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LINZ: "ORFEO ED EURIDICE", EINE TANZOPER

Orfeo (Martha Hirschmann) trauert mit seinen Gesellen © Barbara Aumüller

Als „Tanzoper“ hat die Linzer Ballettchefin Mei Hong Lin Christoph Willibald Glucks „Orfeo ed Euridice“ inszeniert. Daniel Linton-France dirigierte die Premiere im Musiktheater Volksgarten; der Extrachor singt und agiert mit dem Tanzensemble des Landestheaters. Knappe anderthalb Stunden dauert die abgeschlankte Version.

Ob in Moskau oder Montevideo, in Florenz, Berlin, Neapel oder Versaille: Allein die Aufführungen des Gluckschen Meisterwerkes in den vergangenen fünf Jahren sind nicht zu zählen. Wien 2014 darf keinesfalls vergessen werden, hat doch Romeo Castellucci mit der so poetischen wie riskanten Inszenierung bei den Wiener Festwochen die Geschichte vom Sänger Orpheus, der um seine verstorbene Eurydike trauert, sie aus dem Zwischenreich zurückholen darf und doch wieder verliert (und in der Pariser Version der Oper mit Hilfe Amors doch behalten darf) ein Erlebnis geschaffen, das sowohl formal wie emotional alles bisher Gesehene in den Schatten stellt und jeglichen Vergleich unmöglich macht.

Mei Hong Lins Tanzoper hält sich an das barocke Konzept: Keine Oper ohne Tanz. Das gefällt, berühren kann es nicht.
Die Partie des Orfeoist für einen Countertenor komponiert, nicht für den Ziergesang einer Sopranistin (Martha Hirschmann).   Fenja Lukas als Euridice, die nicht verstehen kann, dass ihr Orfeo sie nicht ansehen will (das ist die Auflage der Geister), gelingt in ihrem kurzen Auftritt Trauer und Schmerz bewegend zu vermitteln. In den beiden ersten Akten sieht man sie nur als schattenhafte Figur im Hinergrund wandeln.
Mei Hong Lins Bewegungsvokabular ist beschränkt,  die seligen Geister bewegen sich ebenso eckig und hektisch wie die Furien (Terroristen oder Niña-Kämpfer mit verhüllten Gesichtern). Das mag auch am Dirigenten Daniel Liston-France, liegen, der dem  Bruckner-Orchester keine Akzente setzt, Tempi verschleppt und die Dramaturgie des Textes außer Acht lässt. Dumpf klingt es aus dem Orchestergraben, selig macht dieser Reigen nicht. Euridice (Fenja Lukaks): leben und Tod, ein Kreislauf. © Barbara Aumüller

Dirk Hofacker hat die Bühne in zwei Ebenen gestaltet und das Podest im Hintergrund mit einem schräg hängenden Rahmen umgeben. Im Hintergrund wechselt mit den Szenen auch der bunte Prospekt. Der Rahmen wird auch zum Spiegel der Hauptebene und man sieht das Geschehen aus der Vogelperspektive. Die Konstruktion gibt sowohl dem Chor als auch dem Tanzensemble (als Masse dargestellt, die Rollen tragen die Sängerinnen allein) reichlich Bewegungsfreiheit und erlaubt es Mei Hong Lin gleichzeitig, immer wieder schöne Bilder und erstaunliche Körper-Skulpturen zu zeigen. Einen besonderen Akzent setzt die Vermischung der Lebenden mit dem Geisterreich, die (mehr oder weniger) in Weiß gehüllten Tänzer_innen, schlängeln und winden sich durch die Trauergemeine, dem schwarz gekleideten Chor. Effektvoll.

Gluck hat seinen „Orfeo“ in zwei Fassungen herausgebracht. In der Wiener Uraufführung (1762) muss Euridice, dem griechischen Mythos gemäß, wieder zurück in den Hades, weil Orfeo ihren Klagen nicht widerstehen kann und sich umdreht. Zwei Jahre später folgte er (und der Librettist Ranieri de’ Calzabigi) der Sehnsucht des Publikums nach einem positiven Ende: Mit Hilfe Amors (in Linz: Viola Geißelbrecht, als Barockengerl verkleidet) darf Orfeo seine Frau behalten.

Orfeo ed Euridice: Die Trauer nimmt kein Ende © Barbara Aumüller Die Choreografin zeigt eine weitere, asiatische, Variante: Das Leben ist ein Kreislauf, Geburt und Wiedergeburt, das Ende ist der Anfang. Zu Beginn versucht Orfeo seinen Schmerz auszudrücken, doch noch gelingt es nicht. Erst am Ende ist genug getrauert, Kunst darf entstehen. Die bekannte Arie „Che farò senza Euridice / Ach ich habe sie verloren“, der toten Euridice ins Ohr gesungen, in romantischer Deutung: Leid kristallisiert zu Kunst.

Begeisterter Applaus für sämtliche Mitwirkenden zum guten Ende.

„Orfeo ed Euridice“, Tanzoper von Mei Hong Lin. Musik von Christoph Willibald Gluck. Premiere am Linzer Landestheater / Musiktheater Volksgarten am 27. Februar 2016.
Weitere Vorstellungen: landestheater-linz.at