Zum Hauptinhalt springen

Viennale ’19 – Gäste, Feste, Filme, 23.10 – 6.11.

Les Enfants d‘Isadora von Damien Manivel

Eva Sangiorgi, die Direktorin des internationalen Filmfestivals Viennale, scheint in Wien angekommen zu sein. Musste sie im Vorjahr, wie übrigens auch der damals neue Intendant der Wiener Festwochen, Christophe Slagmuylder, in kurzer Zeit ein bereits vorgeplantes Programm zustande bringen, so konnte sie heuer ihr Wissen und ihre Vorlieben mit voller Kraft und in relativer Ruhe einsetzen. Das ist zu bemerken. Mir scheint das Programm 2019 runder und besser überschaubar. Besonders erfreut dürfen auch Tanzaffine sein, denn es gibt einige Filme, die sich mit Tanz oder Tänzerinnen beschäftigen.

"Porträt einer jungen Frau in Flammen" mit Adèle Haenel (die Braut, die porträtiert werden soll) und Noémie Merlant (Marianne, die Malerin).Eröffnet wird jedoch mit einem Film über Leidenschaft und Liebe, über Malerei und so nebenbei auch über Kostümkunde. „Portrait de la jeune Fille en feu / Porträt einer jungen Frau in Flammen“ von Céline Sciamma spielt nämlich im 18. Jahrhundert, als Töchtern noch ein Ehemann ins Bett gelegt worden ist, den sie noch nie gesehen haben. Dieser Film, ebenso wie der erste englischsprachige Film von Jessica Hausner, „Little Joe“, eine Psycho-Horror-Hochschaubahn, kommt aber schon demnächst ins Kino, also muss ich mich nicht um Karten raufen. „Frau in Flammen“, Kinostart am 13.12.2019; „Little Joe“ starte am 1.11. d. J.

"Ema" mit Maria Di Girolamo und Gael García Bernal. Da auch „Ema“ des Chilenen Pablo Larraín im Verleih von Filmladen ist, wird auch diese Geschichte über die beiden Unangepassten, den Choreografen Gastón und die Tänzerin Ema (Maria Di Girolamo,) im Kino landen. 2020 werde ich ohne Gedränge das „fulminante Raggaeton-Dance-Musical“ (Vorschau im Viennale-Programmbuch) sehen können. Festivaltigerinnen haben vielleicht noch eine Chance am 24.10., 23 Uhr oder am 25. um 12.30, jeweils im Gartenbaukino. 
Kaum ist die Eröffnungsparty abgefeiert, geht’s los mit dem Kampf um die Karten: „And then we danced / Als wir tanzten“ ist ein Film aus Georgien und Schweden von Levan Akin, der sich nicht nur mit dem georgischen Nationaltanz beschäftigt, sondern auch mit der plötzlich entflammenden Liebe, die der Protagonist Merab (Levan Gelbakhiani) aber geheim halten muss. "And then we danced" mit Bachi Valishvili (Irakli, der Neue in der Truppe) und Levan Gelbakhiani (Mrab, der sich verliebt).Sie passt nicht zum Männlichkeitsbild im traditionellen georgischen Tanz. Schön reimt Thomas Mießgang im Programmbuch der Viennale. „Lust und Leistung, diese aus zahlreichen Tanzfilmen bekannte Konstellation …“, und Diego Lerer schreibt gleich darunter auf Englisch: „Das ist ein Film über zwei gegeneinanderstoßende Sehnsüchte, die nur gelöst werden können, in dem der Körper als Waffe benutzt wird. Eine Waffe der Zerstörung des Mannes.“ (31.10. / 1.11.)

"Die Kinder von Isadora", vier Tänzerinnen erforschen das Erbe der Wegbereiterin des modernen Tanzes, Isadora Duncan. „Les Enfants d’Isadora / Die Kinder von Isadora“ handelt, wie nicht schwer zu erraten ist, von Isadora Duncan (1877–1927) beziehungsweise von ihren Nachfolgerinnen. Doch der Titel ist doppeldeutig, denn die Wegbereiterin des Ausdruckstanzes hatte zwei Kinder, die im April 1913 in der Seine ertrunken sind. Doch von diesem schrecklichen Tod erzählt der Film nicht, sondern von anderen Kindern, nämlich den künstlerischen Erben der Tänzerin. Nach dem traumatischen Erlebnis choreografierte die Duncan das Solo „The Mother“. Ein Jahrhundert später konfrontieren sich vier unterschiedliche Tänzerinnen mit dieser persönlichen Choreografie. Mit seinem Film über den Tanz und zugleich die modernen Frauen in Frankreich, hat Damien Manivel in Locarno den Preis als bester Regisseur erhalten. Jede der vier Tänzerinnen – Agathe Bonitzer, Manon Carpentier, Marika Rizzi, Elsa Wolliaston – entwickelt in der Annäherung an die Tanzikone ihre ganz eigene Bewegungssprache. (1.11. / 3.11.)

"Lebend zu sein, und es zu wissen" mit der Schriftstellerin Emmanuèle Bernheim.Getanzt wird in „Être vivant et le savoir / Am Leben zu sein, und es auch zu wissen“ vermutlich nicht, denn der 88jährige französische Regisseur Alain Cavalier denkt über die Sterblichkeit nach. Ausgangspunkt ist die Biografie der 2017 verstorbenen Schriftstellerin Emmanuèle Bernheim, „Tout s’est bien passé“ („Alles ist gutgegangen. Hanser, Berlin 2014). Cavalier spielt selbst den Vater und kommentiert die Filmarbeit mit Bernheim. Ein leiser, schöner, trauriger Film. (29.10 / 4.11.) Natürlich würde ich auch gerne „Die Dohnal“ von Sabine Derflinger sehen, die 18 Uhr-Vorstellung am 1.11. im Gartenbaukino ist nahezu ausverkauft. Ich hoffe auf den Einsatz dieses Films über den Menschen und die Politikerin Johanna Dohnal, die für die Frauen in Österreich tapfer und unbeirrbar so Wichtiges geleistet hat. (Restkarten: 1.11. / zweite Vorstellung: 3.11., 16 Uhr, Metro).

"Dieser Film ist ein Geschenk" von Anja Salomonowitz mit Daniel Spoerri (im Bild). Unter „Features“ ist im Programmbuch auch der Film „Dieser Film ist ein Geschenk“ von Anja Salomonowitz mit Daniel Spoerri gereiht. Ich schreibe aus dem Programmbuch ab, was Lars Penning zu sagen hat: „Salomonowitz folgt Spoerris Gedanken vom Dasein als einen ständigen Kreislauf, verbindet Aspekte ihres eigenen Lebens damit (vom verstorbenen Vater bis zu Sohn Oskar, der hier auch mit Spoerri interagiert) und berührt dabei Fragen zur jüdischen Identität. Wie auch immer, ich mag einfach Daniel Spoerri, der in Hadersdorf am Kamp seine Skulpturen und Sammlungen ausgestellt hat und mir schon zwei wunderbare Aufenthalte im „Giardino di Daniel Spoerri“ geschenkt hat.
(Um Gerüchten vorzubeugen: In der Enge des "Leuchtturms ("The Lighthouse") bricht der nackte Wahnsinn aus: Willem Dafoe und Robert Pattinson. Den Aufenthalt, Speis und Trank haben wir bezahlt; das Geschenk ist die ziellose Wanderung durch den Garten und die Begegnung mit den Figuren und Installationen inmitten der Natur.) 2.11. Stadtkino / 5.11., Metro.

Warum alle Filme, die ich gerne sehen würde, gleich zu Beginn des Festivals laufen, versteh ich nicht ganz, und wie sich das ausgehen soll, weiß ich auch nicht. Jedenfalls stehen auf meiner Liste noch die Filme „L’Île aux Oiseaux / Die Vogelinsel“ von Maya Kosa und Sergio Da Costa (2. / 3.11.) und „The Lighthouse / Der Leuchtturm“ von Robert Eggers mit Willem Dafoe, Robert Pattinson und Valeriia Karaman als Meerjungfrau. (30.10. / 5.11.) „Marianne & Leonard: Words of Love“ von Nick Broomfield setze ich jetzt auch auf die Liste, obwohl ich ahne, dass die Cohen-Fans zwar nicht mehr in der Blüte ihrer Jugend, aber immer noch zahlreich sind. "Marianne & Leonard: Words of Love", Dokumentation von Nick Broomfield.Der Film über die Geschichte hinter dem bekannten Leonard-Cohen-Song „So long Marianne“ wird von der Wiener polyfilm verliehen, der Kinostart ist gesichert: 7.11.2019. Wer unbedingt früher mehr über Leonard Cohens Leben und Lieben erfahren möchte, muss sich für eine Viennale-Kinokarte anstellen. (25.10., 6.11.)
Ob ich es schaffe, diesen so dicht gedrängten persönlichen Viennale-Plan tatsächlich abzuarbeiten? Andererseits, es müssen ja nicht alle Wünsche erfüllt werden, unerfüllte Wünsche werden niemals mit einer Enttäuschung enden.

Viennale’19, 24. Oktober bis 6. November 2019. Viennale Kinos.
Das aktuelle Programm des Festivals wird durch ausgewählte Monografien, Kinematografien und Historiografien, die bedeutenden Persönlichkeiten, Genres oder Thematiken des internationalen Kinos gewidmet sind, fortgeschrieben und ergänzt.
Darüber hinaus veranstaltet die Viennale gemeinsam mit dem Österreichischen Filmmuseum jedes Jahr eine umfangreiche historische Retrospektive.
Überdies bietet die Viennale ein Rahmenprogramm an Diskussionen,  Lesungen und künstlerischen Interventionen sowie Ausstellungen und Konzerten. Auch Feste, Premierenfeiern, musikalische Events, auch  DJ-Lines und Partys gehören zum vielfältigen Geschehen des Festivals. Die Viennale Zentrale ist heuer in der Kunsthalle / Museumsquartier und täglich von 20 bis 4 Uhr früh geöffnet. Tickets.
Filmstill: © Viennale '19