Wilfried Steiner: „Bacons Finsternis“, Roman
Nach der Erstauflage 2010 ist der reizvolle Roman „Bacons Finsternis“ von Wilfried Steiner als Taschenbuch erschienen. Endlich kann ich Versäumtes nachholen und mein Gewissen wieder in ein sanftes Ruhekissen verwandeln. Das tue ich gleich doppelt, indem ich mich auch mit Steiners jüngstem Roman, „Trost der Rache“, ebenso reizvoll und 2017 erschienen, beschäftige.
Das schlechte Gewissen habe ich, weil ich Wilfried Steiner persönliche kenne und schätze, allerdings nicht als Autor, sondern als künstlerischer Leiter (Tanz, Theater, Literatur) am Linzer Posthof, wo er sich als kommunikativer und intelligenter Gesprächspartner erwies. Geschrieben hat er schon immer, nur mitbekommen habe ich es nicht. Seit 1977 veröffentlicht der Doktor der Philosophie Kurzgeschichten und Erzählungen, 1977 erscheint der Gedichtband „Sieben Jahr Glück“ bei Haymon – assoziiert man zum Titel Steiners Wirkungsstätte, so sind es inzwischen bald 20 Jahre Glück, für den Posthof und sein Publikum in jedem Fall. 2003 erscheint der erste Roman, „Der Weg nach Xanadu“, im Insel-Verlag.
In seinem zweiten, „Bacons Schweigen“, erzählt Steiner nach intensiver Recherche aus dem Leben des britische Malers Francis Bacon († 1992). Der Icherzähler lässt sich durch die Bilder Bacons, in die er bei der Ausstellung im Wiener Kunsthistorischen Museum, die tatsächlich im Winter 2003/ 2004 stattgefunden hat, buchstäblich hineingefallen ist, trösten. Seine Frau, Isabel, hat ihm am Ende des Sommerurlaubs in Griechenland mitgeteilt, dass sie ihn verlassen wird. Die Beschäftigung mit dem Maler und seinen faszinierenden Bildern lässt ihn Isabel fast vergessen. Bacon nimmt ihn immer mehr in Beschlag, bis aus dem Künstler- und Liebesroman am Ende sogar ein spannender Kunstkrimi wird.
Steiner ist witzig, schreibgewandt und überaus gebildet. Ein Beispiel: Arthur Valentin, der von Isabel Verlassene und von Bacon Gefesselte, ist von Beruf Antiquar, seine Buchhandlung trägt den sonderbaren Namen „Maldoror“. Der ist nicht willkürlich gewählt, sondern mit Bedacht. Der französische Dichter Lautréamont hat 1874 „die Gesänge des Maldoror“ veröffentlicht. Was es damit auf sich hat, kann im Wiki nachgelesen werden.
Nach der Lektüre eines Romans ist Steiners Methode klar, wie er sie schon in seinem Erstling, „Der Weg nach Xanadu“ angewendet hat. Genaue Recherche über mehr oder weniger bekannte Persönlichkeiten (in „Xanadu“ über den englischen Dichter Samuel Taylor Coleridge, †1834) oder Ereignisse, wird mit hoher Erzählkunst angeboten und mit privaten (erfundenen) Geschichten, die nicht nur, aber vor allem von Begierde und Liebeskummer handeln, vermengt, Geheimnisse sorgen für Spannung. Diese werden immer aufgeklärt, manchmal mit köstlicher Ironie, doch im jüngsten Roman sind die überaus tragisch.
„Der Trost der Rache“ kreist um das Schreckensregime von Augusto Pinochet, der 1973 mit Hilfe der USA die demokratische chilenische Regierung Salvador Allendes entmachtet hat. Als Diktator herrschte Pinochet bis 1990, gewählt ist er niemals worden. Die Auswirkungen reichen bis in die Gegenwart.
Der überhaupt nicht akademisch-trocken erzählte eingeflochtene „Bildungsteil“ handelt diesmal vom Sternenhimmel und seiner Erforschung. Der Icherzähler Adrian Rauch erfüllt sich einen Lebenstraum und besucht das Gran Telescopio Canarias auf der Insel La Palma. Dass er gar nie hineinkommt, zeigt den verschmitzten Witz des Autors. Grund ist die Nachbarin im Ferienbungalow, die geheimnisvolle Sara. Bald stehen Mord und Totschlag im Raum, diesmal beschert Steiner den Leserinnen kein Happy End.
Die Mischung aus Unterhaltung, Spannung und Bildung fasziniert mich, die Leidenschaft, die Wilfried Steiner für seine Themen und die sie beherrschenden Figuren aufbringt, die perfekte Dramaturgie seiner Romane und der flüssige Stil machen das Lesen zu einer unterhaltenden Erzählung und spannendem Unterricht. Wilfried Steiner soll weitererzählen.
Wilfried Steiner, Haymon Verlag:
„Bacons Finsternis“, 2018. 304 S. tb € 12,95. (Erstauflage, gebunden 2010).
„Der Trost der Rache“, 2017. 280 S. € 22,90. Auch als E-Book erhältlich.