Ballett Schwanensee: Olga Esina / Jakob Feyferlik
Olga Esina und Jakob Feyferlik haben am 11. Februar die Vorstellungsserie in dieser Saison des Balletts „Schwanensee“, Choreografie von Rudolf Nurejew, eröffnet. Am Ende der Vorstellung wird Jakob Feyferlik auf offener Bühne von Ballettchef Manuel Legris zum Ersten Solisten ernannt. Das Publikum gerät in Euphorie, pfeift und johlt, als wäre es in einem Popkonzert. Der junge Tänzer, der siebente Erste Solist im Wiener Staatsballett, verbeugt sich strahlend, weiß, dass der Applaus auch seiner Partnerin Olga Esina gilt.
Die Gratulationen zum Avancement seien Feyferlik gegönnt, doch kommen mir leise Zweifel, ob dieses nicht etwas zu früh ausgesprochen worden ist. Feyferlik hat die Rolle von Prinz Siegfried in „Schwanensee“ erst zum 2. Mal getanzt (am 1.Juni 2017 debütierte er mit Nina Poláková als Odette / Odile) und Olga Esina, melancholisch schwebend als Odette, hinreißend verführerisch als Odile, ist zum ersten Mal seine Partnerin in dieser Rolle. Dementsprechend zeigte Feyferlik nicht jene Sicherheit, die von einem Ersten Solotänzer verlangt werden darf, setzte nach den Sprüngen verwackelt auf, war im Pas de deux unkonzentriert oder nervös. Legris vergrößert die Riege der Ersten Solotänzer und auch -tänzerinnen auf Biegen oder Brechen. Das könnte mit Martin Schläpfer, der in der Saison 2020 / 21 sein Amt von Legris übernimmt, zum Bumerang für manche Tänzerinnen / Tänzer werden.
Sei’s drum, die Vorstellung war dennoch ein Fest. Olga Esina ist nicht nur eine technisch perfekte Tänzerin, sie hat auch gelernt, Gefühle auszudrücken. Sie zeigt, dass uns auch ein klassisches Ballett – komponiert von Peter Tschaikowsky, ersonnen von Marius Petipa und Lew Iwanow vor mehr als 140 Jahren und von Nurejew für Wien überarbeitet und gemeinsam mit Margot Fonteyn am 15. Oktober 1964, also immerhin auch schon mehr als 50 Jahre alt, vorgestellt –betreffen kann. Einsamkeit und Sehnsucht, Liebe und Verrat, Treueschwüre, Intrige und Betrug kennen kein Alter und sind so heutig und aufwühlend wie vor 500 Jahren.
Im Corps de ballet hatten einige junge Tänzerinnen und Tänzer ihr Debüt. Positiv aufgefallen, nicht nur, weil ich Musik und Choreographie des Pas de cinque im 1. Akt besonders gern mag, sind mir Adele Fiocchi und Alice Firenze mit Richard Szabó und Dumitru Taran als Gefärt*innen des Prinzen und auch die Corpstänzerin Xi Qu. Als schöner Schwan und als Edelfräulein (3. Akt) war sie bereits zu sehen, diesmal hat sie auch im Walzer mitgetanzt, immer im Takt, mit anmutigen, präzisen Bewegungen und wachsender Bühnenpräsenz. Xi Qu, geboren in China, ist seit 2015 im Wiener Staatsballett und hat genügend Selbstsicherheit gewonnen, um die anfängliche Schüchternheit abzulegen und sichtbar zu sein.
Begeistert haben mich diesmal auch die Divertissements im 3. Akt. Madison Young (Halbsolistin) und Dumitru Taran (Solist) debütierten als polnische Tänzerin /Tänzer und haben der Mazurka genügend Pfeffer verliehen, um jegliche Langeweile zu vertreiben. Im Csárdás brillierte, wie schon so oft, Alice Firenze mit Mihail Sosnovschi. Fesch auch die spanischen Tänzer*innen: Gala Jovanovic, Oxana Kiyanenko mit Alexis Forabosco und James Stephens, der zeigen kann, dass er nicht nur ein eleganter Adagio-Tänzer ist. Mit besonders heftigem Applaus bedankt: die vier Kleinen Schwäne ( Elena Bottaro, Alice Firenze, Eszter Ledán, Rikako Shibamoto). In der Riege der Großen Schwäne hat Katharina Miffek ihr Debüt gegeben.
Die Ausdrucksstärke und Gefühlsintensität von Esina und Feyferlik wie auch die freudige Energie der Corpstänzer*innen lassen die kleinen Patzer und Sidesteps vernachlässigbar erscheinen. So oft kann ich diese Geschichte gar nicht sehen, diese Musik gar nicht hören (Paul Connelly leitet das Staatsopernorchester einfühlsam und differenziert), dass sie mich nicht jedes Mal wieder aufwühlt. Ein letzter Hoffnungsschimmer schimmert, wenn der Prinz im 4. Akt an den See fegt, die betrübten Schwäne ermuntert und noch einmal Liebe schwört. Doch das (der) Böse hat gewonnen. Eno Peçi schwingt als Zauberer Rotbart die Drachenflügel und macht alle Hoffnungen zunichte. Odette gehört nun für immer ihm, dem Prinzen bleibt nur, in den Wellen, richtigen Wellen diesmal, des bewegten Sees zu versinken. Prinz Feyferlik sendet noch einen letzten Gruß, während Rotbart Odette, für immer Schwan, wegschleppt, und wird von den Wellen verschlungen. Ein (für die Zuschauenden) schöner Tod.
Rudolf Nurejew: „Schwanensee“, Choreografie nach Marius Petipa und Lew Iwanow; Musik Peter Iljitsch Tschaikowsky. Bühnenbild und Kostüme: Luisa Spinatelli. Dirigent: Paul Connelly. 237. Aufführung, 11.Februar 2019. Wiener Staatsballett in der Staatsoper.
Nächste Vorstellung in dieser Besetzung: 13.2. 2019.
Weitere Vorstellungen im Februar 2019: 20.,+ 23. (Nina Poláková, Denys Cherevychko); 25. (Liudmila Konovalova, Roman Lazik).
Fotos: © Wiener Staatsballett / Ashley Taylor