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José Montalvo: „Carmen(s)“, Festspielhaus St. Pölten

José Montalvo lässt viele "Carmen(s)" tanzen. © Patrick Berger

Feiert die Freiheit! Kämpft um sie! Der Choreograf José Montalvo brachte mit „Carmen(s)“ eine fulminante Arbeit auf die Bühne des Festspielhauses St. Pölten. Flamenco, klassisches Ballett, Breakdance und Zitate koreanischen Tanzes werden zu Auszügen aus Georges Bizets Opernmusik und Live-Musik auf geradezu berauschende Art und Weise miteinander verbunden. Die Premiere im deutschsprachigen Raum hat am 13. Oktober stattgefunden.

16 TänzerInnen aller Couleur entzünden ein Feuerwerk aus Leidenschaft, Sinnlichkeit, überbordender Lebensfreude,Acht Tänzerinnen kämpfen um Freiheit. Alle Fotos Patrick Berger tänzerischer und musikalischer Vielfalt, viel Humor, Nachdenklichkeit und Empathie. Die Bühne ist nackt, sogar an den Seiten sind keinerlei Staffagen installiert, die die Sicht auf die Technik einschränken würden. Im Hintergrund eine riesige Leinwand, die den Besucher mit einem darauf projizierten Gesicht eines dunkelhäutigen Jungen empfängt. Auf der Bühne wird getnazt, im Hintergrund ist ein Video zu sehen und der Text zu hören.

Acht Frauen in kräftiges Rot gekleidet, drei klassische, fünf Flamenco-Tänzerinnen, die Männer, Breakdancer, bedecktere Farben tragend, tanzen und musizieren miteinander in ihren Stilen, verbinden diese auf so harmonische Weise, dass daraus eine Hymne an den Geist der Carmen entsteht. Auf der Leinwand sprechen alle TänzerInnen, Frauen und Männer, Spanierinnen, Franzosen, Schwarz- und Nordafrikaner, Koreanerinnen, einzeln über die Bedeutung dieses Geistes der Freiheit für sie persönlich und tanzen dazu live Soli. Fernöstliche Trommeln, ein persischer Dudelsack, eine arabische Flöte und die Musik Bizets verschmelzen zu einem akustischen Rahmen für die auf höchstem Niveau getanzte Choreografie, die das Miteinander der Kulturen und Völker dieser Welt in Frieden, Freiheit, Toleranz und Mitgefühl feiert. Fulminanter Tanz von Flamenco bis Break Dance.Auf der Leinwand erscheint ein Stier, der übersprungen und umtanzt wird. Er muss nicht sterben, läuft einfach, beinahe verwirrt, aus dem Bild. Meeresrauschen und in Decken gehüllte Menschen auf der Leinwand, aber auch auf der Bühne, erinnern daran, dass die Freiheit für viele noch einen Traum darstellt.

Das Publikum wird im Stück auch aufgefordert, den Stier herbei zu rufen. „Toro! Come here!“ rufen tausend Menschen amüsiert. Es wird viel gesprochen und gesungen, auf spanisch, französisch, arabisch, koreanisch. Die deutschen Übertitel sind leider sehr hoch oben über der Bühne, so dass das Lesen ein Verfolgen des Geschehens auf der Bühne erschwert.Drei Carmen unterschiedlicher Herkunft, vereint im Tanz.

Wenn ein Breakdancer und eine klassische Ballerina ein kurzes Duo tanzen, wenn Flamenco und Spitzentanz sich treffen, wenn ein tanzender, den persischen Dudelsack spielender Araber eine Gruppe von fünf stehenden Frauen anbetet, wenn die Kastagnetten klappern und eine fernöstliche Schelle klingt, dann wird fühlbar, was den Schöpfer dieses Stückes bewegt: Freiheit, die äußere wie die innere, die sexuelle und die weltanschauliche, die ökonomische und die politische, sind ein universelles Gut, das immer wieder neu erkämpft sein will, das Frauen und Männern auf der ganzen Welt gleichermaßen zusteht. „Ein bisschen Carmen ist in jedem von uns.“ So José Montalvo, der in Carmen, selbst eine Emigrantin, die Verkörperung des Mythos einer universellen Freiheit sieht. Er lässt seine vielen Carmens nicht sterben. Auch das demonstriert die Ferne dieser Arbeit zum „klassischen“ Carmen-Stoff.

José Montalvo: „Carmen(s)“; Choreografie, Bühne und Videokonzeption: JosÉ Montalvo; Musik: Georges Bizet; Live-Musik: Ji-eun Park, Kee-ryang Park, Saeid Shanbehzadeh; Kostüme: Sheida Bozorgmehr; Licht und Bühne: Vincent Paoli; a 13. Oktober 2018, Festspielhaus St. Pölten.