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Andrea De Carlo: Villa Metaphora

Autor Andre De Carlo © Diogenes / Ines Capotosti

Zwischen Sizilien und Afrika siedelt der italienisches Autor Andrea De Carlo die Insel Tari an, auf der ein erfolgreicher Architekt eine einsame Villa in ein Luxusressort umbauen lässt. Ein Rückzugsort für die Superreichen soll diese „Villa Metaphora“ werden, mit allem Komfort, aber diskret, von der Außenwelt abgeschirmt. Versprochen, doch nicht gehalten, denn nicht nur die Natur hat ein gewichtiges Wörtchen mitzureden.

Schon mit dem Titel sagt De Carlo, was er erzählen möchte. Die „Villa Metaphora“ ist ein Laboratorium, in dem die eingeschlossenen Menschen zeigen, wie sie sind. Ekelhaft, selbstbezogen und gierig. Ein bekanntes literarisches Setting. „Menschen im Hotel“ waren schon zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts (in Berlin) zu beobachten. Zur Eröffnung reisen sie tatsächlich an: Die hysterische Filmdiva aus den USA samt ihrem Ehemann, einem weltbekannen Troubelshooter; ein skrupelloser deutscher Banker, der sich wegen eines Sexskandals verstecken will, samt seiner hilflosen Ehefrau; eine Journalistin, undercover und single, die Schmutziges aufdecken will … Natürlich wird auch auch das dienstbare Personal, Mitarbeiter-Innen des ehrgeizigen aber hoch verschuldeten Architekten und Inselbewohner werden vorgestellt. Sie sind ebenso gierig, narzisstisch und dumm, wie die zahlenden Gäste.
Feuer und Asche. Bald jedoch verrät der Autor, dass auf der Insel ein Vulkan schlummert und die Leserin ahnt, wie das alles enden wird. Desatrös. De Carlo ist der allwissenden Erzähler, charakterisiert das gesamte Personal auch über dessen Idiom, was die meisten Personen, deren Wortschatz ziemlich beschränkt ist, unerträglich macht, lässt sie auch träumen und ihre Stimme erheben. Sympathieträger sind die bescheidene Assistentin des exzentrischen Film-Stars und ein Einzelgänger, Künstler und Handwerker zugleich, die zu einander finden. Doch der Rest kann mich kaum fesseln. Habe ich diese Menschen, Widerlinge allesamt und vor allem der frech ohne Einladung angereiste Kleinpolitiker, eine Karikatur von allen, die sattsam bekannt sind, erst einmal kennen gelernt, will ich eigentlich nichts mehr von ihnen wissen.
Unnötig umfangreich. So gelingt es auch De Carlo nicht, mich bei der Stange zu halten. Da nützen auch die Leichen wenig, die bald zwischen den Bäumen liegen und von den Wellen hochgespült werden. Eine knappe Woche dauert es nur, bis die Welt von Tari untergeht, doch dafür sind mehr als 1000 Seiten zu bewältigen. Bei aller Liebe, die ich für Andrea de Carlo hege, der mit „Creamtrain“ und „Vögel in Käfigen und Volieren“ in den 1980er Jahren sein Debüt als Autor gefeiert hat und mit „Zwei von Zwei“ zum Kultautor wurde, sein Opus magnum ist diese billige und breit getretene Metapher auf die heutige Gesellschaft, samt ihren überheblichen, schmierigen Politikern, den egozentrischen Künstler_innen und rücksichtslosen Geldhaien nicht geworden. Auch wenn der Umfang des Romans alle bisherigen großartigen Werke De Carlos übertrifft.
De Carlo kann erzählen und er tut dies klar und deutlich, aber für mich braucht er diesmal zu lang, bis er zum Kern dieser Zwiebel kommt. Oha! Jetzt habe ich mir selbs einen Streich gespielt: Eine Zwiebel hat gar keinen Kern, sie ist Schale und Kern zugleich. So ist in jedem Kapitel gleich der gesamte Roman enthalten. Mit ein wenig Mut, können die Mäander, Loops und Schleifen, auf die der Autor im Furor des Erzählens nicht verzichten kann, folgenlos überblättert werden und sich so einen stilistisch einwandfreien, amüsanten Roman zu Gemüte führen. Denn wir, wir sind ja nicht so, so ekelhaft wie die dort.

Buchcover / Diogenes Andrea De Carlo: „Villa Metaphora“, übersetzt von Maja Pflug, Diogenes 2015. 1088 S. € 26,80.
 
Vicki Baum: „Menschen im Hotel (Kolportageroman mit Hintergründen)“, 
Buchcover / KiWiUllstein 1929.
1932 zum ersten Mal von Edmund Goulding mit Greta Garbo verfilmt. Verfilmungen, Theateradaptionen, Hörspiele, Hörbücher halten Baums Roman bis heute aktuell.
Vicki Baum wiederentdecken: KiWi-Taschenbuch, Kiepenheuer und Witsch, 2007.