Troubleyn / Jan Fabre: Solo für Matteo Sedda
Der Himmel hängt voller Nadeln. Jan Fabre, bildender Künstler, Theatermacher, Autor, Choreograf, ließ sich für dieses fulminante Solo, grandios getanzt vom Matteo Sedda, bereits Teil von Fabres 24-Stunden-Performance „Mount Olympus“, von der Geschichte der Dorkas inspirieren, die selbst gefertigte Kleidung an die Armen verteilte. Nach ihrem Tod wurde sie für ihre Wohltätigkeit und Großzügigkeit vom Apostel Petrus von den Toten auferweckt und zur ersten weiblichen Jüngerin von Jesus Christus. Aus diesem Stoff webten Fabre und Sedda ein hochenergetisches, ekstatisches Solo, das diese, aber nicht nur diese Geschichte in einer knappen Stunde im Rahmen von ImPulsTanz 2018 auf die Bühne des Odeon bringt.
Die anfangs dunkle Bühne wird langsam von zwei Scheinwerfern erhellt, die schräg von unten den Bühnen-Himmel erscheinen lassen, der, voller regelmäßig und in leichtem Bogen, an bunten Fäden herabhängender großer Nadeln, neben ein paar auf den Boden geklebten Buchstaben, die Dekoration bildet. Wunderschön!
In der Mitte wird ein Mann sichtbar, in ein bodenlanges, weites, schwarzes Gewand gekleidet. An den Händen weiße lange Handschuhe, an den Füßen weiße Strümpfe, schwarz behütet. Im Laufe der Performance legt Matteo Sedda eine Schicht nach der anderen ab; erst damit wird erkennbar, wie warm er in dem eh überhitzten Theater kostümiert ist. Er leidet noch mehr als das Publikum!
Die Musik setzt langsam ein. Eine elektronisch erzeugte Fläche, begleitet von Gitarren, später auch Stimmen, und treibendem Schlagzeug. Der Rhythmus beschleunigt sich im Verlauf stetig, von nur kurzen Pausen der Erholung, für den Tänzer wie das Publikum, unterbrochen. Immer wieder sagt oder flüstert Sedda auf englisch und italienisch: „Das habe ich für Euch gemacht. Mit dem Herzen!“ und legt eine weitere Schicht, zuvor mit zwei gepflückten Nadeln durchstochen, auf einen der Buchstaben auf dem Boden.
Sedda tanzt zwischen klassischem Vokabular und vom Breakdance inspirierten Moves, äußerst kraftvoll und mit großer Präzision. Er kreiselt die weißen Hände mit höchster Geschwindigkeit wie ein Spinnrad, näht pantomimisch, schüttelt den Kopf in Höchstgeschwindigkeit, dreht sich in Trance wie ein Derwisch, pflückt immer wieder, geradezu zärtlich, die Nadeln einzeln vom Himmel. Er legt ein paar Nadeln an den vorderen Rand der Bühne, nimmt dabei direkten Augenkontakt mit jeweils einem der vorn Sitzenden auf und lächelt. Eine vom Herzen kommende Einladung, es ihm und ihr gleichzutun!.
Zum Ende hin, nun nur noch spärlich bekleidet, wandelt sich der Tänzer vom Mann zu einem Wesen mit weiblicher Ausstrahlung, steckt sich Nadeln in die Ohrläppchen und in den Slip. Ein starkes Bild für das Ablegen aller Begierden und letztlich auch der physischen Hülle! Am Ende ist er nackt, das Licht verlischt. Es braucht eine Weile, bis der Beifall aufbrandet. Das Publikum ist berührt und begeistert und lässt es den Tänzer spüren.
Diese Arbeit von Jan Fabre, gemeinsam mit einem seiner „Krieger der Schönheit“, dem Italiener Matteo Sedda entwickelt, beschreibt, meisterlich getanzt und gespielt, vordergründig die Geschichte der Dorkas. Sie so zu sehen gelingt schon nicht allen. Es gibt jedoch eine weitere Ebene. Hier wird, gezeigt in so poetischen Bildern, Schicht um Schicht eine Seele freigelegt, befreit von allem Dunklen und Uneigenen, bis am Ende eine inzwischen universale menschliche Kreatur sogar den Körper noch ablegt. Ganz wie Jesus Christus: „Das habe ich für Euch gemacht. Mit dem Herzen!“
Troubleyn / Jan Fabre: The Generosity of Dorcas, Solo für Matteo Sedda. Konzept, Choreografie und Regie: Jan Fabre; Musik: Dag Taeldeman; Performance: Matteo Sedda; Bühne: Jan Fabre; Kostüm: Jan Fabre, Kasia Mielczarek; Licht: Wout Janssens;
3. August.2018, Odeon im Rahmen ImPulsTanz.
Weitere Vorstellungen: 4. und 5.08. 2018.