Blaschke / Machacek: „I don’t remember this body”
Mit ihrer ersten gemeinsamen Arbeit „I don’t remember this body“ untersuchen der Tänzer und Choreograf Georg Blaschke und der Videokünstler Jan Machacek das Verhältnis von Körper, Raum und Bewegung und deren technischer, medialer, projizierter (Re-)Produktion.
Physische Aktion (Sein, Bewegung, Choreografie) und damit immer auch eine konkrete Form der Raumnahme stehen dabei ebenso im Fokus wie die Frage nach dem Apparat – des Körpers und/oder der Manipulation als Aufzeichnung, (Video-)Material, Wiederholung – und dessen Aufhebung. Was kommt zuerst; was oder wer nimmt auf wen oder was Einfluss, wo beginnt die „Kopie“, die „Einflussnahme“, wo bleibt der „reale“ Körper, wenn man ihm durch die Präsenz seiner Nichtpräsenz die Wirkmacht entzieht.
Dritte Station der Arbeitsreihe
Nach ersten Präsentationen der Arbeit in der Galerie Jünger und im Schmetterlingshaus von Schönbrunn hat „I don’t remember this body“ nun in der neu renovierten zweiten Spielstätte des Wiener Koproduktionshauses brut Station gemacht. Waren 2017 in den Kellerräumen der auf österreichische Gegenwartskunst spezialisierten Wiedner Galerie neben Choreografie und Projektionen vor allem auch die historischen Fliesen des Raumes, eine ehemalige Backstube, und die ausgestellten Arbeiten des österreichischen Künstlers Rudolf Goessl die künstlerischen Partner von Tänzer-Choreograf Georg Blaschke, so ist die aktuelle Weiterentwicklung konsequent auf den reduzierten, dennoch falten-, höhlen- und winkelreichen, grau gehaltenen Raum und die Bewegungen, Gesten und Aktionen von Blaschke beziehungsweise dessen digitaler Manipulation konzentriert.
Die so entstehenden, dramaturgisch stringent in mehrere Sequenzen, die ineinander übergehen, einander fast „logisch“ folgen, unterteilten Dialoge zwischen sich im Raum bewegenden „Live“-Körper und dessen "projizierten Aufzeichnungen" lassen die „Verflechtung von physischer Aktion mit Videomaterial“ (Blaschke/Machacek) zu einem beeindruckenden Wechselspiel von Impuls und Reaktion, Beobachtung und Einflussnahme, Abhängigkeit und Grenzüberschreitung werden.
Kontinuität des Körpers als Bild
Die Performance beginnt mit einem hoch gestellten, ausgehöhlten Laufband (Maschinenbau: Chris Janka), an dessen Rändern sich eine Kamera befindet, die den fast nackten Körper des Performers in Nahaufnahme studiert. Machacek, während der gesamten Performance in der Mitte des Raumes platziert und so zugleich als Beobachter und „Maschinist“ aktiv in den Verlauf der Choreografie eingebunden, projiziert die so entstehenden Bilder über einen Beamer, dem ein lose von einer Schnur herabhängender Spiegel vorgelagert ist. Die an die Wände geworfene, sich bewegende Studie des Körpers des Performers wird so mehrfach gebrochen. Nichts ist also von Beginn an so, wie unsere Wahrnehmung es uns vorgaukelt: hier der Körper inmitten einer ihn umgebenen, ihn beobachtenden, ihn studierenden, zugleich re-produzierenden Maschine, den wir, die ZuseherInnen, nur aus der Distanz mit beobachten. Dort, an den Wänden und diese entlangwandernd, immer schneller, rhythmischer, eigenwilliger, dessen Vergrößerungen, Projektionen des Vorhandenen, doch aus der Distanz nicht Wahrnehmbaren. Das, was wir in diesen vergrößerten Abbildern sehen, ist also so wenig real wie der „reale“ Körper, den wir in diesen seinen Einzelheiten – und Blaschke beginnt sich langsam selbst zu beobachten, studiert den eigenen Körper, während ihn die Maschine um ihn herum ebenfalls „erfasst“, ein doppeltes Studium von wunderbarer Irritation – nicht erfassen.
Ich erinnere mich nicht an diesen Körper.
Auch die folgenden Passagen dieses Abends nehmen immer wieder Bezug auf diese Fragen nach dem, was der Körper be-wirken kann, wo er an seine Grenzen stößt, oft nahezu gewalttätig, sich verrenkend, selbstverletzend den Raum in und um sich zu weiten, von sich abzurücken versucht. Wann er selbst, der Körper des Choreografen, des Tänzers, zum Objekt wird, zum Beobachter, ja, auch zu einer Kopie. Wann beginnt was? Die Entscheidungen fallen im Laufe des Abends immer schwerer, während die Performance kontinuierlich mehr in ihren Bann zieht.
Einer der schönsten Momente des Abends ist, wenn nach einem wilden „Tanz“ der Projektionen des Performers, bei dem dessen hundertfacher „Körper-Kopien“ den Raum zu sprengen angesetzt haben, das Bild zur Ruhe kommt und Blaschke vor seinen eigenen zigfachen Abbildern zu stehen kommt. Hier, in diesem stillen Moment der Begegnung von Ich und Kopie/n, die alle die Arme hoch recken im Aufbegehren gegen das Unmögliche, ist die Verletzlichkeit dieser beeindruckenden Begegnung zwischen Virtuellem und „eigenem“ mit am schönsten, am schmerzhaftesten. Die vielen Körper faden aus, der Performer bleibt alleine.
Dann taucht eine neue Projektion auf. Was auch schon wieder falsch ist. Denn nicht der reale Körper ist in dieser neuen Sequenz der Impulsgeber. Vielmehr ist die Projektion zuerst da. Steht an der Wand, den Rücken zum Publikum, fast abwartend, ob die Kopie der Kopie, der „reale“ Performer sich dem Bild stellt. Er tut es. Stellt sich in einiger Entfernung in dieselbe Position, blickt zur (Vor-)Aufzeichnung seiner selbst, blickt zurück, wieder hin. Eine Begegnung der Blicke zwischen zwei Körpern, die einer sind und doch nicht. Die beide so präsent sind wie das Nicht-Sein einer Berührung zwischen Sein und Abwesenheit.
In einem der nächsten „Kapitel“ dieses Abends teilt sich die Tanzfläche: auf der einen Seite, hell erleuchtet und vom Sound (hervorragend von Oliver Stolz erarbeitet und programmiert) deutlich hervorgehoben ist die Projektion/Manipulation, tanzt eben jener, der nicht ist, während im dunkleren linken Teil der Bühne Blaschke versucht, sich einmal dem Bild zu entziehen, den Raum wieder selbst abzuklopfen, abzustecken, einzugrenzen, um dann wieder zu versuchen, synchron mit dem Bild seiner selbst zu werden. Synchron-asynchron. Mensch und Abbild. Die von Machacek bedienten Maschinen surren, das Bild wandert wieder weiter. Die Projektionen des Menschen, die keine sind, weil sie selbst zum Subjekt, zum Impulsgeber geworden sind, verschwinden; man hört noch etwas, das wie der Atem des leer gewordenen Raumes ist. Dann erhebt sich dieser Raum erneut vom Boden auf die Wand, wird unscharf, verschwindet.
Die Einsamkeit des Widerstands
Am Ende geht Blaschke wieder zurück in seine Beobachtungsmaschine. Die kleine Kamera am Rand beginnt sich erneut um ihn herum zu bewegen. Für einen Moment bleibt der Tänzer noch im Bild stehen, um sich diesem schließlich zu entziehen. Er geht ab. Die Kamera läuft alleine weiter und beobachtet den leeren Raum. Einsamer kann eine Maschine nicht sein.
„I don’t remember this body“: Choreografie, Performance: Georg Blaschke; Medienkunst: Jan Machacek; Programmierung, Sound: Oliver Stotz; Lichtregie, Technik: Sabine Wiesenbauer
Eine Koproduktion von M.A.P. Vienna 2018 und brut Wien. 26.–28. April 2018, brut in der Zieglergasse.