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Matinee: Ballettakademie der Wiener Staatsoper
Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert. Alles in Butter an der Ballettakademie, Blumen für die geschäftsführende Direktorin, Simona Noja-Nebyla, der künstlerische Leiter, Manuel Legris, zeigte sich hingerissen, das Publikum klatschte sich die Hände wund, schließlich hüpfte der eigene Nachwuchs auf der Bühne. Das Schuljahr ist zu Ende, doch die Untersuchungskommission ist noch am Werk. Was soll’s, Schwamm drüber, Deckel drauf und die Hände in Unschuld gewaschen.
An den Elevinnen und Eleven ist nichts auszusetzen, besonders die 1. und 2. Klassen zeigen ihre Freude an der Bewegung, heben die Füße im Takt und wissen, wo sie sie wieder abstellen sollen. Noch kennen sie kein Lampenfieber, und der konzentrierte Ernst, mit dem Mädchen und Buben in der Mitternachtsszene des seit langer Zeit zu Unrecht an der Staatsoper eingemotteten Balletts „Die Puppenfee“ (Choreografie Josef Haßreiter, Musik: Josef Bayer, seit der Uraufführung 1888 am k. u. k. Hofoperntheater ist der Einakter allein in Wien 845 Mal aufgeführt worden) trippeln und sich verneigen, marschieren und springen, lässt manche Träne quellen. Einstudiert hat das Fragment in der rekonstruierten Fassung des Balletts von Gerlinde Dill und Riki Raab Silvia Tzankova. So weit, so nett.
Dann wurde ich mit einer Stunde Mozart gequält, wieder, wie die Musik Bayers, von der Maschine abgespielt, was besonders bei bekannter Musik schmerzhaft ist und den werdenden Tänzer*innen die Möglichkeit nimmt, sich mit einem lebendigen Orchester und dem Dirigenten / der Dirigentin auseinanderzusetzen. Wenn ein Teil einer Ballettaufführung tot ist, dann sehe ich nur noch mechanisches Gehopse. Vergnügen ist das keines. Immerhin dürfen die Elev*innen die große Bühne der Staatsoper kennenlernen und müssen sich nicht auf dem Steg in der Walfischgasse (Agrana Studiobühne) drängen und stoßen.
Eine Stunde Mozart kann sehr quälend sein. Die Choreografien dieser abschnurrenden Tänze, Menuette, Sonaten und Ouvertüren haben die Lehrkräfte gestaltet, vermutlich dem Können der Ausführenden angepasst. Eine frische Brise weht mit dem swingenden Papageientanz durch die Staatsoper. Die 8. Klasse hat die Choreografie für „Papagenesis“, komponiert und interpretiert vom Ensemble „Nouvelle Cuisine“ samt Christian Kronreif am Tenorsaxophon für den Mozart-Rummel 2006, selbst gestaltet. Danach, weiter im Einerlei gebremster Inspiration.
Talente sind vor allem unter den jungen Tänzern auszumachen, die in den höheren Klassen von den Mitgliedern des Wiener Staatsballetts Vladimir Shishov (6. Klasse) und Mihal Sosnovschi (7. Klasse), dem ehemaligen Tänzer des Staatsopernballetts Lucian Necsea (5. Klasse) und dem international tätigen Choreografen Rafael Afnikjan (8. Klasse) unterrichtet werden.
Das Finale hat der Choreograf und langjährige Chef der Salzburger Ballettcompagnie, Peter Breuer, mit seiner Interpretation des „Bolero“ von Maurice Ravel für eine nahezu unübersehbare Formation von rot gewandeten jungen Tänzerinnen und Tänzern gestaltet. Ein nicht ganz einfaches Ballett, das vor allem von den jungen Damen eine Biegsamkeit des Körpers in alle Richtungen verlangt, die noch nicht allen möglich ist. Der Sieger ist Ravel. Die sich stetig steigernde Musik reißt nicht nur das Publikum, sondern vor allem die jungen Tänzer*innen mit. Sie tanzen mit nicht nachlassender Energie Sprünge und Hebungen, recken die Arme, knicken die Beine und wachsen, auch wenn sich einzelne aus der Gruppe lösen, immer wieder zu einem einzigen teuflischen Tanzkörper zusammen. Breuer hat sein Werk mit Assistenten und Assistentinnen selbst einstudiert und für die Jugendlichen adaptiert. Das macht sich bezahlt. Am Ende tosender Applaus, Defilee der Ausführenden, Lehrerinnen und Lehrer, Direktor Legris gratuliert. Die Mütter besprechen, welche Kurse ihre Töchter und Söhne im Sommer besuchen werden / müssen. Gut is' 'gangen, nix is' g'schehn.
Matinee der Ballettakademie der Wiener Staatsoper zum Ende des Schuljahres. 23. Juni 2019, Ballettakademie in der Staatsoper.
Fotos: Ashley Taylor. © Wiener Staatsballett / Ashley Taylor