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Festival „Resonanzen“ im Konzerthaus

In voller Fahrt: "barokksolistene" aus norwegen © Wiener Konzerthaus

Das 25jährige Jubiläum hing man diskreterweise nicht an die große Glocke. Doch bekam das Publikum heuer nicht nur wunderbare Alte Musik in höchster Könnerschaft vorgetragen. Als Geburtstagspräsent gab es auch noch ein wenig Kubafeeling, Tanzeinlagen und Samuel Beckett-Texte und natürlich auch das beliebte Essenskonzert.

Zu Beginn der „Resonanzen“ geht es für gewöhnlich recht getragen zu, auch wenn das diesjährige Motto den „Freizeiten“ gegolten hat. Das berühmte Amsterdam Baroque Orchestra unter der Leitung von Ton Koopman gestaltete einen markanten Anfang mit den launigen Bach-Kantaten „Ihr Schläfrigen, herbei!“ und „Geschwinde, ihr wirbelnden Winde“, besser bekannt als „Der Wettstreit zwischen Phoebus und Pan“. Es war ein formidables Konzert mit feinem Chor und hervorragenden Solisten.

Besonders geriet dann der Abend mit der wunderbaren Conjunto de Música Antigua Ars Longa aus Kuba, die den gegenwärtigen Fasching zum Karneval von Santiago de Cuba erklärten. Dessen Ursprung liegt im ausgehenden 17. Jahrhundert, und so bot das Ensemble um die sympathische Leiterin Tereza Paz kubanische Musik verschiedener Genres aus jener Zeit. Erstaunlicherweise klang da manches ganz heutig, was nicht zuletzt an der hinreißenden Präsentationweise lag. Die ganze Gruppe trug kubanische Kleidung, bunte lange Kleider die Damen, rote Schärpen die Herren. Ein Tänzer gesellte sich in die bunte Runde, doch auch alle anderen standen nie still – es gab ständig Bewegung unter Sängern ebenso wie unter den Instrumentalisten. Am Ende des Abends kamen all diese fröhlichen Musikschaffenden von der Bühne und baten die animierten Zuschauer zum Tanz in der Schlange, quer durch den Großen Saal. Höchst fröhlich, charmant und erfrischend! Frisch und Fröhlich: Carneval mit Reso Conjunto de Msica antiqua Ars Longa Teresa Paz. © Wiener Konzerthaus

Den Italienern wiederum neidet mancher nördliche Nachbar eine gewisse lässige Eleganz des Auftritts, die „Bella figura“. Diese Eigenschaft wurde über Jahrhunderte kultiviert, nicht zuletzt dank des theoretischen Backgrounds von Baldassare Castiglione in seinem Werk „Il libro del Cortegiano“ aus dem 16. Jahrhundert, in dem er von den Hofleuten in Urbino eine gewisse „Sprezzatura“ einmahnte. Jeder Künstler möge demnach seine Kunstfertigkeit so gestalten, dass man ihr die Mühe des langwierigen Übens nicht ansehe. Immer schön locker!
Ganz so locker geriet der unter diesem Motto stehende Abend mit dem Ensemble von Evangelina Mascardi, einer grandiosen Lautistin, nicht ganz. Ein wenig zu bemüht kam da manches herüber, aber nichtsdestotrotz war die Musik aus der Renaissance von Ludovico Milanese über Josquin Desprez bis zu Vincenzo Capirola wunderbar anzuhören.

In der Freizeit schläft man besonders gut, und das nahmen die Vokalisten von Graindelavoix in ihrem Konzert zum Anlass für einen abgedunkelten Saal. „Music for a better Sleep“ war das Leitthema zu polyphonen Gesängen von Desprez, Nicolas Gombert oder Orlando di Lasso. Das Ensemble um Björn Schmelzer gestaltete diese mehrstimmigen Linien sehr beachtlich. Beinahe lähmend dagegen wirkte der zwischen den Gesängen platzierte Vortrag von Samuel Becketts Text „Still“, von einer Sängerin in stark niederländisch akzentuiertem Englisch gegeben, der die schöne meditative Stimmung bisweilen arg bedrohte.
Komplett anders ging es da bei Barokksolistene, der norwegischen Formation in Casual Kleidung um Bjarte Eike, zu. Auf der Bühne gab es Pub-Atmosphäre, selbst das Bier fehlte nicht. In „Purcell’s Tavern“ bot man Lieder des Meisters himself ebenso wie anonyme Seemannslieder, und auch hier wurde heftig getanzt. Als wahrer Meister des Stepptanzes ohne Steppschuhe erwies sich Barockgitarrist Steven Player. Solch Gute Laune mochte man kaum ziehen lassen, musste man auch nicht, denn Barokksolistene waren, sicher nicht zufällig, die Musikanten des alljährlichen „Essenskonzertes“. Ein Ritual, bei dem nach der musikalischen Darbietung im Foyer des Konzerthauses Speisen angeboten werden (die Karten kosten auch etwas mehr). Nach einer kleinen Pause spielen die Musiker dann nochmals auf den Stufen. In diesem Jahr ein besonders mitreißender Abend!

Sehr rund und harmonisch geriet das Konzert der beliebten „La Fonte Musica“ zum Thema „Il Teatro della Caccia“ und Klängen von Francesco Landini, Nicola da Perugia oder Jacopo da Bologna. Michele Pasotti, Lautist und Leiter, erklärt gern dem Publikum, was da gespielt wird. Ein angenehmer Mehrwert des Lernens stellt sich da ein.

Und als Höhepunkt des Festivals kamen wieder einmal Europa Galante unter Fabio Biondi, allesamt in Frack und edler Abendrobe, mit Georg Friedrich Händels kürzester Oper, „Silla“. Hier sangen nur ausgezeichnete Damen, zum Teil in Hosenrollen. Ein einziger Mann (Luca Tittoto) ließ äußerst kurzzeitig seinen Bass von der Empore ertönen. Publikumslieblinge waren, wie zu erwarten, die „Resonanzen“-Stammgäste Roberta Invernizzi und Sonia Prina.

Insgesamt ein schönes Festival, das den Wunsch nach weiterer Durchmischung der Stile entstehen lässt. Es gibt langsam einen Generationenwechsel in der historisch informierten Aufführungspraxis-Szene, und diese frischen Strömungen sollten unbedingt Eingang in das längst arrivierte Festival finden.

Resonanzen, Festival im Wiener Konzerthaus, 21. bis 29. Jänner 2017. Ein Resümee.