Asher O’Gorman: „The way of ink“, brut, imagetanz
Blaue Tinte, weißes Papier, glänzendes Kupfer, roter Steckschaum, selbstgekochte weiße Knetmasse, schwarze Inseln, gefüllt mit Wasser. Die Tänzerin und bildende Künstlerin Asher O’Gorman setzt sich in ihrer Performance „The way of ink“*) mit dem kulturellen Erbe ihrer Heimat, Irland, auseinander und zeigt eine betörende Stunde, in der Zeit und Raum aufgehoben sind. Vorgesehen für das im März ins Meer gefallene Festival imagetanz, wird „The way of ink“ dieser Tage vom brut in der Erbsenfabrik, Herklotzgasse, gezeigt.
Die Bühne in der Erbsenfabrik, an deren Ränder die wenigen zugelassenen Zuschauer*innen (vollzählig) versammelt sind, ist voll mit Objekten, kleine Tischchen mit getriebenem Kupfer als Platte, darüber hängen Körbe, aus denen es später tropfen wird – ping, ping, klack, klack; ein Turm aus Ziegeln von rotem Steckschaum (man kennt den in Vasen für Blumengebinde), weißes Papier, aus dem die Farben, rot, blau, schwarz, zerlegt, chronomatografiert, werden; dunkle Würfel aus eben diesem mürben Schaummaterial, eine irische Harfe, elektronisch verändert, sie wird schwebende Töne durch den Raum senden, an der Breitseite im Hintergrund die Musiker an ihren Reglern und Computern. Nachdem das Publikum die Schönheit der Installation genossen hat, tritt die Künstlerin auf, in der Hand knetet sie einen Knödel der selbst gekochten Masse, den sie später in den Körben über den Kupferplatten verstaut. Ping und klack, wird die milchige Flüssigkeit auf die Kupfertischchen tropfen. Aha.
Wenn Asher O’Gorman geht, die Arme hebt, ihre mit Zeichen beschrifteten Papierstreifen zeigt, wenn sie kniet und auf allen Vieren die würfelförmigen Schwämme bearbeitet, quetscht und formt, wenn sie den Kopf neigt, schreibt, die Objekte verrückt, ein irisches Lied singt, ja auch, wenn sie steht: Asher O’Gorman tanzt, anmutig, ruhig, mit feinen oft minimalen Bewegungen und Pausen, wenn es notwendig ist. Es ist ein Ritual, das sie als Schamanin vollzieht. Mit den Fingern zerreibt sie den Schaumwürfel und zeichnet mit den Bröseln einen Zauberkreis um sich.
„briseann an dúchas“, lese ich im Programmzettel, „bezeichnet das Zutagetreten des kulturellen Erbes einer Person, dessen Manifestieren in ihrem Charakter, und veranschaulicht, dass wir Subjekte unserer Umwelt sind, dass Landschaft und Mensch untrennbar miteinander verbunden sind.“
Den Rest der gescheiten Interpretationen lese ich nicht mehr. Wozu auch? Ich sehe, ich genieße diese wunderbare, entspannende Performance. Das Hantieren mit Tinte und weißem Papier, die Gemessenheit der Bewegungen, die raumfüllende, sanft schmeichelnde oder dumpf rumorende Musik, der mit Bedacht eigngrichtete Raum lassen mich an Japan denken, wo die Kalligraphie eine Kunst ist, die gelehrt wird, weil sie alle beherrschen wollen.
Und dann freue ich mich: Asher O’Gorman hat den Raum verlassen, die Türe knallt zu, Nebel und Dämmerung lösen sich auf und … das Publikum schweigt, sitzt ruhig und lässt den Blick durch den nun veränderten Raum wandern, hört, wie die Musik allmählich verebbt, ist verzaubert. Vier Vorstellungen mit eingeschränktem Auditorium, eine Wiederholungsserie im Frühjahr wäre notwendig, um diese wertvolle, sorgsam geprobte Vorstellung nicht zu schnell im Archiv verschwinden zu lassen.
Asher O’Gorman hat Choreografie in Großbritannien studiert und die Ausbildung an der SEAD in Salzburg absolviert: Zurzeit macht sie ihren Master am TransArts-Department der Universität für Angewandte Kunst Wien. Ihre Qualität als Künstlerin ist mit dem danceWEB und einem Start-Stipendium des Bundeskanzleramtes bestätigt worden.
*) Asher O’Gorman kommt aus Irland. Ob man dort so verspielt wie sie selbst durch die Grafik ihres Titels vermuten lässt, wage ich nicht zu sagen. Jedenfalls benötigte ich eine versierte Grafikerin, die den eigenen Setzkasten oder gar das Schnitzmesser mitbringt, damit diese Spielerei auch auf meinem gewöhnlichen MacBook wiedergegeben werden kann und dann online auch so erscheint. Ich kann die Fachfrau nicht bezahlen und will auch nicht. Deshalb habe ich versucht, diese Titelspielerei, die für mich die Aussage weder erweitert noch verbessert, aus dem weltweiten Netz zu kopieren: „The way of ink ••º•“. Zumindest offline sieht es ganz manierlich aus. Einmal und nie wieder!
„the way of ink“*), Performance und Installation, Entwicklung und Performances: Asher O’Gorman. Ton: Daniel Lercher; Kostüm und künstlerische Beratung: Stefan Röhrle. Gesprächspartner zu irischem Kulturerbe und Outside Eye: Ruari Donavon. Produktion Almud Krejza. Fotos und Film: © Katherina Lochmann
Verschoben vom März 2020. Uraufführung: 15. Oktober 2020, brut in der Erbsenfabrik Wien.
Drei weitere Vorstellungen: 16., 17., 18. Oktober 2020.