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Maria Radutu / Eno Peçi: „Piano & Dance“, MuTh

Pianistin Maria Radutu mit Solotänzer Eno Peçi. © privat

Eine Klaviervirtuosin und ein Solotänzer des Wiener Staatsballetts allein auf der Bühne. Ein seltenes Vergnügen. Die Pianistin Maria Radutu und der Tänzer Eno Peçi haben zwei Kunstformen zu verschmelzen und dennoch deren Eigenständigkeit zu erhalten. „Piano & Dance“ war im gut besuchten MuTh zu genießen. Mit den beiden hat sich auch der Wiener Komponist Marco Annau verbeugt, mit dessen Pianosolo „Ninni“ Radutu das Publikum begeistert hat.

Maria Radutu am Flügel, Eni Peçi darunter. Alle Fotos: © Ashley TaylorDer erste Teil des Abends war Frédéric Chopin gewidmet, Maria Radutu hat „24 Préludes op. 28“ interpretiert, Eno Peçi hat sich nobel zurückgehalten. Er ist als verwirrter Denker auf der Bühne erschienen, hat nach ergebnislosem Kampf mit dem Sessel den Raum wiederverlassen, um noch mehrmals den Kampf wieder aufzunehmen. Immer wieder scheitern, immer von neuem beginnen. Pianistin Maria Radutu mit Denker Eno Peçi im Rücken.

Radutu, für Peçi nahezu unsichtbar hinter dem Flügel verborgen, lässt sich nicht irritieren. Ihre Chopin-Interpretation ist konzentriert und einfühlsam. Das hat auch das Wiener Ballettpublikum bereits erfahren, als Radutu als Solistin in Daniel Proiettos Ballett „Blanc“ brillierte. „Blanc“, ein Auftragswerk von Manuel Legris für den argentinischen Choreografen, ist an einem dreiteiligen Abend mit je einem Werk von George Balanchine („Symphonie in C“) und Edwaard Liang („Murmuration“) uraufgeführt worden ist (1. November 2016). Die Tänzer*innen in „Blanc“ bewegten sich zur Musik von Chopin (2. Satz aus seinem 2. Klavierkonzert) und Mikael Karlsson; Eno Peçi tanzte in dieser Kreation die Solorolle – einen verwirrten Dichter, den die blanken, weißen Blätter anstarren. Mit dem Klaviersolo „Sovereign", dem Finale aus „Blanc“, erweisen Peçi und Radutu im zweiten Teil das anregenden Abends auch dem schwedischen Komponisten die Ehre und erinnern an ihre erste Bekanntschaft miteinander.

Ein Pas de  deux der besonderen Art: Eno Peçi und sein Sessel.Was mit zehn überaus gelenkigen Fingern (Händen, Armen, Hals und Kopf) möglich ist, Trauer und Verwirrung, Schmerz und Freude auszudrücken, kann auch der Körper des Tänzers. So werden bei „Piano & Dance“ die einzelnen kurzen Solos zu abwechslungsreichen intensiven Erzählungen, die in den Köpfen des Publikums entstehen können. Maria Radutu, in Rumänien geboren, mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet und seit 20 Jahren in Wien lebend, hat sich auch als charmante Moderatorin erwiesen und für die einzelnen (Doppel-)Solos im zweiten Teil eine Einführung gegeben und auch für einen fröhlichen Abschluss gesorgt. Das Prélude in g-Moll von Sergej Rachmaninow, erzählt sie, erinnert sie an ihr erstes Erlebnis mit dem „Schuhplattler“, das sie begeistert hat: „Leider ein reiner Männertanz, Frauen sind nicht vorgesehen.“ Eno Peçi macht dem fröhlichen Volkstanz jedoch, ohne zu klatschen und platteln, jede Ehre. Auch unter dem Flügel, den Maria Radutu zum vibrieren bringt, kann man tanzen: Eno Peçi. Peçi hat ein reiches Reservoire an Witz und Humor, das er viel zu selten auf der Bühne zeigt. Mit dem Rachmaninow-Solo hat er mich wieder an seine Rolle in Jerome Robbins satirisches Ballett „The Concert“ (Klaviermusik von Chopin) erinnert, in dem Peçi den „Ehemann“ tanzt, der seiner Gattin den Dolch in den Rücken stoßen möchte, aber, so leise er auch heranschleicht, versagt. Die Gattin überlebt, Künstlerin und Künstler freuen sich über den Applaus des zufriedenen Publikums.der Ehemann entschwebt mit der „Ballerina“ (Irina Tsymbal).

Als Solist allein auf der Bühne hat es ein Tänzer schwer, mit einem Partner, einer Partnerin erhöhen sich die Ausdrucksmöglichkeiten deutlich. So ist Peçi nicht der Einzige, der sich den stummen, doch recht widerspenstigen Sessel als Partner nimmt. Ganz selten, dann aber zum Vergnügen des Publikums, ist auch die Kommunikation des Tänzers mit der Pianistin gelungen. Daran könnte man bei einer Fortsetzung dieser fruchtbaren Zusammenarbeit ein wenig arbeiten. Peçi wird übrigens ab 2. November 2019 den Solosmaragd in „Emeralds“ von George Balanchines „Jewels“ tanzen.

Maria Radutu / Eno Peçi: „Piano & Dance“, Musik: Frédéric Chopin, Igor Strawinsky, George Gershwin, Mikael Karlsson, Christoph Wiillibald Gluck / Giovanni Sgambati, Marco Annau, Paul Constantinescu, Sergej Rachmaninow. Uraufführung, 2. Oktober 2019, MuTh.
Tipp:
George Balanchine: „Jewels“, Premiere eines Abends mit Edelsteinen am 2. November 2019, Wiener Staatsballett in der Staatsoper.