakomben von Palermo bis 1920 praktiziert worden sind. Eine Montage aus akustischen Körpern, choreografierten Skulpturen und polyfonen Melodien lässt die Bühne zum Imaginationsraum neuer Wirklichkeiten werden, zu einem lebendigen Monument. (11.–13.7.)
Michikazu Matsune verbindet Mitsuko und Mitsouko und eine Parfumkreation zu einer Performance. Photo: Susanna HoferZu Beginn des 2. Teils der heurigen Festmonate wird Michikazu Matsune die Verbindung zwischen der Romanfigur Mitsouko Yorisaka, die sich im Russisch-Japanischen Krieg in einen britischen Marineoffizier verliebt, und der Großmutter der österreichischen Journalistin und Autorin Barbara Coudenhove-Kalergi, Mitsuko Aoyama (1874–1941) herstellen. Den Duft der Performance versprüht das 1919 kreierte Parfum Mitsouko (Guerlin). Matsune ist selbst eine lebende Verbindung der Gegensätze: Geboren in Japan, lebt er seit mehr als zwanzig Jahren in Wien und versteht es, sein Publikum mit Esprit, Charme und Verstand ernsthaft zu unterhalten und humorvol zul inspirieren. Diesmal im Kasino am Schwarzenbergplatz. (25.–27.8.)

Wiener Festwochen 2021, in zwei Teilen bis Ende September. Der Kartenverkauf für den ersten Teil, Juni + Juli, beginnt am 14. Mai 2021. Online, telefonisch oder an der Tageskasse im Foyer der Hallen E+G. Für August / September startet der Kartenverkauf später.
Alle Informationen, einschließlich der Spielorte und allem Wichtigen Corona betreffend, finden Sie auf festwochen.at
Kursiv erscheinende Texte sind Zitate aus den Veröffentlichungen der Wiener Festwochen.