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„Giselle“: Davide Dato, Rollendebüt als Albrecht

Davide Dato, Maria Yakovleva, Kiyoka Hashimoto, Wilis

Ein aufregender Abend, tanzte doch der Erste Solotänzer Davide Dato zum ersten Mal in Wien den Albrecht, die männliche Hauptrolle im romantischen Ballett „Giselle“. Doch es war mehr als ein Debüt, Dato war auch nach langer schmerzvoller Verletzungspause zum ersten Mal wieder in einer großen Rolle auf der Bühne zu sehen. Maria Yakovleva glänzte am 9. Oktober als seine Partnerin in der Choreografie von Elena Tschernischova.

Davide Dato als Albrecht in "Giselle": Elegante AttitudeDieses Doppeldebüt (samt neuem Knie, doch das hat sich nicht bemerkbar gemacht) war natürlich anfangs von einiger Nervosität begleitet. Dato, ein harter Arbeiter und Kämpfer, schlug sich wacker, gewann von Variation zu Variation an Sicherheit und auch Farbe und Kontur. Im zweiten Akt, vor allem im Grand Pas de deux mit den unzählbaren Entrechats six zeigte Davide Dato deutlich, dass er seine alte Form schon bald erreicht haben wird. Das Publikum konnte er bereits an seinem Debütabend zu Begeisterungsstürmen hinreißen.

Diese hat auch die Erste Solotänzerin Maria Yakovleva verdient erhalten. Im ersten Akt, besonders in der zu Herzen gehenden Wahnsinnsszene, entspricht sie ganz meiner Vorstellung des jungen Mädchens, das sich rettungslos in den Herzensbrecher verliebt. Maria Yakovleva in der Titelrolle von "Giselle": Bezaubernde Arabesque.Giselle meint ja, einen jungen Mann aus ihrem bäuerlichen Umfeld vor sich zu haben, dass er ein Herzog ist und sie niemals heiraten wird, will sie gar nicht hören. Hilarion, dem Giselle einst versprochen war, ist es, der ihr die Augen öffnen will, doch sie bleibt blind. Andrey Teterin ist dieser chancenlose Verehrer, ein ausgezeichneter Tänzer, doch kein zorniger, vor Eifersucht glühender Mann. Auch im zweiten Akt, wenn ihn die Wilis zu Tode tanzen, kann er nicht aus sich herausgehen, seine Sprünge sind exakt und elegant, doch die Todesangst ist nicht zu spüren.

Albrecht hält nur noch einen Geist in den Armen, Giselle ist tot und tanzt als Wili um Mitternacht im Wald (Dato, Yakovleva). Yakovleva ist eine ausdrucksstarke Tänzerin, die ihr Publikum schon beim ersten Auftritt gewinnt, und auch als Wili verströmt sie leichtfüßige Anmut, unverbrüchliche Liebe und fragloses Verzeihen. Giselle würde sich, wäre sie nicht schon längst ein Geist, lieber selbst zu Tode tanzen, damit ihr Albrecht weiterleben kann. Unverständlich, aber schön.

Zu Tränen rührt mich das Corps der Damen, wenn 16 Wilis auf einem Bein über die Bühne gleiten, schwebend im Einklang mit der Musik. Auf einem Bein müssen sie auch stehen, während Giselle die unbeugsame Königin Myrtha (Kiyoka Hashimoto) um Gnade für Albrecht bittet, der sie doch so bitter getäuscht hat. Dass alle 24 Wilis, aufgeteilt an beiden Seiten der Bühne, dies tun, ohne zu zittern und zu wackeln, ist immer von neuem zu bewundern. Auf einem Bein hüpfend, muss auch Giselle (im 1. Akt) die Bühne queren, 12 Takte, die Yakovleva perfekt meistert und das Publikum zu spontanem Applaus hinreißt. Für Hilarion (Andrey Teterin) bittet niemand um Gnade, er muss sich, von den Wilis getrieben,,zu Tode tanzen.

Anita Manolova und Dumitru Taran brillieren als virtuoses, lebhaftes Bauernpaar im eindrucksvollen Pas de deux im 1. Akt. Taran ist am Ende der vergangenen Saison zum Solotänzer ernannt worden, jetzt würde ich ihn gerne als Albrecht sehen. Manolova ist eine verlässliche Halbsolistin mit schöner Linie, die als Freundin Giselles ebenso auffällt wie als Soli-Wili oder Spanierin, Ungarin, Neapolitanerin in einem der klassischen Ballette.

Im ersten Akt ist für Giselle (Yakovleba) die Welt noch in Ordnung. Sie glaubt Ablrechts (Dato) Liebesschwüren. Auch die jungen Halbsolistinnen Adele Fiocchi und Elena Bottaro haben mich als Moyna und Zulma, die beiden Solo-Wilis, begeistert. Eine so elegant und romantisch wie die andere. Schließlich haben sie beide an der Ballettakademie der Scala studiert, sind gemeinsam 2014 von Ballettchef Manuel Legris engagiert und 2017 zu Halbsolistinnen ernannt worden. Bottaro war auch eine der acht Freundinnen Giselles, und weil mich jede einzelne immer wieder entzückt, seien auch die restlichen aufgezählt: Sveva Gargiulo (ihre Biografie gleicht aufs Haar der ihrer italienischen Kolleginnen, auch sie ist bereits Halbsolistin), Eszter Ledán, Fiona McGee, Xi Qu und Rikako Shibamoto. Alle sind Halbsolistinnen bis auf die aus China stammende Xi Qu, die es schon bald werden wird. Romantik pur: Giselle weilt bereits in anderen Sphären (Yakovleva, Dato)

Das Staatsopernorchester, diesmal mit lupenreinen Bläsern und schmeichelnden Streichern, hat Paul Connelly, ein an allen großen Häusern geschätzter Ballettdirigent, geleitet. Das Staatsopernorchester kennt er seit 1991, mit der Wiener „Giselle“ hat er sich in der vergangenen Saison angefreundet. Für die letzten beiden Vorstellungen in dieser Saison ist er nun wieder in Wien und lässt die Musik Adolphe Adams wunderbar erblühen. Nicht nur im Galopp, auch im Adagio hält er das Tempo, treibt die Tänzer*innen nicht unnötig an, bleibt im Einklang mit ihren Bewegungen. Dem Publikum gibt er genügend Zeit, um seiner Begeisterung für die Solist*innen und das Corps de ballet hörbaren Ausdruck zu verleihen.

Ein genussreicher Abend in romantischer Stimmung.

„Giselle“, Choreografie und Inszenierung: Elena Tschernischova nach Jean Coralli, Jules, Perrot, Marius Petipa. Musik: Adolphe Adam. Dirigent Paul Connelly. Mit Maria Yakovleva, Davide Dato (Rollendebüt), Andrey Teterin, Franziska Wallner-Hollinek, Kyoka Hashimoto in den Hauptpartien. 83. Aufführung am 9. Oktober 2018, Wiener Staatsballett in der Staatsoper.
Die nächste, zugleich letzte Vorstellung in dieser Saison findet am 20. Oktober 2018 statt. Es tanzen Maria Yakovleva, Masayu Kimoto, Andre Teterin, Kyoka Hashimoto. Dirigent: Paul Connelly.
Alle von Fotos von Ashley Taylor, © Wiener Staatsballett / Ashley Taylor