„Sylvia“ – Debut und Avancement von Nikisha Fogo
Ein Triumph auf allen Linien. Nicht nur für den Choreografen Manuel Legris, der das Ballett "Sylvia" aus dem 19. Jahrhundert in das 21 geholt hat, ohne Technik und Stil des romantischen Balletts zu verleugnen, sondern auch für die Tänzerin der Titelrolle, Nikisha Fogo. Das Publikum war von ihrem Debüt ebenso begeistert wie die Direktoren des Hauses, Dominique Meyer (Oper) und Manuel Legris (Ballett). Auf offener Bühne wurde die aus Schweden stammende Solisten zur Ersten Solotänzerin ernannt.
Nikisha Fogo tanzt seit 2013 im Wiener Staatsballett und ist bereits im Corps de ballet durch ihre mitreißende Energie aufgefallen. Ihre perfekte Technik hat sie an der königlich schwedischen Ballettschule in Stockholm erworben. Mit ihrer ersten großen Rolle in einem abendfüllenden Ballett hat sie sich genau auseinandergesetzt und entzückt nicht nur durch edle Haltung und elegante Sprünge, sondern auch durch die Rollengestaltung. Sylvia ist eine selbstbewusste, mutige Frau, die anfangs, ganz ihrer Führerin, der keuschen Jagdgöttin Diana, ergeben, den Anbeter Aminta zurückweist, doch sich von Eros /Amor erweichen lässt und auf das Nonnenleben verzichtet und sich Aminta in die Arme wirft. Am schönsten aber zeigt Fogo wer diese Sylvia ist im zweiten Akt, wenn sie in des Entführers Orion Höhle zugleich Angst und Entschlossenheit zeigt. Mit funkelnden Augen blitzt sie den Wildling an und schon verliert der Ballon die Luft. Ein magischer Moment. Mit Körperkraft ist gegen Orion jedoch nicht anzukommen, also sorgt Sylvia mithilfe einiger Najaden, dass er sich sinnlos betrinkt. Der Gott der Liebe eilt herbei und verhilft ihr zur Flucht.
Sylvia ist also ununterbrochen von Männern umgeben, und auch diese zeigen, welches Potenzial im Wiener Staatsballett glänzt. Aminta ist ein gelöster, heiterer Denys Cherevychko mit flinken Beinen, Eros wird von Mihail Sosnovschi getanzt, er soll ein Gott sein und weiß das auch. Davide Dato, dessen Rekonvaleszenz nach der schweren Verletzung nun endgültig beendet ist, ist der rauflustiger Jäger Orion, der aber sichtlich Scheu hat, Sylvia blindlings zu vergewaltigen. Dato zeigt, dass Orion auch eine Idee von der Liebe hat. Überdies umtanzen Sylvia Faune und Baumgeister und Führung von Dumitru Taran mit kräftigen Sprüngen und lüsterner Miene; auch in mitten ihrer Freunde „ein kleiner Hirte“ und ein Bauer (die beiden Halbsolisten Scott McKenzie und Géraud Wielick, wie immer eine Freude sie tanzen zu sehen, stilvoll und ausdrucksstark). Als Erscheinung, nur von Diana zu sehen, tanzt James Stephens als Endymion nicht um Sylvia herum, sondern lediglich im Prolog.
Ketevan Papava ist eine heroische, unnahbare Diana, Natascha Mair eine niedliche Najade: die beiden Solotänzerinnen Ioanna Avraam und Alice Firenze führen die Schar der zum Hörnerklang angaloppierenden Jägerinnen an. Ich beende hier die Liste der Mitwirkenden, die allesamt höchstes Lob verdienen. Legris Ballettsprache ist reich an Verzierungen, die Beine sind in ständiger Bewegung und das Corps de ballet in allen möglichen und auch unmöglichen Verkleidungen hat alle Füße voll zu tun. Dass da bei der Premiere vor allem im 1. Akt noch jede Menge Unsicherheiten aufgefallen sind, ist den jungen Damen nicht zu verdenken Besser gehalten haben sich die Herren, mit und ohne Hörndeln, doch tapfer springend. Dass die Choreografie manche Variationen fernab der Musik verlangt, ist möglicherweise beabsichtigt, doch ist es irritierend, wenn der Takt der Tänzerinnen nicht mit dem der Musiker übereinstimmt.
Luisa Spinatelli, die bereits für die Wiederaufführung des Balletts "Schwanensee", die erste Choreografie Legris "Le Corsaire" das Bühnenbild und die Kostüme und für zahlreiche andere Premieren die Kostüme geschaffen hat, ist auch für die Ausstattung von "Sylvia" vernatwortlich. Sie entwirft angenehm leichte Kostüme, die den Tänzerinnen viel Bewegungsraum lassen und malt Bühnenbilder wie aus dem Museum. Symbolismus, Romantik und Klassizsmus wird geplündert und mit "antiken Statuten, Brunnen und Tempeln eine ferne Welt gespiegelt.
Manuel Legris verlangt tänzerische Höchstleistungen samt einer prononcierten Rollendarstellung. Daher gebührt der gesamten Compagnie Hochachtung und Respekt für ihre Leistung. Natürlich auch dem Orchester, das unter der Stabführung von Kevin Rhodes die Musik Léo Delibes zum Blühen und singen bringt. Doch Rhodes gehört ohnehin seit langem zur Wiener Ballettfamilie und über Delibes Komposition ist schon genug geschrieben worden.
„Sylvia“ Ballett in drei Akten. Choreografie: Manuel Legris nach Louis Mérante. Mit Nikisha Fogo, Denys Cherevychko, Mihail Sosnovschi, Ketevan Papava und vielen, vielen anderen. Premiere: 10 November 2018, Wiener Staatsballett in der Staatsoper.
Nächste Vorstellung in der Premierenbesetzung: 12.11.2018.
Weitere Vorstellungen: 13. und 17.11. 2018 mit Olga Esina, Jakob Feyferlik, Tristan Riedel, Robert Gabdullin.
Am 24. und 28.11. tanzen Kiyoka Hashimoto und Masayu Kimoto Sylvia und Aminta.
Fotograf: Ashley Taylor. © Wiener Staatsballett / Ashley Taylor