Neue Oper Wien – „judith | schnitt_blende“
Eine „Tanzoper“ nennt die Komponistin und Regisseurin Judith Unterpertinger ihr jüngstes Werk „Judith“. Das Libretto stammt von Magdalena Knapp-Menzel; Walter Kobéra, Intendant der Neuen Oper Wien, leitet die Uraufführung im mumok / Hofstallung.
„Judith“, der Name weckt viele Assoziationen, bei mir zuerst natürlich, die an die Frau des Blaubart, tanzt sie doch demnächst wieder in der Staatsoper in Stephan Toss’ Ballett „Blaubarts Geheimnis“. Auch Bildtafeln aus der Renaissance und dem Barock werden lebendig: Andrea Mantegna und Sandro Boticelli, Michelangelo und Tizian und natürlich Caravaggio, der seine Judith genau in dem Moment festhält, als sie den tödlichen Schnitt tut, um Holofernes’ Kopf abzutrennen.
Eine Geschichte aus dem Alten Testament, auch Klimt hat sich davon faszinieren lassen. Er malt eine triumphale Heroine mit dem Gesicht der Adele Bloch-Bauer, kein Blut, kein Schwert, nur ganz am Rand der Kopf des toten Feindes. Genau dieses Bild hing über der Komponistin Kinderbett, den Kopf des Holofernes hat sie gar nicht gesehen, doch die Frau hat sie inspiriert, wie auch die Großmutter, deren Andenken die Tanzoper gewidmet ist. Wie sie selbst war sie Judith genannt, "Ene lebenslustige Frau, die fünf Kinder geboren hat" (erzählt die Komponistin).
Drei Mal Judith also, drei Sängerinnen, drei InstrumentalistInnen und eine Tänzerin, durch Videoprojektion ebenfalls oft dreifach zu sehen. Ein Werk von knapp einer Stunde, in dem Gesang und rhythmisch gesprochener, gesungener, mit Lauten angereicherter Text, Musik und Tanz nahtlos ineinander fließen.
Die drei Sängerinnen (Elisabeth Kanettis, Claudia Cervenca, Anna Maria Pammer) haben nicht nur ihre eigene Stimme und speziellen Ausdruck sondern auch eine unterschiedliche, differenzierte Bewegungssprache. Martina Hager, die Tänzerin, arbeitet mit minutiösen Bewegungen, ist heutige Judith, kinderreiche Großmutter und biblische Figur. Einmal imitiert sie die berühmten Judith-Gestalten der bildenden Kunst, hält den imaginären Kopf des Holofernes triumphierend, aber weit von sich entfernt. Im intimen Raum der Hofstallungen im Museumsquartier spricht Hager besonders ausdrucksvoll mit den Händen, die von Zweifel und Überforderung, Arbeitslast und innerer Ruhe erzählen.
Die Komposition ist durch den tiefen Begleitklang der ruhig gestrichenen Gambe (Eva Neunhäuserer) charakterisiert. Clavichord (Manon-Lou Winter) und Fagott (Robert Gillinger) setzen dezente Akzente. Das Trio ist nur partiell sichtbar, auch die Vokalistinnen tauchen aus dem Dunkel auf, verschwinden wieder, wie auch die Tänzerin. Immer wieder bleiben in der Choreografie von Katharina Weinhuber auch die beiden Videowände leer. Ruhepause.
Judith ist „schön und jung, schillernd und erfolgreich, weiblich“, aber auch kämpfend, unruhig, gehetzt, sich selbst suchend: „bist du seist du, darfst du sein musst du“ intoniert die Sängerin. „judith | schnitt_blende“. Am Ende ist auch der Titel dieser schönen Arbeit verständlich. Das Publikum bekräftigt mit herzlichem Applaus.
Neue Oper Wien: „judith | schnitt_blende“, Tanzoper in Memoriam Judith Franziska Unterpertinger (1922–2010) von Judith Unterpertinger. Uraufführung am 22.10. 2015, mumok Hofstallung.
Weitere Aufführungen: 24., 25.10. 2015.