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Ian Kaler / Parasol: „Ecto-Fictions“, Tanzquartier

"Ecto-Fictions": Fünf Studierende auf dem Dach.

Parasol nennt sich das im Hebst 2021 ins Leben gerufene Fortbildungsprogramm für junge Tänzer:innen im Tanzquartier. Unter der Anleitung arrivierter Choreograf:innen erarbeitet eine kleine Gruppe ein Stück, das nach dreimonatiger Probenzeit dem Publikum präsentiert wird. Ian Kaler, der erste Mentor, hat sich an seine Kindheit erinnert, als er sich mit den Pferden unterhalten hat, und ein fünfköpfiges Team junger Tänzer:innen mit den zahmen Stuten und Hengsten am Schottenhof bekannt gemacht. Mit der Choreografie „Ecto-Fiction“ erinnert manche Bewegung an die Reiterei und auch an Kalers eigene Tanzsprache, Am 22. April hat das Projekt Parasol mit „Ecto-Fictions“ im Tanzquartier Premiere gehabt.

 Pferde blicken dich an: Aragon vom Schottenhof. © schottenhof.atAus dem Halbdunkel der Bühne blickt mich ein Pferdeauge an. Die vierbeinigen Bewohner:innen am Schottenhof im Zentrum für tiergestützte Pädagogik – Integratives Reiten und Voltigieren spielen per Video während der gesamten einstündigen Vorstellung mit. Choreograf Ian Kaler bezieht sich mit „Ecto-Fictions“ auf seine 2010 gezeigte Performance „Save a horse, ride a cowboy“, mit dem der Tänzer seine internationale Karriere begründet hat.
 Die Pferdeaugen, auch strubblige Ponys sind am Schottenhof, also blicken auf die vier Tänzerinnen und den Tänzer, schauen hin, wenden sich auch manchmal wieder ab und trotten davon. Natürlich nicht die Augen, sondern das ganze Pferd, es zeigt dem Publikum auch manchmal sein Hinterteil. Ebenso tun dies auch die jungen Tanzadept:innen, Alex Baily, Camilla Schielin, Júlia Rúbies Subirós, Shahrzad Nazarpour und Theresa Scheinecker, die im Dämmerlicht nach den Bewegungen suchen, die sie mit den Tieren verbinden. Die Kommunikation zwischen Mensch und Pferd ist nicht nur Kalers Anliegen, sondern auch der Kern der Arbeit am Schottenhof. Nicht nur die Kommunikation mit Pferden, auch das Umgehen miteinander, Freundschaft und Vertrauen sind ein Thema in der Choreografie von Ian Kaler. Übrigens und nebenbei: In der Performance „Esel“ der schallundrauch agency im Dschungel ist auch das titelgebende Tier vom Schottenhof via Video bereits zur Bühnenreife gelangt.
Die Gruppe bewegt sich in bewusster Langsamkeit, entrückt, als wären sie alle unter Wasser; Naturgeräusche, Vogelzwitschern, Wasserplätschern, Hufgetrappel begleiten die Träumenden. Die angenehme musikalische Untermalung hat Hermione Frank aka rRoxymore komponiert. Victor Duran ist für das meist recht spärliche Licht zuständig.
Die große Bühne in der Halle G wird kaum genützt, die Fünf drängen sich anfangs recht lange in einer Ecke aneinander, suchen Schutz und Geborgenheit. Ert allmählich machen sie sich selbstständig. Am Bühnenrand steht ein langgestrecktes Gebäude unter einem schrägen Dach. Eine Reithalle?Nicht nur Pferde benötigen manchmal einen Zügel, eine Leine oder einen Strick.Um die Verbindung von Reiter:innen zum Pferd deutlich zu machen, wird ein Knäuel von Leinen, Longen, Zügel angeschleppt, kurze Zeit kommt Kraft und Tempo in die Gruppe, sie sind Pferd und Reiterin zugleich. Am Ende zeigen sie aufgesetzte Fröhlichkeit, kostümieren sich für eine Zirkusvorstellung, balancieren und sitzen auf dem schrägen Hallendach. Wie dieses Finale zur schleppenden Performance davor passt, ist nicht ganz klar. Vielleicht soll es ein Weckruf ans Auditorium sein, das diesem willig und mit heftigem Applaus gefolgt ist.

Ian Kaler / Parasol: „Ecto-Fictions“
Künstlerische Leitung, Choreografie, Text: Ian Kaler: Performance: Alex Baily, Camilla Schielin, Júlia Rúbies Subirós, Shahrzad Nazarpour, Theresa Scheinecker. Musik, Soundtrack: Hermione Frank aka rRoxymore. Setting: Stephanie Rauch; Kostüm: Johanna Frahm; Lichtdesign: Victor Duran; Kamera: Diara Sow. 22., 23., April 2022, Tanzquartier
Fotos © Eva Würdinger